Frage an Stephan Harbarth bezüglich Recht

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Stephan Harbarth
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Frage an Stephan Harbarth von Martin H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Harbarth,

Immer wieder wuden in letzter Zeit bestimmte Immigrantengruppen zur Verfassungstreue aufgerufen, und dem ist leicht zuszustimmen: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die oberste Richtschnur, an die sich alle zu halten haben. Allerdings scheint mir, dass die herrschenden Politiker doch gewisse Ausnahmen erlauben: Artikel 26 Abs. 1 GG besagt, dass kein Angriffskrieg vorbereitet und von Deutschland aus geführt werden darf. Genau das ist aber von 2003 bis 2010 geschehen: Die USA haben den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak (sowie die anschließende Besatzung) zu großen Teilen von ihren Einrichtungen in Deutschland aus geführt, z.B. von der Ramstein Air Base. Bei diesem schrecklichen Krieg wurden mindestens 50.000 unschuldige Menschen getötet. Die Bundesregierung hat die Nutzung dieser Einrichtungen ganz bewusst erlaubt. Dazu meine Fragen:

(1) Warum hat der Deutsche Bundestag (insbesondere sein Rechtsausschuss) seine Stimme nicht gegen diese grundgesetzwidrigen Handlungen der US-Militärs erhoben?

(2) Was nützt uns ein noch so mächtiger Verbündeter, wenn er von uns verlangt, das wichtigste, was wir haben, nämlich unsere seit der Nazi-Barbarei auf Frieden orientierte Werteordnung und unsere Verfassung zu bewahren?

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath

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Sehr geehrter Herr Professor Haspelmath,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 8. Oktober 2010. Lassen Sie mich auf die Frage der völkerrechtlichen Legitimität des militärischen Vorgehens der USA und ihrer Verbündeten gegen das irakische Regime eingehen, die national und international kontrovers und mit sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen diskutiert wurde.

Außenminister Fischer hatte bereits in einer Sitzung des Parteirats der Grünen Mitte Dezember 2002 deutlich gemacht, dass die VN-Resolution 1441 von den USA als ein Mandat für einen Militärschlag ausgelegt werden könne. Und in einem „Spiegel“-Interview (30.12.2002) hatte er auf die Frage, ob er ein militärisches Vorgehen gegen den Irak ohne eine neues VN-Mandat für völkerrechtswidrig halte, geantwortet: „Die Resolution 1441 lässt offen, ob der Sicherheitsrat eine erneute Resolution verabschieden soll. Mit der Resolution 1441 gibt es keinen mandatsfreien Zustand mehr.“ Die einstimmig angenommene Sicherheitsrats-Resolution 1441 sieht bereits nach einer Befassung des Sicherheitsrates die Möglichkeit „ernsthafter Konsequenzen“ vor, falls der Irak seine Verpflichtungen erheblich verletzt, was mehrfach der Fall gewesen ist.

Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte bei seiner Ablehnung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges dargelegt, dass dem Völkerrecht „kein allgemein anerkannter und auch nur einigermaßen ausdifferenzierter Begriff der völkerrechtswidrigen bewaffneten Aggression zu entnehmen“ sei. Weiterhin führte er aus, dass zur Rechtsunsicherheit nicht unerheblich der Umstand beitrage, „dass das Völkerrecht nicht statisch“ sei. Generalbundesanwalt Nehm kam zu dem Schluss, dass (im Rahmen der vorgenommenen strafrechtlichen Prüfung) nicht zu entscheiden gewesen sei, ob die Anwendung von Gewalt durch die Vereinigten Staaten von Amerika völkerrechtlich zulässig wäre.

Wenn andere Staaten von uns verlangen, dass wir – wie Sie es formulieren – unsere auf Frieden orientierte Werteordnung und unsere Verfassung bewahren, finde ich hierin nichts Anstößiges.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Harbarth