Frage an Frank Tempel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Frank Tempel
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Frage von Nico R. •

Frage an Frank Tempel von Nico R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Tempel,

ich würde mir gern einen genaueren Blick über die Ansicht der Linken zum Thema Drogenpolitik verschaffen.
Als ich vor kurzem die Meldung zu ihrem Bundesparteitag las, die "Linke will alle Drogen freigeben" war ich sehr erstaunt, dass ihre Partei eine solch progressive Stellung zu dem Thema einnimmt. Aber die Position wurde dann ja noch am selben Tag relativiert. Teilweise kam es dann zu widersprüchliche Aussagen in den Medien und von einigen hohen Linken-Funktionären. Dort setzen meine Fragen an. Ich weiß, dass die Bezeichnung "harte" und "weiche" Drogen in der wissenschaftlichen Welt als überholt gilt, möchte sie aber der EInfachheit halber trotzdem verwenden. Hier nun meine Fragen:

1.) Möchte die Linke entkriminalisieren oder legalisieren? (Bzw. eine Abstufung je nach "Härte" der Droge durchführen.)
2.) Möchte die Linke die Entkriminalisierung/ Legalisierung nur bei Besitz oder auch beim Handel mit Rauschmitteln durchsetzen?
2.b) Wäre der Erwerb von Rauschmitteln auch für gesunde, nicht Suchtkranke bspw. in Apotheke oder einer Art "Drogenfachgeschäft" möglich?
3. Wie steht die Linke zur Eigenversorgung, also dem Anbau für eigene Zwecke beim Thema Hanf?

Nun noch eine Frage, die mehr auf ihren persönlichen Erfahrungsschatz abzielt:
Sie sind ja Polizist. Gibt es nach ihren Erfahrungen viele Berufskollegen die ihre Denkweisen teilen, oder stehen Sie da in ihrer Zunft eher alleine da?

Vielen Dank im Vorraus,

Nico Rudolph

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rudolph,

da mit den repressiven Verboten von illegalisierten Drogen mehr Probleme entstehen (z.B. kein Schutz vor Streckmitteln, Absatzmärkte für kriminelle Organisationen) als gelöst werden, tritt die LINKE für die Entkriminalisierung der Konsumierenden und die Legalisierung der spezifischen Drogen ein. Beide Prozesse stehen also in unmittelbaren Zusammenhang zueinander, zielen aber entweder auf die Konsumierenden oder auf die jeweilige Droge ab. Dieses Anliegen kann schrittweise umgesetzt werden und bei der bereits von der Mehrheitsgesellschaft akzeptierten - aber noch immer illegalisierten Droge - Cannabis beginnen.

Wie meine Fraktion und ich mit dem jüngsten Antrag zur Legalisierung von Cannabis nach spanischem Vorbild erklärt haben, zielt die Entkriminalisierung der Konsumierenden und die Legalisierung der Droge nur auf den Zweck des Eigenverbrauchs ab. Der Handel ist weiterhin untersagt, wird aber aufgrund des Club-Modells, bei dem eine autorisierte Person auch für andere Konsumierende Cannabis anbauen kann, überflüssig. Außerdem unterliegt Cannabis dem Werbeverbot, das die LINKE im Übrigen auch für Alkohol und Tabak fordert, um dem doppelten Standard in der Drogenpolitik entgegen zu wirken.
Den Antrag finden Sie hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/071/1707196.pdf.
Andere Substanzen wie Kokain oder Heroin sollen durch ein staatliches Monopol abgegeben werden. Dies könnte zum Beispiel über Apotheken oder Drogenfachgeschäfte ermöglicht werden.

Die Möglichkeit, bisher illegalisierte Drogen auch für Nichtkranke oder Nichtsüchtige zugänglich zu machen, ist Teil des Programms der LINKEN. Hierbei muss betont werden, dass nicht jeder Konsum von Drogen eine Suchterscheinung ist. Drogen sind Teil des Alltags. Denjenigen, die bisher illegalisierte Drogen zu sich nehmen, wird durch das Verbot systematisch der Jugend- und Verbraucherschutz vorenthalten. Gerade im Interesse eines verantwortungsvollen Konsums von Drogen ist es aber dringend notwendig, Klarheit über die Inhaltsstoffe einer Droge zu haben. Bisher hat das Verbot bestimmter Substanzen dazu geführt, dass gesundheitsgefährdende Streckmittel in Drogen oftmals unerkannt blieben und somit den Konsum in seinem Gefahrenpotenzial auf unverantwortliche Weise deutlich riskanter machte. In diesem Sinne sind wir bestrebt, dass jeder, der eine Droge konsumieren will, diese von einer staatlichen oder vom Staat autorisierten Stelle erhalten kann. Unabhängig von dieser Möglichkeit bleibt die Handlungsmaxime der LINKEN, präventiv durch Aufklärung und Information dem Drogenmissbrauch vorzubeugen.

Innerhalb des Polizeibetriebs wird ebenfalls heftig über eine zeitgemäße Drogenpolitik diskutiert. Die Polizeibeamten sind hierbei nur ein Querschnitt der Gesellschaft. Das heißt, es gibt einerseits Stimmen, die die Entkriminalisierung von Konsumierenden fordern; und es gibt andererseits Stimmen, die an der bisherigen Praxis der Repression festhalten wollen. Wichtig ist, dass die Diskussion innerhalb der Polizei weitergeführt wird, ebenso wie sie in der Gesellschaft geführt werden muss.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Tempel