Frage an Rebecca Hummel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Rebecca Hummel
Rebecca Hummel
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Rebecca Hummel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Matthias J. •

Frage an Rebecca Hummel von Matthias J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Das aktuelle Wahlrecht für den Bundestag ist deutlich suboptimal:
1. Durch den Ausgleich von Überhangmandaten könnte der Bundestag auf deutlich über 800 Abgeordnete anschwellen, wobei völlig unter den Tisch fällt, dass mindestens 50% der Abgeordneten in den jeweiligen Wahlkreisen verankert sind.
2. Jede Partei entscheidet ganz allein über die Reihenfolge der Kandidaten auf Ihrer Liste. Als Wähler habe ich keine Möglichkeit, einen favorisierten Kandidaten nach vorne zu bringen oder einen Kandidaten, der zwar in der Partei beliebt ist aber nicht beim Wahlvolk, abzustrafen. Das verletzt den Grundsatz der Ursprünglichkeit der Wahl.
3. Das Mehrheitswahlrecht ohne Stichwahl, das für die Erststimme gilt, bevorzugt die stärkste Partei, da sich die anderen gegenseitig die stimmen wegnehmen. Mathematisch ist es bei 10 Kandidaten denkbar, dass alle ungefähr 10% der Stimmen erhalten, aber einer 1 Stimme mehr. Der ist dann gewählt. Wenn man mal eine Wahlbeteiligung von 50% ansetzt (damit es sich besser rechnen lässt), kann es also passieren, dass jemand einen Wahlkreis vertritt, obwohl er bzs. sie nur etwas mehr als 5% der Wahlberechtigten vertritt. Das finde ich nicht OK.
Es gibt genügend wissenschaftliche Arbeiten von Mathematikern und Politikwissenschaftlern, die Alternativen aufgezeigt haben, die in der Anwendung einfach verständlich sind und alle denkbaren Grundsätze an eine faire Wahl erfüllen. Meistens geht es in die Richtung, dass die Wähler kumulieren und panaschieren oder eine Rangliste Ihrer Wunschkandidaten angeben können.

Ich bitte Sie um eine Stellungnahme, ob Sie sich in der nächsten Legislaturperiode um eine Reform des Wahlrechts bemühen wollen, die nicht Pfründe verwaltet, sondern objektiven Kriterien folgt.

Außerdem bitte ich Sie anzugeben, ob Sie durch die Landesliste bereits ausreichend abgesichert sind und wem ich meine Erststimme geben soll, damit möglichst viele Abgeordnete meinen Wahlkreis repräsentieren (sie hat ja ansonsten keine Bedeutung mehr).

Portrait von Rebecca Hummel
Antwort von
SPD

Lieber Herr Junk,

vielen Dank für Ihr Engagement für ein besseres Wahlrecht. zunächst einmal möchte ich feststellen, dass Deutschland eines der gerechtesten Wahlsysteme der Welt hat. Anders als in vielen Ländern, in denen Kandidaten nach einer reinen Mehrheitswahl gewählt werden, gewährleistet die Einbeziehung der Parteilisten einen zusätzlichen Verhältniswahlaspekt, der die Stimmen kleinerer Parteien berücksichtigt. So verfällt keine Stimme, oder zumindest nur sehr wenige - auf jeden Fall mehr als in Ländern wie den USA, wo nur die Stimmen des Wahlsiegers gezählt werden.
Natürlich bedeutet das, dass unser Wahlrecht auch ein wenig komplizierter ist. Der von Ihnen angesprochene Aspekt mit den Überhangmandaten sorgt seit Jahrzehnten für Debatten und Kontroversen. Ich werde mich hier immer für eine Reform einsetzen, sofern diese umsetzbar ist und wirklich einen Zuwachs von Gerechtigkeit im Sinne einer fairen Wahl bedeutet. Allerdings ist das mit einem recht komplexen Prozess verbunden und auch die von Ihnen erwähnten Politikwissenschaftler und Mathematiker berücksichtigen bei Ihren Untersuchungen nicht immer alle involvierten Aspekte und Interessen und widersprechen sich daher auch hinsichtlich der Frage, wie denn nun genau das perfekte Wahlsystem aussehen sollte. Im Endeffekt ist es mit dem Wahlsystem wie mit der Wissenschaft, jede Antwort bringt neue Fragen. Letztlich ist ein Eingriff in das Wahlrecht auch immer mit einem immensen Aufwand verbunden, hier wird immerhin in Regelungen eingegriffen, die zu Recht in besonderer Weise geschützt sind. Die notwendigen Reformen bedürfen also langwieriger Diskussionen, Kompromisse und rechtlicher und wissenschaftlicher Überprüfung. Angesichts der vielen Herausforderungen, die uns die Bundespolitik heute stellt, müsste diese Reform also schon mit einer deutlichen Verbesserung des Wahlsystems einhergehen, um die hohen Kosten von Zeit und Steuergeldern zu rechtfertigen. Und eines prophezeie ich ihnen schon jetzt: ein perfektes Wahlrecht für alle wird es nie geben.

Zum Thema Listenwahl: Manchmal gibt es Politiker, die mit ihren Fähigkeiten unschätzbare Leistungen in die Fraktionen und die parlamentarische Arbeit einbringen, auf der Seite der populären Selbstdarstellung allerdings nicht ganz so überzeugen können oder schlicht einen starken Gegenkandidaten in ihrem Wahlkreis haben. Die Parteien können und wollen aber auf deren Mitarbeit im Parlament nicht verzichten. In diesen Fällen stellt die Parteienliste eine gute Möglichkeit dar, Personal sicher ins Parlament zu kriegen. Dass man nun hier via Wahlreform die Möglichkeit schafft, durch Kumulieren und Panaschieren als Wähler die von der Partei aufgestellte Liste zu beeinflussen, finde ich eine gute Idee, in einigen Bundesländern funktioniert diese Art zu wählen problemlos. Zuletzt hat meines Wissens Bremen sein Wahlrecht in diesem Sinne reformiert und das Land scheint dadurch nicht untergegangen zu sein.

Ich selber stehe übrigens auf Platz 26 der SPD-Landesliste. Ob das ein "sicherer" Listenplatz ist oder nicht, können sie sich mit Hilfe der aktuellen Wahlprognosen selber ausrechnen. Ich möchte Sie auf jeden Fall herzlich bitten, mir Ihre Erststimme und der Liste der SPD Ihre Zweitstimme zu geben.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Rebecca Hummel