Frage an Oliver Krischer bezüglich Umwelt

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Oliver Krischer
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Frage von Lutz H. •

Frage an Oliver Krischer von Lutz H. bezüglich Umwelt

Shr geehrter Herr Krischer,

Sie sind einer der Unterzeichner des Antrags "A-01 Energiewende in Deutschland – Grün geht voran" zur Sonder-BDK Ihrer Partei ( http://www.gruene-partei.de/cms/default/dok/382/382734.energiewende_in_deutschland_gruen_geht_v.htm ). In diesem Antrag treten Sie dafür ein, den Plänen der Bundesregierung zur Laufzeit von Atomkraftwerken zuzustimmen.

Zu dieser geplanten Zustimmung äußern sich Umweltverbände und wesentliche Stimmen der Anti-Atomkraft-Bewegung sehr kritisch (z. B. Herr Stay von .augestrahlt: "Wer einem Weiterbetrieb der Reaktoren bis 2022, einem AKW im Stand-by-Betrieb und reduzierten Sicherheitsanforderungen zustimmt, verliert seine Glaubwürdigkeit und kann sich nicht mehr Teil der Anti-Atom-Bewegung nennen.").

Sehen Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sich ganz persönlich noch als Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung?

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Horn

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Horn,

seit über 30 Jahren kämpfen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Umweltverbände und die Anti-AKW-Bewegung für ein Ende der Hochrisikotechnologie Atomkraft. Seit mehr als 30 Jahren gibt es unzählige Demonstrationen und Proteste gegen Atomenergie. Viel wurde erreicht. Die Wiederaufbereitung wurde in Deutschland nicht realisiert. Von den mehr als 50 geplanten AKWs wurde nicht einmal die Hälfte gebaut. Dies ist vor allem der Anti-AKW-Bewegung und den Grünen zu verdanken.

2001 konnte unter der rot-grünen Bundesregierung mit dem Atomkonsens das Ende der Atomenergie und die Energiewende in Deutschland eingeleitet werden. Mindestens ebenso lange wie die Grünen gegen die Atomkraft kämpfen, förderten CDU, CSU und FDP selbige mit allen Mitteln und bekämpften seit vielen Jahren die Erneuerbaren Energien. Mit Halbwahrheiten und offenen Lügen wurden die Menschen verunsichert. Mit bürokratischen Schikanen und Auflagen wurde der Ausbau der Erneuerbaren Energien verhindert. Anschauliches Beispiel: der Anteil an der Windenergie in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen liegt zurzeit noch unter 1%. Im letzten Herbst machte Schwarz-Gelb den Betreibern der AKWs ein Milliardengeschenk und verlängerte die Laufzeiten aller AKWs um jeweils 8 bzw. 14 Jahre. In den nächsten 10 Jahren wäre vermutlich kein einziges Atomkraftwerk vom Netz gegangen und das letzte AKW wohl zwischen 2040 und 2050. Dann kam Fukushima und änderte alles. Dass der GAU in Japan jetzt hier in Deutschland zu einer wirklichen Abkehr von der Atomenergie führt, hat einen zentralen Grund: Es ist der Anti-Atombewegung mit uns Grünen als Teil dieser Bewegung in den letzten Jahren gelungen, in der Gesellschaft einen breiten Konsens gegen die Risikotechnologie Atomkraft und für die Erneuerbaren Energien herzustellen. Die Atombefürworter in Regierung und Industrie sind nunmehr völlig in der Defensive.

Wir Grüne werden wegen unserer Glaubwürdigkeit und unseren Inhalten gewählt. Dazu gehört, dass wir es uns nie einfach machen und im Spannungsverhältnis vom Wünschbaren und Machbaren klug agieren, keine falschen Versprechungen machen – weder der Gesellschaft, noch der Bewegung, vor allem aber nicht der Regierung. Wir Grüne müssen uns stärker am politisch Machbaren und praktisch Umsetzbaren orientieren, um den Wandel zu sichern. Fortschritt braucht beides. Auch wenn diese Rollenverteilung nicht immer die einfachste und dankbarste für uns Grüne ist. Eine parlamentarische Mehrheit ist nicht gleichbedeutend mit einem umfassenden gesellschaftlichen Konsens, aber eine breite parlamentarische Mehrheit ist in einer Demokratie auch ein hohes Gut. Und das politische und gesellschaftliche Signal, das von einer breiten parlamentarischen Mehrheit für ein Ausstiegsgesetz in dieser Situation ausgehen würde, ist – jenseits aller Jahreszahlen: Die Bevölkerung will raus aus der Atomkraft und zwar schnell.

Die Grüne Sonder Bundesdelegierten-Konferenz (BDK) am 25. Juni 2011 muss entscheiden, ob und welche Energiegesetze der Bundesregierung zustimmungsfähig wären. Bei aller berechtigten Kritik an den vorgesehenen Laufzeiten der Atomkraftwerke müssen wir aber auch darauf achten, dass wir am Ende nicht etwas versprechen, was wir später dann nicht halten können. Dabei ist schon jetzt angesichts der vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung klar, dass nach dem Ausstieg aus der Atomkraft der zweite Teil der Energiewende, nämlich die beschleunigte Fortsetzung des Einstieg in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, ohne die Grünen nicht funktionieren wird. Das schließt auch die Lösung der Endlagerfrage mit ein. Deshalb kommt trotz oder gerade wegen der schwarz-gelben Energiewende uns Grünen nicht ein zentrales politisches Thema abhanden, sondern die Aufgaben und Herausforderungen in der Energiepolitik werden für uns sogar größer statt kleiner: Denn der beste Atomausstieg ist als Vorbild für andere Länder wertlos, wenn der Umstieg zu Erneuerbaren Energien nicht gelingt.

Mit herzlichen Grüßen
Oliver Krischer