Nach einem AfD-Landrat nun auch noch ein AfD-Bürgermeister. Dazu hohe Umfragewerte für die AfD. Das alles macht mir Angst. Kann man die AfD nicht einfach verbieten?

Dagmar Schmidt, MdB (2017)
Dagmar Schmidt
SPD
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Frage von Reiner R. •

Nach einem AfD-Landrat nun auch noch ein AfD-Bürgermeister. Dazu hohe Umfragewerte für die AfD. Das alles macht mir Angst. Kann man die AfD nicht einfach verbieten?

Dagmar Schmidt, MdB (2017)
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zu den jüngsten Wahlerfolgen der Rechtspopulisten, die mir – wie auch Ihnen – große Sorgen bereiten.

Um direkt auf Ihre Frage einzugehen: Eine Partei kann in der Bundesrepublik Deutschland nicht einfach verboten werden. Zunächst besteht nach Artikel 21 des Grundgesetzes das sogenannte Parteienprivileg. Es gewährleistet das Recht auf Bildung politischer Parteien und schützt diese vor staatlicher Willkür. Ein Verbot einer politischen Partei kann nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach einem gerichtlichen Verfahren erfolgen.

Die wesentliche Grundvoraussetzung ist, dass die Partei als verfassungsfeindlich eingestuft wird und ihre Ziele und Handlungen darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Der Prozess selbst erfordert eine gründliche juristische Prüfung und den überzeugenden Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Rechtspopulisten sind bereits in der Vergangenheit mit Aussagen aufgefallen, die rechtsextrem und verfassungsfeindlich sind. Mitglieder und Vertreter dieser Partei sind oder waren auch in anderen faschistischen oder rechtsextremen Netzwerken organisiert. Es war daher nur konsequent, dass im vergangenen Jahr gerichtlich festgestellt wurde, dass die Rechtspopulisten nicht mehr nur als einzelne Landesverbände als sog. Verdachtsfälle beobachtet werden, sondern die gesamte Bundespartei. Deren Jugendorganisation wurde durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Sollte das Revisionsverfahren der Rechtspopulisten vor dem Oberlandesgericht in Münster scheitern, dann hat die Einstufung der Rechtspopulisten als Beobachtungsfall und deren Jugendorganisation weitergehende Konsequenzen.

Eine wehrhafte Demokratie muss aber auch Verbotsverfahren in Erwägung ziehen, wenn Parteien ihren Einfluss und ihre Macht nutzen, um unsere Demokratie zu bekämpfen. In gewissen osteuropäischen Ländern haben wir bereits gesehen, wie die Demokratie mit Mehrheitsbeschlüssen ausgehebelt wurde, nachdem rechtspopulistische Parteien Wahlen gewonnen haben. Daher muss früh und rechtzeitig gegengesteuert werden. Dennoch sollte ein Parteienverbot eine außergewöhnliche Maßnahme bleiben. Daneben existieren noch weitere Möglichkeiten, den Rechtspopulismus zu bekämpfen.

Mir wäre es lieber, wir überzeugten deren Anhänger im demokratischen Diskurs, mit politischer Bildung, kritischer Berichterstattung und dem bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Um dieses Vorgehen zu unterstützen wurde bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein Förderprogramm für mehr Demokratie im Bundesfamilienministerium aufgelegt und Bundesinnenministerin Faeser hat im vergangenen Jahr einen Aktionsplan gegen Rechts vorgestellt, der auf mehreren Ebenen ansetzt und den Sie hier einsehen können: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/aktionsplan-rechtsextremismus.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Wichtig ist, dass wir diejenigen, die gegen Populismus und Extremismus vorgehen, nicht allein lassen, sie schützen und gemeinsam, vehement und offen gegen rechte Stimmungsmache vorgehen. Auch in Hessen gibt es mehrere Bündnisse und Netzwerke, die sich gegen Rechtspopulismus und -extremismus stellen und die seit Jahren wertvolle Arbeit leisten. Sie werden von den demokratischen Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen getragen. Zu einer Mitarbeitet oder Unterstützung kann ich nur ermutigen! Jeder und jede einzelne ist aufgerufen, in seinem Umfeld deutlich zu machen, dass man den dumpfen Parolen nicht auf den Leim geht und eine entschieden andere Weltsicht hat.

Wenn Sie Fragen haben sollten oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich jederzeit auch direkt an mich unter dagmar.schmidt@bundestag.de wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre

Dagmar Schmidt, MdB

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