Frage an Stephan Thomae bezüglich Verbraucherschutz

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Stephan Thomae
FDP
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Frage von L. O. •

Frage an Stephan Thomae von L. O. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Thomae,

wie kommen Sie dazu synthetische Cannabinoide, die NICHT in Cannabispflanzen vorkommen mit den natürlichen in Cannabis vorkommenden Wirkstoffen zu vergleichen, obwohl diese doch Konkurrenzprodukte sind, auch wegen ihrem rechtlichen Status?

Was veranlasst Sie im Weiteren einen Unterschied zwischen der Droge Alkohol und "Suchtmitteln", also Substanzen mit hohem Abhängigkeitspotential, zu machen obwohl auch von Alkohol eine erhebliche Suchtgefahr ausgeht.

Abschließend möchte ich Sie fragen warum Erkentnisse über synthetische Cannabinoide, die NICHT in Cannabispflanzen vorkommen Sie dazu veranlassen, vor Cannabis zu warnen?

Es wirkt auf mich arrogant und wenig kompetent, so unverschämt zu verallgemeinern und die Antworten auf 2 von 4 Fragen schuldig zu bleiben.

Mit entsprechendem Respekt

L. O.

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FDP

Sehr geehrter Herr Obist,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch.

Drogenpolitik fällt in die Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums, so dass ich mich als Mitglied des Haushalts- und Rechtsausschusses erst einmal gründlich informieren musste. Gleichzeitig habe ich Ihre Unterlagen an die zuständige Kollegin und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, weitergeleitet. In mehreren Gesprächen haben wir das Thema, zusammen mit dem Bundesministerium der Gesundheit, erörtert und abgestimmt. Leider muss ich Ihnen jedoch mitteilen, dass wir Ihr Anliegen nicht unterstützen können. Gerne erläutere ich Ihnen ausführlich dazu unsere Beweggründe.

Rechtlich gesehen ist Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) in Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen, die bisher unterstellten synthetischen Cannabinoide (CP-47,497-Homologe, JWH-018, JWH-019 und JWH-073) in Anlage II des BtMG (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel).

Funktional unterscheiden sich das in Pflanzen vorkommende "natürliche" Cannabis (THC, Δ9- tetrahydrocannabinol ) und "synthetische" Cannabinoide kaum. Beide docken im Gehirn an dieselben Cannabinoid-Rezeptoren an. Der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) zufolge gibt es Hinweise darauf, dass einige synthetische Cannabinoide eine stärkere und nachhaltigere Wirkung als THC zu entfalten scheinen (EMCDDA 2012).

Der THC-Wirkstoffgehalt ist bei importiertem Cannabisharz (in Deutschland im Vergleich zu Cannabiskraut die bedeutendere Konsumform) nach dem Jahresbericht der Angaben der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) 2011 (DBDD 2011, S. 214) weitgehend stabil bzw. leicht rückläufig (2010 ca. 7,5%), während er bei importiertem Cannabiskraut leicht gestiegen ist (auf 10,5%). Im Europäischen Vergleich werden z.T. erhebliche Unterschiede berichtet (s. EMCDDA 2004, S. 46).

Bei Indoorplantagen werden zwei- bis dreifache THC-Konzentrationen bei Cannabispflanzen in Indoorplantagen berichtet.(EMCDDA 2004, S. 13, Nr. 3).

Synthetische Cannabinoide werden seit 40 Jahren in der Arzneimittelforschung zur Schmerztherapie entwickelt. Die erwünschte schmerzlindernde und die unerwünschte rauscherzeugende Wirkung sind dabei allerdings schwer zu trennen. Im Jahr 2008 wurden in über Headshops oder das Internet vertriebenen Kräuter- bzw. Räuchermischungen synthetische Cannabinoide entdeckt (Spice Gold, Spice Silver, Yucatan Fire, denen weitere Produkte folgten). Über den Wirkstoffgehalt dieser Mischungen ist mangels quantitativer Studien bisher wenig bekannt. Es steht jedoch zu vermuten, dass sich dieser sich von Produktcharge zu Produktcharge stark unterscheidet.

Bisher wurden einige der synthetischen Cannabinoide aufgrund ihrer psychotropen Wirkung, des Ausmaßes ihrer missbräuchlichen Verwendung und der unmittelbaren und mittelbaren Gefährdung in die Anlage II des BtMG (verkehrs- aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen.

Ihre zweite Frage zur Ungleichbehandlung von Alkohol und Tabak durch den Gesetzgeber stehen im Einklang mit dem Grundgesetz. Zur Begründung können angeführt werden:

1. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994:

Leitsatz "4. Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber konnte ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol oder Nikotin andererseits unterschiedlich regeln."

Orientierungssatz "5. Zu Ls 4:
Für die unterschiedliche Behandlung von Cannabisprodukten einerseits und Nikotin und Alkohol andererseits sind gewichtige Gründe vorhanden. Nikotin ist kein Betäubungsmittel und bei Alkohol dominiert eine Verwendung, die nicht zu Rauschzuständen führt. Demgegenüber steht beim Cannabiskonsum typischerweise die Erzielung einer berauschenden Wirkung im Vordergrund."

2. Die Entscheidung des Deutschen Bundestags zur Petition von Guido Friedewald (Unterstellung von Ethanol (Alkohol) unter das Betäubungsmittelgesetz vom 17.03.2011 (Pet ID 9651, Anlage 2):

"Zwischen Alkohol und dem Betäubungsmittelrecht unterstellten Substanzen bestehen wesentliche Unterscheide, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Alkoholische Getränke sind Lebens- und Genussmittel, die sich grundsätzlich von den Betäubungsmitteln unterscheiden, die in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind. Der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Unterstellung von Alkohol unter das Betäubungsmittelgesetz verzichtet. Ebenso betrachten auch die internationalen Suchtstoffkonventionen Alkohol nicht als Betäubungsmittel. Kein bekanntes Betäubungsmittelgesetz anderer Staaten hat Alkohol zur Droge erklärt."

Zu Ihrer letzten Frage: So verschieden sind "natürliches" und "synthetisches" Cannabis nun auch wieder nicht. Aufgrund der von beiden ausgehenden gesundheitlichen und sozialen Risiken ist es völlig gerechtfertigt, sowohl vor dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden als auch vor dem Konsum von "natürlichem" Cannabis zu warnen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Hinweisen unsere Haltung erläutern konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae, MdB

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