Möglichkeiten äthiopischer Asylbewerber, die seit 6-7 Jahren in Bayern leben, eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten?

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Joachim Herrmann
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Frage von Manfred L. •

Möglichkeiten äthiopischer Asylbewerber, die seit 6-7 Jahren in Bayern leben, eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten?

Sehr geehrter Herr Herrmann, ich bin seit 2015 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Seit 2018 leite ich den Arbeitskreis "Äthiopien" in der Metropolregion Nürnberg mit den Schwerpunkten schulische und berufliche Ausbildung, Bewerbungsunterstützung und Jobvermittlung. Sehr viele haben zwischen-zeitlich die Schule erfolgreich abgeschlossen, eine Ausbildung begonnen bzw. auch abgschlossen oder eine feste Anstellung gefunden. Leider leben die meisten in der zermürbenden Ungewissheit, ggfs. abgeschoben zu werden, da sie immer noch nur eine Gestattung bzw. Duldung haben. Sie kennen auch die Situation in Äthiopien: Kriegszustand in Tigray, bürgerkriegsähnliche Zustände in allen Regionen zw. unterschiedlichen Volks- und Religionsgruppen. Zudem ist die humanitäre Situation aufgrund der Dürre und der Preissteigerung für Grundnahrungsmittel dramatisch. Welche Perspektive in Bezug auf eine Niederlassungserlaubnis gibt es für diese Menschen? Mit freundlichen Grüßen, Manfred L.

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Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich über die Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für äthiopische Asylbewerber erkundigen.

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für noch im Asylverfahren befindliche bzw. abgelehnte Asylbewerber scheidet grundsätzlich aus.

Zum einen werden die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Erteilungsnorm, insbesondere der erforderliche Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. bspw. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 26 Abs. 4, § 28 Abs. 2 AufenthG), regelmäßig nicht gegeben sein.

Zum anderen steht der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zumeist die sogenannte Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Hiernach kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.  Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Eine Ausnahme von der Titelerteilungssperre ist daher regelmäßig nur im Falle eines Anspruchs oder – bei abgelehnten Asylbewerbern - durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Maßgabe des Abschnitts 5 zu gewähren. Auch wenn Asylbewerber im laufenden Asylverfahren von der Pflicht zum Durchlaufen eines Visumverfahrens befreit sind (§ 39 Satz 1 Nr. 4 AufenthG), so handelt es sich bei einigen spezialgesetzlichen Niederlassungserlaubnis-Normen nicht um Normen, die einen Rechtsanspruch auf Erteilung begründen können. Im Falle von abgelehnten Asylbewerbern,  bei denen die Einreise nicht mit dem erforderlichen Visum erfolgt ist, scheidet ein Anspruch in jedem Fall wegen Nichtvorliegens der Regelerteilungsvoraussetzungen aus.

Eine Aufenthaltsperspektive ergibt sich nach der derzeitigen Rechtslage auch nicht in Ansehung des geplanten „Chancen-Aufenthaltsrechts“.

Das Handeln der Staatsverwaltung erfolgt auf der Grundlage der geltenden Rechtslage. Dieser „Vorrang des Gesetzes“, wonach das Handeln der Exekutive nicht gegen geltendes Recht verstoßen darf, ist tragender rechtstaatlicher Grundsatz. Eine Änderung der geltenden Rechtsnormen im Aufenthaltsgesetz obliegt dem Bundesgesetzgeber, insbesondere dem Bundestag und dem Bundesrat. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts ist noch nicht abgeschlossen. Folglich lässt der vorliegende Gesetzesentwurf, der im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch geändert werden kann, die derzeit geltende, maßgebliche Rechtslage unberührt und stellt keine geeignete Grundlage für eine Änderung der Verwaltungspraxis im Sinne eines generellen Abschiebungsstopps hinsichtlich aller Ausreisepflichtigen, die im Besitz einer Duldung sind, dar. Im Übrigen wird der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf in der derzeitigen Fassung seitens des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, abgelehnt. Durch den Gesetzesentwurf wird die dem deutschen Aufenthaltsrecht zugrundeliegende Unterscheidung zwischen Asylrecht und sonstiger (insbesondere wirtschaftlich bedingter) Migration weiter aufgeweicht. Nach alledem besteht für eine durch die oberste Ausländerbehörde vorgeschriebene Rückpriorisierung anstehender und rechtmäßiger Aufenthaltsbeendigungen im Sinne einer Vorgriffsregelung keine Grundlage. Auch die großzügige Erteilung von übergangsweisen Ermessensduldungen kommt nicht in Betracht, da deren Erteilung nur im Einzelfall unter Ausübung des jeweiligen Ermessens in Frage kommt, nicht jedoch pauschal für eine Vielzahl von Fällen als faktische Übergangsregel für noch nicht geltende Rechtsgrundlagen. Gleichwohl lassen die bayerischen Ausländerbehörden den Einzelfall nicht aus dem Blick und haben ein besonderes Augenmerk auf Menschen, deren Identität zweifelsfrei geklärt ist, die bereits gut integriert sind und keine Straftaten in unserem Land begangen haben. Gerade vor jeder Abschiebung wird jeder Fall nach Maßgabe des geltenden Ausländerrechts nochmals anhand aller der zuständigen Ausländerbehörde bekannten Informationen einzeln und akribisch auf den Prüfstand gestellt. Insbesondere sind Abweichungen bei einer echten, nachhaltigen Integration im Einzelfall schon jetzt möglich.

 

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann, MdL

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