Frage an Lothar Binding bezüglich Soziale Sicherung

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Lothar Binding
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Frage von Marius M. •

Frage an Lothar Binding von Marius M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Binding,

mit großer Besorgnis sehe ich die Entwicklung bei dem neuen "Beitragsservice" der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wie stellen Sie sich dazu? Hier die einzelnen Kritikpunkte:

1. Zwar gibt es eine Härtefall-Regelung, der aber nur sehr bedingt Folge geleistet wird. Inzwischen wurden Fälle bekannt, daß sogar Hartz-4-Empfänger bezahlen sollen. Und zwar dann, wenn diese keine zusätzlichen Sozialleistungen beantragt haben. Tun sie dies aber, so wird jede zusätzliche Leistung erst mal mit dem Beitrag verrechnet. - Studenten, die Bafög beziehen, müssen trotzdem bezahlen, wenn der diesbezügliche Bescheid zu spät erstellt wird. Ich selber mache eine Umschulung für die ich monatlich 260 Euro zahle (bekomme kein Bafög) und 325 Euro Miete, sowie 209 Euro Wohngeld - unterstützt zusätzlich durch 500 Euro durch meinen Vater, so dass ich monatlich weniger Geld als ein ALG II Empfänger zum Leben habe. Auf andere Sozialleistungen ausser dem Wohngeld habe ich keinen Anspruch!

2. Bürger, die keinerlei Leistungen der Sender abfordern, sollen im Rahmen dieser "Demokratie-Abgabe" dennoch bezahlen. Mein Verständnis für Demokratie ist ein anderes.

3. Der gesetzlich verankerte Bildungsauftrag führt nur noch ein Nischendasein.

4. Mit am schlimmsten finde ich das Einsammeln der privaten Daten bei den Meldämtern. Hier wird eine parallele Meldedatei aufgebaut. Ja, parlamentarisch abgesegnet, das macht die Sache aber nicht besser.

Mich interessiert Ihre persönliche Meinung dazu. Die offiziellen Verlautbarungen kenne ich alle, benötige also keine weiteren Textbausteine.

Mit freundlichem Gruß

Marius R. Müller

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Sehr geehrter Herr Marius R. Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Beitragsservice der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Um Ihr Schreiben ausführlich beantworten zu können, habe ich mich an die Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD Bundestagsfraktion gewandt. Meine nachfolgende Antwort stützt sich auf die Informationen der AG Kultur und Medien.

Sie beziehen sich auf den neuen Rundfunkbeitrag, der ab dem 1. Januar 2013 das bisherige Gebührensystem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgelöst hat. Hierauf hatten sich zuvor alle Bundesländer in einem Staatsvertrag verständigt, da Rundfunkangelegenheiten Ländersache sind. Statt der bisherigen gerätebezogenen Abgabe (etwa für Fernseher, Radio, Autoradio) gibt es nun einen pauschalen Beitrag je Haushalt oder Betriebsstätte. Dieser ist bei Haushalten im Regelfall identisch mit dem bisherigen Beitrag von 17,98 Euro/Monat. Für die allermeisten Menschen in Deutschland ändert sich also nichts.

Durch den neuen Rundfunkbeitrag soll einerseits die langfristige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, indem oftmals kritisierte Gerätekontrollen entfallen und ein System etabliert wird, das von allen solidarisch getragen wird.

Der Vorteil ist, dass der Besitz von Empfangsgeräten nicht mehr von der GEZ überprüft werden muss. Viele Menschen haben diese bisherigen Kontrollen in ihrer Wohnung als unangenehm empfunden. Einige haben sich durch Falschangaben oder Verweigerung der Überprüfung der finanziellen Verantwortung entzogen. Gegen das „Schwarzsehen“ hat die GEZ aufwändige öffentliche Kampagnen durchgeführt.

Wenn nun alle Wohnungen und Betriebsstätten einen Beitrag entrichten müssen, wird das Gebührensystem einfacher. Mittelfristig werden Kosten gespart, da Geräteerfassung, Kontrollen und Personal entfallen. Zudem lassen sich in Zeiten von Computern, Smartphones und Tablets kaum noch einzelne Empfangsgeräte exakt definieren bzw. gegeneinander abgrenzen. Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob und in welchem Umfang auf solchen Geräten Angebote abgerufen werden die das heimische Fernsehgerät „ersetzen“. Somit ist es zeitgemäß, wenn nicht einzelne Geräte, sondern ganz allgemein die Möglichkeiten zum Empfang mit einer Abgabe belegt werden. Ebenso entfällt die Klärung komplizierter Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, etwa in Wohngemeinschaften, nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder Familien mit erwachsenen Kindern.

Das neue System ist gerechter. Unabhängiger und hochwertiger Rundfunk für unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben ist nur in einer Solidargemeinschaft möglich, an der sich alle beteiligen. Auch die Wirtschaft bleibt dabei einbezogen, wobei große Unternehmen mit vielen Angestellten einen höheren Beitrag zahlen als kleine Unternehmen.

Kritik haben vor allem die Veränderungen bei den Befreiungsregelungen erfahren. Es bleiben eine Reihe von Befreiungs- oder Ermäßigungsmöglichkeiten bestehen: Für hochgradig schwerbehinderte Menschen mit dem Ausweiskennzeichen RF ist eine Reduzierung des Beitrags auf ein Drittel vorgesehen. Taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe bleiben natürlich weiterhin befreit.

Für die SPD war es zudem bei den Verhandlungen der Ländervertreter/innen von besonderer Bedeutung, dass vor allem die einkommensabhängigen Ausnahmeregelungen unverändert bleiben. Wer Sozialleistungen erhält, soll nicht mit Rundfunkgebühren belastet werden. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG erhält, kann mit dem Nachweis der betreffenden Behörde die Befreiung vom Rundfunkbeitrag beantragen. Die Rundfunkanstalt soll dadurch von einer eigenen Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rundfunkteilnehmers entlastet werden. Mit der Gewährung dieser Leistung wird gleichsam als Paket auch über die Befreiung vom Rundfunkbeitrag entschieden. Eine besondere Härte liegt nicht vor, wenn ein Lebenssachverhalt dem Grunde nach von einer dieser Sozialleistungen erfasst wird, die ausbildungsbedingte Einkommenslosigkeit etwa durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz, der Student aber keine Ausbildungsförderung nach diesem Gesetz erhält, weil er die Voraussetzungen nicht erfüllt oder - aus welchen Gründen auch immer - keinen Antrag auf Gewährung der Leistung gestellt hat. Hierin liegt weder ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Sozialstaatsprinzip. Eine generelle Befreiung vom Rundfunkbeitrag für Studenten, losgelöst von deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen würde dem Prinzip der Solidargemeinschaft zu wider laufen.

Für bestimmte „Härtefälle“, etwa bei einem vergleichbar geringen Einkommen, sind zusätzliche Befreiungsmöglichkeiten durch die Rundfunkanstalten vorgesehen. Wer z.B. keine der o.g. Sozialleistungen erhält, weil seine Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze überschreiten, kann eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als besonderer Härtefall nach § 4 Abs. 6 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beantragen.

Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und auch die Wirtschaft profitieren direkt oder indirekt vom Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einer pluralen Medienordnung. Diese besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach herausgestellt. Gerade im internationalen Vergleich kann man feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen ganz wesentlichen Beitrag für Qualitätsjournalismus, pluralistische Meinungsbildung sowie Vielfalt und damit für unser demokratisches Gemeinwesen leisten – und zwar im Hörfunk, im Fernsehen und im Onlinebereich. Diese Form von Informations- und Unterhaltungsqualität gilt es zu bewahren und, wo nötig, zu verbessern. Gerade der neue Rundfunkbeitrag sollte dabei die Sendeanstalten noch mehr in die Pflicht nehmen, effizient mit den Geldern umzugehen, Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und die Qualität und Akzeptanz der Angebote zu erhöhen.

Bezüglich der Speicherung von privaten Daten unterliegt der Beitragsservice den strengen Regelungen der Datenschutzbestimmungen. Die personenbezogenen Daten, welche ausschließlich der Beitragserhebung dienen, werden nicht auf Dauer gespeichert und selbstverständlich nicht an Dritte weitergegeben.

Aus diesen Gründen sprechen sich viele für die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung und den neuen Rundfunkbeitrag aus. Aus meiner und unserer Sicht ist ein leistungs- und zukunftsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für eine freie Information und Meinungsbildung in einer demokratischen Öffentlichkeit unverzichtbar. Daher ist es wichtig, ein Beitragssystem zu schaffen, das langfristig die größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt. Dies soll mit der Neuregelung des Rundfunkbeitrages erreicht werden.
Wenn Sie an zusätzlichen Informationen interessiert sind: Für alle Detailfragen bieten die Rundfunkanstalten ein umfangreiches Informationsangebot unter www.rundfunkbeitrag.de an.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesen Argumenten anschließen können und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Ihr Lothar Binding