Frage an Fritz Felgentreu bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Fritz Felgentreu
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Frage an Fritz Felgentreu von Nicole H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Felgentreu,

welche Personen sind aufgrund welcher Funktion / Eigenschaft an den am Montag, 16.12.2013 begonnenen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika beteiligt? Wie wurden die an diesen Verhandlungen Teilnehmenden bestimmt?

Wie werden die Interessen der Bevölkerung Deutschlands in diesen Verhandlungen vertreten/berücksichtigt? Ist eine Beteiligung der Bevölkerung Deutschlands bei der Entscheidung über die Ergebnisse in Form eines Referendums/Volksentscheids geplant? Falls nein, wer entscheidet dann über die Umsetzung des Freihandelsabkommens für die Bevölkerung Deutschlands?

Halten Sie es angesichts der jüngsten Datenschutzverstöße durch US-amerikanische Geheimdienste für angebracht, so viel Vertrauen gegenüber den Vertreter von us-amerikanischer Seite entgegen zu bringen?

Welche Vereinbarungen sind Ihrer Meinung nach unverrückbar als Mindestanforderungen in einem evtl. Freihandelsabkommen zu den folgenden Themen festzulegen:

Datenschutz
Umweltschutz/Nachhaltigkeit als vorrangige Prämisse vor maßlosem Wachstum
Gentechnik bei Pflanzen/Lebensmitteln und Medizin
Fracking

Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Hartmann

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SPD

Sehr geehrte Frau Hartmann,

zunächst danke ich Ihnen für Ihre Fragen zu einem Thema, das unser Leben in den nächsten Jahren stark beeinflussen wird. Ich denke, das geplante Freihandelsabkommen bietet sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verbraucher vielfältige Vorteile und Verbesserungen. Gleichzeitig gibt es bei einem solchen weitreichenden Abkommen auch einige Risiken und Probleme, die wir schon vor Abschluss der Verhandlungen erkennen und ausräumen müssen.

Am 16.12.2013 begann bereits die dritte Runde der Verhandlungen. Diese werden von der Europäischen Kommission unter der Leitung des EU-Kommissars für Handel Karel De Gucht (Belgien) im Namen aller 28 Mitgliedstaaten geführt. Zwar ist die Generaldirektion für Handel federführend bei den Verhandlungen, jedoch arbeitet sie eng mit Personen aus anderen zuständigen Generaldirektionen zusammen. Eine Liste der einzelnen Verhandlungsteilnehmer finden sie hier http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/july/tradoc_151668.pdf (EU) und hier http://www.ustr.gov/sites/default/files/lead%20negotiators%20list%20TTIP.pdf (USA).

Außerdem, und ich denke darauf zielte Ihre Frage zum Teil ab, wurden Vertreter aus Verbänden und der Wirtschaft bei den Verhandlungen angehört, die sich zuvor frei registrieren konnten. Dabei muss betont werden, dass eine separate Anhörung für die Akteure abgehalten wurde, sie saßen also nicht mit am Verhandlungstisch. Ohne die Expertise dieser Akteure wäre es meiner Meinung nach kaum möglich, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Schließlich ist es die Wirtschaft, die die Regelungen des Freihandels letztendlich umsetzen und mit Leben füllen wird. Wir müssen aber immer aufmerksam beobachten, von wem eine Expertise kommt, welche Interessen dahinter stecken und wie wir sie schließlich einordnen und bewerten.

Aus den einzelnen Mitgliedstaaten der EU nehmen keine Vertreter an den Verhandlungen teil. Dennoch haben die Länder natürlich Einfluss auf die Ergebnisse. Einerseits geben die Regierungen im Europäischen Rat der Minister bindende Verhandlungsziele vor. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kommt daher in der Vertretung deutscher Interessen eine Kernaufgabe zu. Andererseits muss die Kommission sie über die Verhandlungen unterrichten.

Die Verhandlungsergebnisse werden nicht automatisch in europäisches Recht übernommen. Nachdem sowohl der Rat als auch das EU-Parlament die Ergebnisse gebilligt haben, müssen alle Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen. Eine direkte Beteiligung der Bevölkerung sieht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nur in Fällen der Neugliederung des Bundesgebietes und im Fall einer neuen Verfassung vor. Auch wenn ich die Befragung des Volkes für eine Idee halte, die das öffentliche Ansehen der EU stärken würde, liegt sie derzeit nicht im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Die Legitimierung der Verhandlungsergebnisse und deren Umsetzung obliegen dem Deutschen Bundestag als demokratisch gewählter Vertretung der Bürgerinnen und Bürger.

Ich bin mir sicher, dass wir das Freihandelsabkommen ohne gegenseitiges Vertrauen nicht umsetzen können. Da dieses Vertrauen durch die Enthüllungen der NSA-Affäre nachhaltigen Schaden genommen hat, gilt es Maßnahmen zu ergreifen, um es neu aufzubauen. Ich denke, dass die Beschlüsse unseres Koalitionsvertrages dazu beitragen können. Parallel zu den Verhandlungen müssen wir die Aufklärung der Ausspähungen vorantreiben und gleichzeitig ein Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln. Zudem erwarte ich ein deutliches Bekenntnis der USA zu diesen Maßnahmen. Unabhängig von den Verhandlungen mit den USA muss Deutschland aber auch von sich aus mehr tun, um die Bürgerrechte der Menschen hier vor Angriffen aus dem Ausland zu schützen. Blindes Vertrauen, trotz gemeinsamer Werte und Interessen, darf es nicht geben. Dennoch werden wir die USA auch in Zukunft als starken Partner brauchen.

Das Freihandelsabkommen darf außerdem nicht dazu führen, dass wir bei bestimmten Themen hinter bereits bestehende Mindestanforderungen zurücktreten. Das gilt für den Umweltschutz genauso wie für die Gentechnik. Eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte aus den USA halte ich für unumgänglich, da nur so der Verbraucherschutz gewährleistet werden kann. Der Datenschutz muss so stark ausgeprägt sein, dass sowohl die Privatsphäre des Bürgers als auch die freie Meinungsäußerung gesichert sind. Der europäische Gerichtshof wird dazu bald ein Urteil fällen, das auch für das auszuhandelnde Freihandelsabkommen Gültigkeit besitzen muss.

Wenn über Nachhaltigkeit gesprochen wird, geht es immer auch um Energiegewinnung. Wir haben in Deutschland den einmaligen Weg eingeschlagen, in Zukunft ausschließlich erneuerbare Energie zu nutzen. Fracking ist eine gefährliche Technologie mit unübersehbaren Folgen. Die Öffnung für die Fracking-Technologie widerspricht unseren Zielen massiv und darf daher keinen Weg in das Freihandelsabkommen finden.

Mit freundlichen Grüßen

Fritz Felgentreu