Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Ihre Partei bundesweite Volksentscheide als Zielstellung wieder in ihr Grundsatzprogramm aufnimmt? Wann könnte dies der Fall sein?

Marie Schäffer. Foto: © Andi Weiland
Marie Schäffer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jan M. •

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Ihre Partei bundesweite Volksentscheide als Zielstellung wieder in ihr Grundsatzprogramm aufnimmt? Wann könnte dies der Fall sein?

Marie Schäffer. Foto: © Andi Weiland
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage! Da das aktuelle Grundsatzprogramm gerade ein Jahr alt ist, das vorige 20 Jahre Bestand hatte und die Unterstützung für bundesweite Volksentscheide mit knapp der Hälfte der Stimmen gescheitert ist, könnte ich nur raten. Denn ich kann leider nicht in die Zukunft schauen.

Bei der Abstimmung zum Grundsatzprogramm 2020 unterstützten 46 Prozent der Delegierten einen Antrag für bundesweite Volksabstimmungen. Durchsetzen konnte sich dann mit 51 Prozent der Vorschlag, statt bundesweiter Volksentscheide Bürger*innenräte einzuführen. Damit hat die Partei erst einmal für die nächste Zeit entschieden, auf diese Form der Beteiligung zu setzen, auch wenn ich mich persönlich stark für einen anderen Ausgang eingesetzt habe, weil ich direktdemokratische Elemente für eine wichtige Ergänzung der repräsentativen Demokratie halte.

Im Bundestagswahlprogramm 2021 haben wir unsere Vorstellungen zu Bürger*innenräten ergänzt, um perspektivisch zu den Ergebnissen der Räte Volksabstimmungen zu ermöglichen. Es ist meiner Meinung nach also ein guter Weg vorgezeichnet, wie direktdemokratische Elemente auf Bundesebene eingeführt werden könnten. Ich persönlich hätte mir jedoch ein noch stärkeres Bekenntnis zur direkten Demokratie gewünscht. Dies ist der relevante Abschnitt:

„Wir sorgen in einem ersten Schritt dafür, dass es eine gesetzliche Grundlage für Bürger*innenräte gibt und sich das Parlament mit den Ergebnissen beschäftigen muss. In der kommenden Wahlperiode wollen wir weitere Optionen für eine stärkere Institutionalisierung von Bürger*innenräten prüfen, unter anderem direktdemokratische Verfahren zu einzelnen Beratungsergebnissen. Auf Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig ausgewählte Menschen, die in Deutschland leben und mindestens 16 Jahre alt sein müssen, in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung. Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire Beratung muss sichergestellt werden, unter anderem durch zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Beratung.“

Es ist gelungen, dieses Mittel demokratischer Teilhabe im Koalitionsvertrag zu verankern: Zu konkreten Fragestellungen sollen Bürgerräte durch den Bundestag eingesetzt werden, mit den Ergebnissen muss sich dieser im Anschluss auch beschäftigen. Dabei wird auf gleichberechtigte Teilhabe geachtet. – Ich hoffe, dass dieses Vorhaben schnell und erfolgreich umgesetzt wird und unsere Grünen Ideen dabei möglichst weitgehend zum Tragen kommen, um die Repräsentanz der Bürger*innen und das Vertrauen in die Demokratie effektiv zu stärken.

Wir müssen nun also abwarten, ob sich Bürger*innenräte in der Praxis bewähren, und sie zu gegebener Zeit evaluieren. Dann wird sich meiner Meinung nach zeigen, ob der aktuell eingeschlagene Weg der Partei richtige ist oder ob wir noch einmal neu über in einem Grundsatzprogramm verankerte bundesweite Volksentscheide diskutieren sollten.

Mit freundlichen Grüßen

Marie Schäffer

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