Frage an Ismail Ertug bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Ismail Ertug
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Frage von Sebastian L. •

Frage an Ismail Ertug von Sebastian L. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Ertug,

was tuen Sie und Ihre Fraktion um zu verhindern, das Monsantos Genmais als Tierfutter in der EU zugelassen wird und damit auf unseren Tellern landet?
http://www.focus.de/wissen/weltraum/odenwalds_universum/regierung-steht-vor-gentechnik-entscheidung-laesst-die-eu-bald-gentechnisch-veraenderten-mais-zu_id_3581636.html

Mit freundlichen Grüßen,

S. L.
Schleswig-Holstein

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SPD

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Im Entscheidungsprozess über die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) ist das Europaparlament nicht involviert. Zuständig sind die nationalen Regierungen, die im Rat über die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen entscheiden. Wir Europaparlamentarier können also nicht über die Zulassung entscheiden, sondern allerhöchstens politischen Druck auf die nationalen Regierungen aufbauen.

Uns Sozialdemokraten wäre ein grundsätzliches europaweites Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen sehr viel lieber. Allerdings konnten wir uns bei der Reform der EU-Gesetzgebung für die Zulassung von GVO nicht gegen die liberal-konservative Mehrheit durchsetzen. Angesichts des enormen Widerstandes unter den Mitgliedstaaten hat das Europäische Parlament nach fast vier Jahren zäher Verhandlungen selbst diesen Kompromiss mühsam erkämpfen müssen. Uns ist ein rechtssicheres Anbauverbot in Deutschland aber lieber als gar keines in Europa.

Wenn Sie sich gegen den Anbau von GVO in Deutschland und Europa engagieren möchten, dann wenden Sie sich am besten an die Bundesregierung. Denn dort ist unter dem CSU-geführten Landwirtschaftsministerium und dem CDU-geführten Wissenschaftsministerium keine einheitliche Linie erkennbar. Deswegen enthält sich Deutschland regelmäßig im Rat und sorgt dafür, dass keine qualifizierte Mehrheit zu Stande kommt, um GVO in ganz Europa zu verhindern.

Noch ein paar Worte zum Entscheidungsprozess bei der Zulassung von GVO:

Der EU-Rechtsrahmen für GVO sieht vor, dass kein GVO oder genetisch verändertes Lebens- oder Futtermittel ohne eine vorher erteilte Zulassung in Verkehr gebracht werden darf. Dafür wird von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gemeinsam mit den wissenschaftlichen Stellen der Mitgliedstaaten eine Risikobewertung vorgenommen. Zeigen die Ergebnisse der Risikobewertung, dass das Erzeugnis unter den vorgeschlagenen Bedingungen für das Inverkehrbringen kein Gesundheits- oder Umweltrisiko birgt, legt die Kommission den Mitgliedstaaten den Entwurf eines Beschlusses über die Zulassung vor. Bei diesem Verfahren stimmen die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit ab.

Stimmen die Mitgliedstaaten dafür, nimmt die Kommission den Beschluss an. Stimmen sie dagegen, oder ergibt die Abstimmung „keine Stellungnahme“ (keine qualifizierte Mehrheit, weder für noch gegen den Vorschlag), kann die Kommission den Beschlussentwurf dem Berufungsausschuss vorlegen, in dem die Mitgliedstaaten auf höherer Ebene repräsentiert sind. Im Berufungsausschuss stimmen die Mitgliedstaaten erneut über den von der Kommission vorgelegten Beschlussentwurf ab. Stimmen die Mitgliedstaaten dafür, nimmt die Kommission den Beschluss an. Stimmen sie dagegen, kann die Kommission den Beschluss nicht annehmen. Lautet das Ergebnis „keine Stellungnahme“, so ist die Kommission gemäß dem GVO-Rechtsrahmen und der Grundrechtecharta verpflichtet, eine Entscheidung über den Antrag zu treffen, und hat somit in der Praxis kaum eine andere Wahl, als die Zulassung zu gewähren.

Das heißt aber noch nicht, dass das GVO dann auch überall in Verkehr gebracht werden darf. Das Europaparlament hat in Zusammenarbeit mit der Kommission und dem Rat die europäische Gesetzgebung im Frühjahr 2015 geändert. Seitdem ist es den europäischen Mitgliedstaaten möglich, unter bestimmten Umständen für ihr Territorium ein sogenanntes "Opt-out" zu wählen. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob ein bereits auf europäischer Ebene genehmigtes GVO auf dem eigenen Territorium angebaut werden darf. In Deutschland ist die Debatte darüber noch nicht abgeschlossen und der Gesetzesvorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums noch nicht verabschiedet.

Seit Inkrafttreten des EU-Rechtsrahmens für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel haben die Abstimmungen im Ständigen Ausschuss und im Berufungsausschuss stets „keine Stellungnahme“ ergeben, sowohl bei für den Anbau bestimmten GVO als auch bei GV-Lebens- und -Futtermitteln. Die endgültige Entscheidung über die Zulassungen bleibt daher am Ende des Verfahrens immer der Kommission überlassen. Das Abstimmungsverhalten in Bezug auf genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel zeigt, dass in der Regel mehr Mitgliedstaaten für den Beschlussentwurf sind als dagegen. Die von den Mitgliedstaaten angeführten Gründe, aus denen sie sich der Stimme enthalten oder gegen den Entwurf stimmen, beruhen manchmal auf einer wissenschaftlichen Grundlage, betreffen jedoch meist andere Aspekte, die die gesellschaftliche Debatte in dem jeweiligen Mitgliedstaat widerspiegeln.

Mit freundlichen Grüßen
I. Ertug