Frage an Joachim Schuster bezüglich Humanitäre Hilfe

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Joachim Schuster
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Frage von Jens W. •

Frage an Joachim Schuster von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe

Sehr geehrter Herr Schuster,

ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meinen gewählten Abgeordneten mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann

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Sehr geehrter Herr W.,

auch ich betrachte die Situation mit Entsetzen und großer Sorge. Genauso unerträglich finde ich die Situation vieler Flüchtlinge in den Lagern auf den griechischen Inseln. Deswegen setze ich mich gemeinsam mit vielen KollegInnen aus dem Europäischen Parlament in der parlamentarischen Arbeit für eine grundlegende Reform der europäischen Flüchtlingspolitik an. Bezüglich der sich auf den griechischen Inseln ist es aus meiner Sicht dringend geboten, einen Großteil der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten kurzfristig umzuverteilen und dort ein geordnetes Asylverfahren durchzuführen. Wir knüpfen dabei an eine Resolution des Europäischen Parlaments von 2017 an, in der wir damals mit deutlicher Mehrheit der Europa-Abgeordneten die solidarische Verteilung von zunächst 160.000 Flüchtlingen gefordert haben. De sich inzwischen abzeichnende Bereitschaft, zumindest 1.500 Kindern in anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen. Aber das darf nur ein wichtiger erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen.

Bezüglich der Menschen an der griechisch-türkischen Grenze ist zunächst festzustellen, dass es sich hier um einen gezielten Erpressungsversuch der Erdogan-Regierung handelt. Er nimmt die Menschen in Geiselhaft, um seine innenpolitischen wie auch regionalen Interessen im Krieg in Syrien durchsetzen zu können. Dies zeigt aus meiner Sicht, dass es ein hochproblematisch ist, mit Regierungen „Flüchtlingsdeals“ zu schließen, denen die Wahrung von Menschenrechten keine Priorität ist. Das heißt, aus meiner Sicht ist eine grundlegende Neuordnung auch dieses Teils der europäischen Flüchtlingspolitik erforderlich, zumal die Verhältnisse in anderen Staaten, mit denen die EU ebenfalls Deals eingegangen ist, nicht grundlegend besser ist. Das ist eine mittelfristige Aufgabe. Nichts desto trotz ist die EU aber auch kurzfristig gehalten, ein geordnetes Asylverfahren auch für die Menschen sicherzustellen, die sich aktuell an der griechisch-türkischen Grenze befinden. Dazu wäre es sicherlich erforderlich, zuzulassen, dass die Menschen griechischen Boden betreten, wobei es durchaus möglich wäre, grenznah mit Unterstützung anderer Mitgliedstaaten ein Asylverfahren zu gewährleisten.

Ob es gelingt, kurzfristig Lösungen in dieser Richtung zu erreichen, kann ich leider nicht sagen. Erstens sind auch im Europäischen Parlament viele Abgeordneten der Auffassung, dass die Grenzen insbesondere wegen des offensichtlichen Erpressungsversuches von Erdogan geschlossen bleiben müssten. Und zweitens liegt die Frage der Neuordnung der europäischen Asylpolitik im Wesentlichen in nationaler Souveränität. Und es ist kein Geheimnis, dass viele Mitgliedstaaten eine derartige Reform ablehnen und nur wenige Mitgliedstaaten wirklich überzeugt dafür eintreten.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Schuster

 

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