Frage an Beate Müller-Gemmeke bezüglich Wirtschaft

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Beate Müller-Gemmeke
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Frage von Roland M. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Roland M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,

mit Bedauern habe ich gesehen ,daß Sie diesem ESM-Vertrag zustimmten.
Dies ist doch eine klare Entmündigung unserer Demokratie.Es bestimmen dann unantastbare ,demokratisch nicht legimitiere,Technokraten über teile unsere Haushaltshohheit.
Kann man dem ,und dies ist ja nur der Anfang des Demokratiekahlschlages,ruhigen Gewissens zustimmen?
Eine Befragung der Bevölkerung wird ja wohlweislich nicht durchgeführt,da ja unserer Kanzlerin der Ausgang nicht so gefallen dürfte.
Mit bedauern muß ich heute feststellen ( ich wähle die Grüne Partei seit es sie gibt), daß auch diese Partei für mich unter diesen Veraussetzungen nicht mehr wählbar ist.
Auch mein ganzer,nicht gerade kleiner ; Freundeskreis vertritt diese Meinung.

Und mit Entsetzen habe ich gelesen , das hier Parteimitglied Herr J.Trittin zwischenzeitlich als "Neu-Bilderberger" zu sehen ist und sich wohl in Virginia inspirieren lies.
Mehr über dies "Bilderberger" brauche ich Ihnen ja sicher nicht erzählen.

Schade was aus "meiner" so geliebter "GRÜNER"-Partei geworden ist......

Gruß
Roland Murr

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Murr,

herzlichen Dank für ihre Frage. Ich möchte ihnen gerne auf Ihre Gedanken antworten und Ihnen Ihre Bedenken so weit als möglich nehmen. Ich habe in der Tat dem ESM-Vertrag und den Begleitgesetzen zugestimmt. Davor habe ich mich viele Wochen lang in unzähligen Gesprächen, Veranstaltungen und Recherchen damit befasst, über was wir abstimmen und wie die Details und Zusammenhänge sind. Mir ist bewusst, wie viel Verantwortung wir als Bundestagsabgeordnete haben, deswegen habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Letztlich ist das genau das, was die Bürger erwarten dürfen: dass bei Themen von dieser Bedeutung jede und jeder einzelne Abgeordnete sich einarbeitet und sich eine unabhängige Meinung bildet. Wenn das geschieht, dann kann man auch auf die parlamentarische Demokratie vertrauen.

Deshalb - weil der Bundestag intensiv beteiligt war und umfassend beraten hat – halte ich den ESM-Vertrag nicht für eine Entmündigung oder für das Ende der Demokratie. Es bleibt bei diesem Vertrag der Grundsatz gewahrt, dass der Deutsche Bundestag als Vertretung des Souveräns die Entscheidungskompetenzen behält und nicht die Regierung. Die Haushaltshoheit bleibt beim Parlament. Die wichtigen Entscheidungen im Gouverneursrat des ESM trifft für uns der deutsche Bundesfinanzminister. Er ist ein demokratisch legitimiertes Mitglied der Bundesregierung. Und auch er darf nicht einfach nach Gutdünken entscheiden, sondern ist in allen wesentlichen Punkten an Beschlüsse des Bundestages gebunden. Diese notwendige Parlamentsbeteiligung konnte im Laufe des Verfahrens verhandelt werden. Jetzt ist also geklärt, dass bei einer Veränderung des Stammkapitals, bei der Veränderung des maximalen Darlehensvolumen und bei der Änderung der Finanzhilfeinstrumente die Zustimmung des Bundestages erforderlich ist und ebenso eine zweimalige Zustimmung, bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt. Zudem gibt es hohe Hürden bei den Entscheidungen im Gouverneursrat in der Form, dass beispielsweise Einvernehmen notwendig ist. Damit ist eine Kontrolle der Mittelverwendung durch den Bundestag umfassend gewährleistet. Die Beteiligungsrechte sind beim ESM gewahrt. Damit ist für mich eine ganz wichtige Voraussetzung erfüllt.

Uns Grünen ist die Parlamentsbeteiligung wichtig, deshalb hatten wir auch geklagt. In der Folge ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ergangen, das umfassende Informations- und Mitwirkungsrechte auch im Rahmen des Fiskalpakts sicherstellt. In der Folge muss bei allen künftigen völkerrechtlichen Vereinbarungen und Verträgen der Bundestag frühestmöglich eingebunden werden. Aus meiner Sicht ist das ein großer Erfolg und dies hat mir meine Zustimmung erleichtert.

Natürlich gibt es auch beim ESM – wie bei jeder anderen Institution vom Ordnungsamt einer Kommune bis zur Landesbehörde und den Bundesministerien – einen Bereich des „operativen Geschäfts“, bei dem innerhalb der vorher beschlossenen Vorgaben Einzelentscheidungen im Detail fallen. Dieses operative Geschäft betreiben die Mitarbeitenden des ESM. Sie genießen wie alle Parlamentarier Immunität. Das bedeutet aber nicht, dass sie „unantastbar“ sind. Diese Immunität kann aufgehoben werden. Bei Anhaltspunkten für Missbrauch oder Betrug wird dies auch geschehen.

Eine Volksabstimmungen ist zum ESM nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht ist im Moment durch Eilanträge in der Prüfung, ob ESM und Fiskalpakt mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das empfinde ich als gut und richtig, denn eine Situation wie die Euro-Krise gab es bislang nicht. Die Entscheidungen sind weitreichend. Wir Grünen sehen die Problematik, dass die Bestimmungen des Grundgesetzes mehr und mehr an ihre Grenzen geraten. Der Prozess der Europäisierung erfordert ein sehr gründliches Nachdenken über die Zukunft der Institutionen und der Kompetenzverteilung. Deswegen ist für uns ein neuer Anlauf für einen Europäischen Konvent nötig, bei dem öffentlich und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft über die zukünftige Ausgestaltung der EU-Institutionen diskutiert wird. Am Ende dieses Prozesses kann dann auch eine Volksabstimmung sehen.

Ich hoffe sehr, dass ich Ihre Frage ausreichend beantworten und Vertrauen schaffen konnte. Mein Abstimmungsverhalten zum ESM habe ich zusätzlich und ausführlich in einer persönlichen Erklärung erläutert. Sie ist auf meiner Homepage nachzulesen unter: http://www.mueller-gemmeke.de/uploads/media/12-06-30_ESM_Persoenliche_Erklaerung_01.pdf .

Mit herzlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke

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