Frage an Stephan Harbarth bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Stephan Harbarth
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Frage von Helmut S. •

Frage an Stephan Harbarth von Helmut S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Harbarth.

Vor einigen Monaten, am 04.04.2010, hatte ich in diesem Forum Fragen zum Thema Integration und Missbraeuche an Sie gestellt. Ich hatte ausgefuehrt, dass nach meinen Erkenntnissen bei dem teils unkontrollierten Zuzug von Immigranten nach Deutschland seit langen Jahren sehr viel Missbrauch, Kriminalitaet und in hohem Masse fehlende Integration festzustellen ist.

Sie haben sich damals sehr ausfuehrlich geaeussert, wofuer ich Ihnen danken moechte. Allerdings hatte ich aus Ihrer geschaetzten Antwort den Eindruck, als wuerden Sie mich als fremdenfeindlich ansehen. Dies ist aber mit absoluter Sicherheit nicht der Fall.

Aufgrund meiner frueheren Taetigkeit hatte ich sehr viele Einblicke in politisch geduldete Missbraeuche. Zum Beispiel wird das Auslaendergesetz in einigen Bundeslaendern nicht konsequent umgesetzt. Ausnahmen sind zum Beispiel B-W und Bayern.

Nun hat Herr Sarrazin ein Buch ueber dieses Thema veroeffentlicht. Wie ich aus den Medien entnommen habe, hat er die Missbraeuche, Kriminalitaet, fehlende Integration angeprangert und mit Fakten unterlegt. Das Buch selbst habe ich noch nicht gelesen, will es mir jedoch zur Information beschaffen und lesen.

Wie ist im Moment Ihre aktuelle Meinung ueber die vorgenannten Probleme und haelt die Bundesregierung konkrete Massnahmen fuer erforderlich, gegebenenfalls welche?

Mit den besten Gruessen

Helmut Schmitt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schmitt,

vielen Dank für Ihre neue E-Mail. Sie nehmen Bezug auf die Veröffentlichungen von Herrn Sarrazin und die intensive Debatte über Integration in unserem Land.

Angesichts der Vielzahl der in dieser Debatte angesprochenen Punkte möchte ich auf einige Argumente zusammenfassend eingehen:

Den Unmut vieler Menschen in unserem Land über die in Teilen gravierenden Missstände im Zusammenleben von Deutschen und Zuwanderern können wir gut nachvollziehen. Uns ist bewusst, dass sich trotz vieler Erfolge Ungeduld über fehlende Fortschritte im Umgang mit hartnäckigen Integrationsverweigerern breit macht. Deswegen wird die CDU/CSU-Bundestagfraktion in ihren Anstrengungen für eine erfolgreiche Integrationspolitik nicht nachlassen. Dazu gehört auch, dass wir eine ideologisch geprägte Verharmlosung oder Verdrängung von Integrationsproblemen nicht akzeptieren. Wir stehen zu einer wertebezogenen und partnerschaftlichen
Integrationspolitik.

Mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Zuwanderungsgeschichte. Ihre Integration ist für unser Land eine Schlüsselaufgabe. Rot-grüne Träume multikultureller Harmonie zum Nulltarif haben sich nicht erfüllt. Sie endeten viel zu häufig in Parallelgesellschaften, Sprachlosigkeit und Missverständnissen. Integration wurde vernachlässigt, wachsende Integrationsprobleme in den Schulen und auf dem Arbeitsmarkt verdrängt. Die Union hat diese Politik von Rot und Grün beendet. Sie hat durchgesetzt, dass Zuwanderung begrenzt und gesteuert wird.

Für uns ist klar: Wer auf Dauer in unserem Land leben möchte, muss das Grundgesetz und unsere Rechtsordnung als Grundlage des Zusammenlebens anerkennen. Zudem muss er seinen Willen zur Integration deutlich machen. Entscheidend sind dabei gute Deutschkenntnisse.

Deshalb hat die CDU/CSU-Bundestagfraktion in der Integrationspolitik zusammen mit den unionsgeführten Ländern in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Probleme zu lösen. Wir haben den Nachweis von Deutschkenntnissen vor dem Nachzug ausländischer Ehegatten durchgesetzt. In den von der Union regierten Ländern wurden in der frühkindlichen Bildung flächendeckende Sprachstandsfeststellungen eingeführt. Die vorschulische und schulbegleitende Sprachförderung wurde ausgebaut, damit alle Kinder, die eingeschult werden, Deutsch sprechen können.

Wir haben ein großes Angebot an Integrationskursen geschaffen. Seit 2005 haben mehr als 600.000 Zuwanderer daran teilgenommen. Wegen der großen Nachfrage sind die Mittel für die Integrationskurse in diesem Jahr um 59 Millionen auf insgesamt 233 Millionen angehoben worden. Durch stärkeres Fördern und Fordern wollen wir die
erfolgreiche Teilnahme an diesen Kursen weiter erhöhen. Wer sich seiner Pflicht zur Teilnahme entzieht, für den sind ausdrücklich Sanktionen auch in Form von Leistungskürzungen vorgesehen.

Leider blendet Herr Sarrazin in seinen Betrachtungen positive Entwicklungen aus. Die Zahl der ausländischen Schulabbrecher ist seit 2005 gesunken. Es gelingt immer mehr Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, einen mittleren Abschluss oder die Fachhochschulreife oder das Abitur zu erwerben. Dies sind zukünftige Fachkräfte, die Deutschland angesichts der demografischen Entwicklung dringend braucht. Dieses Potenzial wollen wir weiter fördern.

Um Scheinehen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln zu verhindern, wollen wir als Voraussetzung für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht die Ehebestandszeit, das heißt die Zeit wie lange ein Paar verheiratet sein muss, bevor der ausländische Ehepartner die Staatsangehörigkeit erhält, von zwei auf drei Jahre erhöhen. Im Kampf gegen Zwangsehen wollen wir einen eigenständigen Straftatbestand für Zwangsheirat schaffen.

Darüber hinaus wollen wir Zuwanderung so steuern, dass wir die Fachkräfte bekommen, die wir schon heute brauchen. Gleichzeitig setzen wir alles daran, das heimische Potenzial an Qualifikationen und Fachkräften zu nutzen. Wir wollen die Bedingungen so verbessern, dass hoch qualifizierte – einheimische wie zugewanderte - Fachkräfte in unserem Land ihre Zukunft sehen.

Erfolgreiche Integration ist ein Bekenntnis zu Deutschland, gleichberechtigte Teilhabe und gemeinsame Verantwortung. Integration ist keine Einbahnstraße. Sie kann nur gelingen, wenn Zuwanderer sich in unsere Gesellschaft einordnen und die Deutschen bereit sind, sie aufzunehmen. Sie braucht das Zusammenwirken aller.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Harbarth