Frage an Aydan Özoğuz von Eva M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ist Spanien wirklich ein Rechtsstaat?...
…wie der Pressesprecher der deutschen Regierung am 26.3.18 behauptet?
Ich bin besorgt, wie sich die Bundesregierung und ihre Partei bei der Frage der Auslieferung von Herrn Puigdemont verhält. Man tut so, als sei in dem befreundeten Spanien alles in Ordnung… jedoch gibt es hier viele berechtigte Zweifel.
WAS TUN SIE, UM DIE MENSCHENRECHTE UNSERER EU-MITBÜRGER IN KATALONIEN ZU SCHÜTZEN, INSBESONDERS DAS RECHT AUF SELBSTBESTIMMUNG UND FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG?
Menschenrechtsexperten wie der französische ehemalige Richter und Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Jean Costa, sowie der ehemalige belgische EGHR Richter Francoise Tulkens haben das Vorgehen Spaniens gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung auf Verhältnismäßigkeit und Vereinbarkeit mit internationalem Recht geprüft (http://blickpunktkatalonien.com/europa-in-der-pflicht).
W. Kaleck, Gründer des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und ebenfalls Mitglied der Experten erklärt :
„Die Diskussion geht oft um die Rechtmäßigkeit oder Nichtrechtmäßigkeit einer Abspaltung. Doch ein Großteil der von uns untersuchten Maßnahmen seitens des spanischen Staates fand bereits im Vorfeld der sogenannten Unabhängigkeitserklärung statt“.
Die Experten untersuchten Maßnahmen des spanischen Verfassungsgerichts gegen die Aktivitäten der katalanischen Abgeordneten und deren strafrechtliche Verfolgung zwischen 2013 und 2017.
Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts darüber, was im Parlament von Katalonien debattiert und worüber abgestimmt werden darf, sowie die strafrechtliche Verfolgung der Abgeordneten wegen „Ungehorsam“, seien „eine schwere Einmischung in die Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, garantiert durch Artikel 10 und 11 der Europä̈ischen Charta für Menschenrechte (ECHR) und Artikel 19 und 21 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, die Spanien ratifizierte.
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Bei dem anhalten Konflikt zwischen der spanischen Zentralregierung und der Region Kataloniens handelt es sich zunächst einmal um einen innerstaatlichen Konflikt. Dieser Bedarf vorrangig einer innerstaatlichen, politischen Lösung. Der Prozess dorthin könnte aber wünschenswerter Weise durch Formen der Vermittlung von Seiten der EU unterstützt werden.
Oberstes Gebot sollte sein, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Grundsätze der spanischen Verfassung gewahrt bleiben. Verstöße gegen Menschen- und Freiheitsrechte, exzessive Anwendung von Gewalt gegenüber Demonstranten oder gar Foltervorwürfe sind nicht zu rechtfertigen und müssen ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden. Gleichzeitig steht auch die einseitig ausgerufene „Unabhängigkeit“ Kataloniens im Spannungsverhältnis zur spanischen Verfassung. Die Bundesregierung unterstützt daher die spanische Regierung in ihrem Ansinnen, die verfassungsmäßige Ordnung im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Dass sie dies nicht durch bloßes Beharren auf ihrem Recht erreichen kann, sondern dass eine Lösung nur über einen tiefgehenden Dialog gefunden werden kann, sollte ebenso klar sein.
Meine Bundestagskolleginnen und -kollegen, sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Ausschuss für Menschenrechte, werden die Lage in Spanien weiterhin intensiv beobachten und im Rahmen unserer Kontakte und Möglichkeiten für eine friedliche und politische Lösung eintreten.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB