Stimmen Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU zu? Wir sind mittlerweile 2 Mio unbehandelte betroffene Fachkräfte und Kinder in Deutschland!

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Bettina Hagedorn
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Frage von Barbara v. •

Stimmen Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU zu? Wir sind mittlerweile 2 Mio unbehandelte betroffene Fachkräfte und Kinder in Deutschland!

Liebe Frau Hagedorn, ich wurde im Alter von 27 durch einen banalen Virusinfekt aus meinem sportlich akademischen Leben gerissen und bin seit 18 Jahren mit der Krankheit ME/CFS ohne Therapie, Forschung ,Heilung und Hoffnung. Ich berate mittlerweile bundesweit betroffene Menschen (darunter viele Kinder und auch Ärzte!!) mit dem Fachwissen, welches ich mir auf meinem langen Leidensweg angeeignet habe und habe bereits 100.000€ in Diagnostik und Therapieversuche investiert. Mit der Einstufung von ME/CFS als die schwerste Form von Long Covid melden sich täglich immer mehr Menschen bei mir, da es in SH keine Versorgungsstrukturen gibt. Auch das ZDF hat in der Sendung 37 Grad über diese humanitäre Katatrosphe vor unserer Haustür berichtet. Am 19.01. 2023 wurde das Thema ME/CFS im Bundestag einheitlich diskutiert, mit dem Ziel den Erkrankten zu helfen. Ich würde gerne wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden. Ich freue mich über Ihre Rückmeldung, vielen Dank, Barbara von E.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau v. E.,

vielen Dank für Ihre Frage vom 03. Mai, ob ich dem Antrag der CDU/CSU 20/4886 im Bundestag zustimmen werde, der am 19. Januar im Rahmen der 1. Lesung interfraktionell vom Plenum an den Gesundheitsausschuss überwiesen und dort nun dort bearbeitet wird. Am 19. April gab es dazu eine erste Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss, die Sie sicherlich verfolgt haben, worauf noch weitere Beratungen folgen werden. Auch der Antrag 20/6912 der Union zum Thema Long- und Post-COVID sowie Post-Vac-Syndrom wurde am 25. Mai im Parlament diskutiert (falls Sie die Debatte – ebenso wie die öffentliche Anhörung am 19. April - nachhören wollen, ist das in der Mediathek des Bundestages jederzeit möglich) und interfraktionell in die vorgesehenen Ausschüsse überwiesen. Bei allen Debatten zu dieser Thematik wird stets überfraktionell deutlich, dass es das gemeinsame Anliegen aller demokratischen Fraktionen im Bundestag ist, die Situation der Betroffenen endlich nachhaltig zu verbessern. Ich kann Ihnen versichern, dass sowohl mir persönlich als auch der SPD-Bundestagsfraktion sehr bewusst ist, dass die Erforschung von ME/CFS und die Situation von daran erkrankten Personen derzeit noch absolut unbefriedigend ist. Deswegen unterstütze ich persönlich und wir als SPD-Bundestagsfraktion natürlich alle Maßnahmen zur weiteren Erforschung der Krankheit und der besseren Versorgung von Erkrankten, was ich jetzt näher erläutern möchte. Allerdings muss es dabei um die Betroffenen gehen und weniger um die Schaufensterpolitik der Union auf Kosten der Betroffenen.

Wichtig ist, dass wir im Bundestag bereits am 2. Dezember 2022 einen Paragraphen 92 im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beschlossen haben, der den Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes dazu verpflichtet, bis Ende des Jahres 2023 Versorgungskriterien für Menschen mit Post-Covid und Erkrankungen ähnlicher Symptomatik verbindlich zu erarbeiten. Hierzu laufen zwischen den Beteiligten bereits intensive Gespräche, um eine schnelle Umsetzung dieses Vorhabens bis zum Herbst zu ermöglichen. Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschuss sind unerlässlich, um verlässliche Methodenbewertungen zu entwickeln, damit eine verbesserte Versorgung auch für kassenärztliche Patienten zugänglich ist und angewendet werden kann.  Die CDU/CSU hat im Dezember 2022 dem Krankenhausentlastungsgesetz übrigens als einzige Fraktion NICHT zugestimmt (sogar die Linke und die AfD haben sich enthalten!) und damit die Neueinführung des Paragraphen 92 abgelehnt, obwohl es dabei exakt um die Maßnahmen geht, die die Union in Ihrem eigenen Antrag vom 25. Mai im Deutschen Bundestag nun fordert! Sie werden nun eventuell besser nachvollziehen können, warum wir keinem Unionsantrag zustimmen, weil unsere Bundesregierung – insbesondere das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) – bereits in enger Abstimmung mit uns im Parlament - zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht haben. Im Detail heißt das:

So fördert das BMBF seit dem 12. Mai 2023 bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung (auch für kassenärztlich Versicherte!) gelangen können. Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund des Klinikums der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.

Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim Leitungsstab des BMG angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein. Darüber hinaus hat das BMG das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS systematisch aufzuarbeiten. Ein abschließender Bericht wird im Juni dieses Jahres erwartet. Erst dann wird man die bereits laufenden Aufklärungskampagnen – beispielsweise durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – weiter ausbauen und auf eine noch validere Grundlage stellen können.

Es ist beantragt, dass das Gesundheitsministerium durch Versorgungsforschung künftig seinen regelmäßigen Anteil leisten wird. Es gibt bereits eine Infohotline für Betroffene. Gleichzeitig haben wir Mitglieder im Haushaltsausschuss des Bundestages, dessen stellvertretende Vorsitzende ich bin, auch enorme Gelder für Forschung verankert, die kontinuierlich fortgeschrieben werden.

Wie Sie an meinen Ausführungen erkennen können, arbeiten wir als Ampelkoalition seit Beginn der Wahlperiode mit Hochdruck daran, die Situation bezüglich der Erforschung von ME/CFS und die Situation von daran erkrankten Personen deutlich zu verbessern. Dass die unzulängliche Versorgung der Betroffenen speziell in Schleswig-Holstein in die Zuständigkeit des Landesgesundheitsministeriums fällt und Sie deswegen dort nachhaken müssten, ist Ihnen ja sicherlich bekannt.

Zu Ihrer Frage, ob ich dem CDU/CSU-Antrag im Bundestag zustimmen werde, möchte ich Sie grundsätzlich darüber aufklären, dass in JEDER Regierung – unabhängig von der Zusammensetzung der Regierungskoalition und unabhängig davon ob es sich um die Regierungskoalition in Berlin mit SPD, Grünen und FDP oder die in Kiel mit CDU und Grünen handelt – die Fraktionen einer Regierung in unserer parlamentarischen Demokratie traditionell nie einem Oppositionsantrag zustimmen. Die CDU/CSU hat im Bundestag in 16 Jahren der Regierungszeit von Angela Merkel auch nie einem Antrag der Opposition zugestimmt und die CDU-Grünen-Fraktionen in Kiel unter Daniel Günther auch nicht, weil die jeweiligen Regierungskoalitionen durch eigene Anträge bzw. Gesetze mit Mehrheit konkret umsetzen, worauf sie sich verständigt haben. Leider wird über dieses übliche Procedere öffentlich zu wenig aufgeklärt, weswegen ich Ihre Frage gut nachvollziehen kann.

Die CDU/CSU wusste natürlich auch schon bei der Einbringung ihres Antrages ganz genau, dass der nicht mehrheitlich unterstützt wird, will aber mit solchen Anträgen – die wir im Parlament deshalb „Schaufensteranträge“ nennen – gerne bei Betroffenen wie Ihnen öffentlich „punkten“, erzielt aber außer einer öffentlichen Debatte keine Wirkung.

Unabhängig vom weiteren Verlauf dieser Beratungen kann Ihnen jedoch versichern, dass wir Sozialdemokraten Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen. Darum werden wir nicht nachlassen, auf Ihr Anliegen auch weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Arztverbänden hinzuwirken, Fortschritte einzufordern und durch finanzielle Mittel zu unterstützen. Wichtig ist uns, dass Verbesserungen auch stets für kassenärztlich Versicherte Betroffene zugänglich sind.

Ich möchte Ihnen abschließend meine persönliche Bewunderung für Ihr Engagement und Ihre aktive Haltung sowie Ihren Einsatz in der Thematik ausdrücken, für die Sie so viel Kraft investieren, obwohl Sie selbst von dieser Krankheit betroffen sind. Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!

Ihre Bettina Hagedorn

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