Frage an Oliver Krischer bezüglich Umwelt

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Oliver Krischer
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Frage von Andreas F. •

Frage an Oliver Krischer von Andreas F. bezüglich Umwelt

Betr.: Interview im Westfalenblatt 16.12.2014

Sehr geehrter Herr Krischer,

warum kämpfen Sie und Ihre Freunde nicht gegen die unsinnige Forderung, Stromtrassen ohne Rücksicht auf die Kosten in Teilen unterirdisch zu verlegen? Vielleicht kann man das Geld viel sinnvoller im Rückbau der AKW einsetzen. Als Alternative bietet sich das Gegenteil an: Warum die Höchstspannungstrassen nicht grundsätzlich unterirdisch verlegen? Vielleicht lässt sich diese Technologie bei entsprechend breiter Anwendung sogar genauso preiswert einsetzen wie oberirdische Leitungen. Öl und Gas werden schließlich auch unterirdisch transportiert.
Wie kommen Sie eigentlich auf den Gedanken, daß weitere gesetzliche/staatliche Regelungen für den Kraftwerksmarkt zu besseren Ergebnissen führen als die bisherigen EEG Regelungen gezeitigt haben? Die Bankrotterklärung der Planwirtschaften liegt doch kaum 25 Jahre zurück?!

Mit freundlichem Gruß
Andreas Friedrich

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Friedrich,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworten will.

Damit die Energiewende gelingt, ist es erforderlich, unser Stromnetz für die neuen Herausforderungen fit zu machen. Die dezentrale und teils stark schwankende Energieerzeugung über die Erneuerbaren Energien, sowie die effiziente und weiträumige Übertragung von Windstrom aus dem Norden in die Verbrauchshochburgen in Süd- und Westdeutschland stellt das Stromnetz vor besondere Herausforderungen. Der Aus- und Neubau von Höchstspannungsfreileitungen ist zwangsläufig mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden und er kann zu einer erheblichen Belastung der Bevölkerung vor Ort führen. Daher wollen wir den Zubau neuer Leitungen auf das für die Energiewende notwendige Maß beschränken und den Ausbau bürgerfreundlich und naturverträglich gestalten.

Erdverkabelung kann dabei oft eine geeignete Alternative zu Überlandleitungen sein. Zwar hätten die Netzbetreiber Zeit gehabt, die Erdverkabelung an Pilotstrecken zu testen, was erforderlich gewesen wäre, um die Kosten für diese alternative Ausbaumethode zu testen, doch dies ist bedauerlicher Weise bis jetzt nicht in hinreichendem Maße passiert. Daher bestehen noch immer große Lücken bei den Prognosen zu den Kosten der Erdverkabelung.

Erdverkabelung kann bei besonders steinigem Erdreich oder in Gegenden, in denen Überlandleitungen niemanden stören, unter Kostengesichtspunkten aber auch unsinnig sein. Daher sollte man streckenabhängige Entscheidungen im Einzelfall treffen, die Situation vor Ort betrachten und die Bürger und Umweltverbände bei der Entscheidung so früh wie möglich einbinden. Die Stärkung der Mitwirkungsrechte der Bevölkerung und von Naturschutzverbänden halte ich dabei für besonders wichtig.

Sollte sich anhand von belastbaren Erkenntnissen herausstellen, dass es kostengünstiger ist, weite Strecken der Leitungen unter die Erde zu verlegen, so wäre dies bei der künftigen Planung der Stecken natürlich zu berücksichtigen, meine derzeitigen Erkenntnisse aber gehen nicht in diese Richtung.

Vielleicht noch etwas zum Hintergrund: Derzeit ist eine Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen nur nach den Vorgaben des (EnLAG) oder des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) möglich. Das heißt, nur vier der geplanten 24 EnLAG-Leitungen dürfen teilweise als Erdkabel errichtet werden. Dazu kommen die vier großen Gleichstromtrassen Osterath – Philippsburg, Brunsbüttel – Großgartach, Wilster – Grafenrheinfeld und Lauchstädt – Cloppenburg sowie die Trasse Emden-Borsum – Osterath. Voraussetzung ist aber, dass die Erdverkabelung „technisch und wirtschaftlich effizienten“ durchgeführt werden kann. Weitere Voraussetzung ist ein Abstand von weniger als 400 Meter zu Wohngebäuden im Gebiet eines Bebauungsplans bzw. weniger als 200 Meter zu Wohngebäuden im Außenbereich. Eine weitere gravierende Einschränkung für die Realisierung einer Erdverkabelung, ist das Verbot der Erdverkabelung überall dort, wo die neue Leitung in der Trasse einer bestehenden oder bereits zugelassenen Hoch- oder Höchstspannungsleitung erfolgen soll. Diese Vorfestlegung halten wir für voreilig und zu pauschal getroffen. Natürlich wollen auch wir eine Bündelung von Trassen und Infrastrukturwegen. Diese sollte aber immer die Möglichkeit der Erdverkabelung und der offen halten. Wir halten es vor diesem Hintergrund dringend geboten, die Gesetze entsprechend zu ändern. Denn einerseits ist unter den derzeitigen gesetzlichen Regelungen noch kein einiges Erdkabel-Pilotverfahren realisiert worden. Und andererseits wächst mit jeder Realisierung eines Pilotprojekts der Unmut in vom Netzausbau betroffenen Orten. Diese Ungerechtigkeit gilt es zu beseitigen.

Zu Ihrer Frage über weitere Gesetze für den Kraftwerkspark lassen Sie mich sagen, dass die Diskussionen um ein zukünftiges Strommarktdesign mit Kapazitätsmärkten keineswegs etwas mit Planwirtschaft zu tun haben. Die USA - wahrlich kein Hort des Sozialismus - haben bereits vor vielen Jahren erfolgreich Kapazitätsmärkte implementiert. Statt neuer klimaschädlicher Kohlekraftwerke wird damit Energieeffizienz und Laststeuerung angereizt. Besonders für das Energiewendeland Deutschland gilt: Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die verschärfte Wettbewerbsintensität unter den Stromerzeugern wird dazu führen, dass konventionelle Kraftwerke – die mit Kohle und Erdgas betrieben werden – immer weniger Betriebsstunden erreichen und zunehmend aus dem Markt verdrängt werden. Durch den Ausbau der fluktuierenden Erneuerbaren Energien benötigt Deutschland jedoch auch Kapazitäten, die je nach Bedarf rasch zu- oder abgeschaltet werden können, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Daher wird momentan auch hier in Deutschland über Marktmodelle diskutiert, die Anreize in Kapazitäten setzen, die jederzeit verfügbar sind. Ein vieldiskutiertes Instrument ist dabei die Schaffung von Kapazitätsmärkten, also einer Vergütung für die Bereitstellung von Kapazitäten zur Abdeckung der Stromversorgung durch Ausschreibungsmodelle. Diese Kapazitäten sollten nach unserer Auffassung jedoch durch hohe Anforderungen an Effizienz, Emissionen, Flexibilität und Verfügbarkeit technologieoffen qualifiziert und dürfen keinesfalls auf fossile Kraftwerke beschränkt werden. Dabei kommen neben Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auch Potenziale der Laststeuerung und Stromspeicherung und Verstetigung der Erneuerbaren Energien (z. B. über Biogas) in Frage. In einer Ausschreibung und anschließenden Auktion wird die verlässliche Bereitstellung von Kapazitäten marktwirtschaftlich vergütet. Das ist in meinen Augen alles andere als Planwirtschaft.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr
Oliver Krischer