Haben die Grünen ihre Tierschutzziele vergessen? Wie können Sie sich nur für Kombihaltung (Anbindehaltung) stark machen?

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Ludwig Hartmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sieglinde M. •

Haben die Grünen ihre Tierschutzziele vergessen? Wie können Sie sich nur für Kombihaltung (Anbindehaltung) stark machen?

Sehr geehrter Herr Hartmann,

mit großer Verwunderung musste ich lesen, dass Sie sich für die Kombinationshaltung, also eine Haltung von Milchkühen, bei der die Tiere bis zu 97% ihres Lebens angebunden (!) im Stall stehen müssen, einsetzen.
Ich wählte schon immer grün, weil ich dachte, das wäre das beste für den Tierschutz und die Abschaffung der Anbindehaltung, da kleine Parteien wie die Tierschutzpartei es nicht über die 5%-Hürde schaffen.
Nachdem mir schon erste Zweifel kamen, als Sie für den Schutz des Waldes für erhöhte Abschusszahlen bei Rehen plädierten, haben Sie nun leider wieder bewiesen, dass Ihnen Tierwohl wirklich nichts wert ist.
Ich werde mich daher ab sofort für die Tierschutzpartei einsetzen - die Grünen sind für Tierschützer nicht mehr wählbar.
Auf eine vernünftige Antwort mit einem Einsehen eines Fehlers glaube ich nämlich nicht, möchte Ihnen aber gerne auf dieser Plattform trotzdem noch eine Chance geben, sich zu erklären.

Mit freundlichen Grüßen
Sieglinde M.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Lassen Sie mich vorneweg eins sagen: Die ganzjährige Anbindung ist ein Auslaufmodell, das niemand weiterführen will. Deshalb begrüßen ich, dass diese durch die Tierschutznovelle nun auch endgültig ein Ende finden wird. So ist es auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Wer einmal Kühe beim Austreiben auf satte Wiesen gesehen hat, weiß: diese Tiere gehören auf die Weide.

Für was wir uns in Berlin eingesetzt haben, ist die die Sommerweidehaltung. Diese ist eine Besonderheit der bayerischen Almwirtschaft, die sich unserer Meinung nach in der Tierschutznovelle wiederfinden sollte. Denn wir glauben: Tierliebe, Tradition und Artenschutz gehen zusammen. Das zeigen unsere Almwirt*innen jeden Tag aufs Neue. Sie vereinen gesunde Kühe, Milchproduktion von der auch Kleinbäuer*innen leben können und traditionelle Alm- und Weidewirtschaft.

Damit stützen wir die Weidehaltung und die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Bayern. Ein vollständiges Verbot der Kombinationshaltung würde das Aus vieler bayerischer Kleinbetriebe im Berggebiet bedeuten, die ihre Tiere in der Weidezeit auf die Weide treiben. Und dass, obwohl die Weidehaltung viele Vorteile für die Tiergesundheit, fürs Klima (CO2-Speicherung unter extensiv beweidetem Grünland) und für die Artenvielfalt bietet. Wir möchten deshalb eine Perspektive für diese naturnahe Bewirtschaftung schaffen.

Denn uns Grünen ist der Tierschutz und eine artgerechte Tierhaltung sehr wichtig. Studien zeigen demnach, dass die saisonale Anbindehaltung bei kleinen Milchviehbetrieben in Bayern in punkto Tiergesundheit gegenüber Laufställen nicht schlechter abschneidet (vgl. https://www.wochenblatt-dlv.de/feld-stall/tierhaltung/sommer-alm-winter-stall-572297)

Deshalb finden wir: Tierwohl kann nicht nur auf die Haltungsform reduziert werden. Andere Faktoren wie Mensch-Tier-Beziehung, Betriebsgröße, Versorgung, Pflege, Tierbeobachtung, Weide und Alpung spielen ebenso eine wichtige Rolle.

Wenn wir die Landwirtschaft ganzheitlich betrachten, müssen wir Tierschutz, Artenschutz und Klimaschutz zusammendenken. Denn wenn der Artenschwund und die Klimakrise weiter zunehmen, wird es auch keine Grundlage für unsere Tiere mehr geben.

Diese ganzheitliche Sicht findet sich auch in dem aktuellen Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die Anforderungen an die Kombihaltung, die dort formuliert werden, gehen weit über die Positionen der CSU hinaus. Sie orientieren sich an der EU-Öko-Verordnung. Das bedeutet: Rinder müssen – neben dem Zugang zum Weideland in der Weidezeit – mindestens zwei Mal in der Woche Zugang zu einem Freigelände haben, wenn das Weiden nicht möglich ist.

Damit erhöht der aktuelle Gesetzentwurf auch die Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung. Dafür haben wir uns auf Bundesebene stark gemacht.

Dies entspricht auch der Position von Tessy Lödermann, einer höchst engagierten Tierschützerin. Unter dem folgenden Link finden Sie eine Broschüre, in der sie die Besonderheiten der sommerlichen Weidehaltung erläutert, insbesondere auch in Bezug auf den Tierschutz. Diese Broschüre

https://tierheim-garmisch.de/de/anbindehaltung/

ist in Zusammenarbeit mit mehreren Tierschutzvereinen entstanden.

Ich hoffe, mit diesen Zeilen auf Ihre Sorgen und Befürchtungen eingegangen zu sein und unseren auf das Wohl der Tiere ausgelegten Ansatz umfassend dargestellt zu haben.

Herzliche Grüße

Ihr

Ludwig Hartmann

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