Meine Daten als Beutegut in den USA?
Hallo Herr Poreski,
können Sie mir erklären, warum das Innenministerium b. Palantir einkaufen darf?
Ich meine, ich frage das vor einem sichtbaren Hintergrund von
1. "Internationaler Strafgerichtshof kickt Microsoft aus seiner Verwaltung" - Netzpolitik.org
2. " Klima-Diplomat über Vorgehen der USA„Das war brutal“ Jochen Flasbarth leitet die deutsche Delegation zum UN-Klimagipfel" - taz
3. "US searching for “security threats” in European data" - Statewatch NGO
Sowohl aus der Sicht Digitaler Souveränität als auch aus Sicht des strategischen Datenschutzes kann ich nicht nachvollziehen, dass Sie als Landesgrüne mittragen können.
Wenn das System wichtig ist, wie kommen wir zu einem unsouveränen Einkauf in den USA ?
Welches brutale Verhalten der USA erwartet mich bei meiner nächsten internat. geschäftlichen Verhandlung?
Ich meine, China hat doch sicher noch mehr Erfahrungen mit KI-basierter Verhaltenvohersage ... gehen beim nächsten "Sonderangebot" meine Daten dann nach China !?
MfG
Hallo Herr J., besten Dank für Ihre Fragen und die darin zum Ausdruck gebrachte Sorge über den Einsatz von Palantir-Software.
Wir teilen diese Sorge.
Im parlamentarischen Verfahren über den Gesetzentwurf zur Einführung einer automatisierten Datenanalyse haben wir der Kritik am Einsatz der Palantir-Software mit den öffentlichen Anhörungen im Innenausschuss und im Petitionsausschuss einen Raum gegeben.
Die Aufzeichnungen der öffentlichen Anhörungen finden Sie auch in der Mediathek des Landtags.
Daraus folgt für uns: Wir brauchen so schnell wie möglich eine eigenständige, souveräne, resiliente Lösung – made in Baden-Württemberg oder in der EU.
Wir sind absolut überzeugt: In Anbetracht der geopolitischen Lage brauchen wir gerade im Sicherheitsbereich dringend mehr europäische Eigenständigkeit und größtmögliche digitale Souveränität.
Und genau das haben wir am vergangenen Mittwoch im Parlament mit einem Entschließungsantrag untermauert. Wir fordern die Landesregierung auf, bis spätestens 2030 eine europäische Alternative an den Start und in den Einsatz bringen.
Gerne möchte ich nochmals ausführlich die Haltung meiner Grünen Landtagsfraktion darstellen:
Worum geht es bei der automatisierten Datenanalyse?
Wir Grüne wollen es der Polizei einfacher machen, schwere Straftaten zu verhindern. Darum haben wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner bereits im Herbst 2024 in einem Sicherheitspaket vereinbart, eine Rechtsgrundlage für die Durchführung automatisierter Datenanalysen zu schaffen. Wenn es darauf ankommt, muss die Polizei die Daten, die sie hat, schnell und sinnvoll verknüpfen können, um Zusammenhänge zu erkennen, Personen zu identifizieren und Gefahren abzuwehren.
Wie ist der Vertrag mit Palantir zustande gekommen?
Ohne unser Wissen und ohne unsere Zustimmung hat das Innenministerium im März 2025 einen Vertrag mit Palantir abgeschlossen. Damit hat die CDU den letzten Schritt vor dem ersten gemacht. Die richtige Reihenfolge wäre gewesen: Erst eine Rechtsgrundlage durch eine Änderung des Polizeigesetzes schaffen, dann eine Software auswählen und am Schluss einen Vertrag mit einem geeigneten Anbieter abschließen.
Was bedeutet dieser Vertrag?
Mit ihrem voreiligen und nicht abgestimmten Agieren hat uns die CDU in eine sehr schwierige Lage gebracht. Denn der Vertrag kostet das Land knapp 25 Millionen Euro und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Ein vorzeitiger Ausstieg ist faktisch nicht möglich. Das heißt: Das Geld fließt an Palantir - ob wir das Polizeigesetz ändern oder nicht.
Warum haben wir dem Polizeigesetz zugestimmt?
Wir Grüne wollen, dass unsere Polizei die automatisierte Datenanalyse nutzen kann, um schwere Straftaten zu verhindern. Dieses Instrument braucht die Polizei jetzt, und nicht erst in fünf Jahren. Hinzu kommt: Ändern wir das Polizeigesetz nicht, gehen die 25 Millionen Euro ohne Gegenleistung an Palantir. Und gleichzeitig könnte die Polizei ein Instrument nicht nutzen, das einen realen Mehrwert für die Sicherheit in Baden-Württemberg bieten kann. In dieser Situation mussten wir abwägen und haben uns entschieden, die entsprechende Gesetzesgrundlage jetzt zu schaffen. Das ändert aber nichts an unserer kritischen Haltung zum Einsatz der Palantir-Software. Das Gesetz ist bewusst technikoffen gehalten, das heißt es enthält keine Festlegung auf einen bestimmten Anbieter.
Was wir jetzt tun: Kontrolle ermöglichen, Risiken einhegen
Wir Grüne haben sichergestellt, dass die Durchführung der Datenanalysen der parlamentarischen Kontrolle unterliegen wird. Das hegt die Risiken ein und schafft mehr Transparenz. Den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums werden hierfür unter anderem IT-Sicherheitsberichte zur Software-Nutzung und die durchgeführten IT-Audits vorgelegt.
Wichtig ist auch, dass Palantir hier in Baden-Württemberg keine neuen Daten sammelt oder erzeugt. Die Software greift ausschließlich auf bereits vorhandene Akten zu – also auf Daten von Straftätern, Terroristen und Schwerstverbrechern, zu denen übrigens auch Rechte und Reichsbürger gehören. Der Kern ist der länderübergreifende Austausch, der heute oft bricht, weil Systeme nicht miteinander reden. Genau deshalb haben wir verhindert, dass hier irgendeine Form von KI „frei“ arbeitet oder automatisiert neue Informationen generiert. Wir haben sichergestellt, dass keine neuen Daten entstehen, keine Profile gebildet werden und keine algorithmischen Entscheidungen getroffen werden. Es geht ausschließlich darum, vorhandene Informationen sinnvoll miteinander verknüpfen zu können – und zwar unter strenger menschlicher Kontrolle und parlamentarischer Aufsicht.
Die Software läuft auf einem geschlossenen hessischen Landesserver. Es fließen keine Daten ab, schon gar nicht in die USA.
Gleichzeitig müssen wir die politische Realität berücksichtigen: Es ist überhaupt nicht sicher, dass wir nach dem 8. März noch mitregieren. Genau deshalb müssen wir jetzt, solange wir es können, die Leitplanken setzen. Im Moment sind wir Grüne – und wegen des Wahlkampfs auch die SPD – diejenigen, die Palantir wirklich einschränken wollen.
Das Polizeigesetz besteht nicht nur aus dem Punkt zur automatisierten Datenanalyse. Da stehen Dinge drin, die wir sicherheitspolitisch dringend brauchen. Wir sehen, wie wir hybrid angegriffen werden: der Angriff in Ulm, Sabotage an der Bahn, Einflussversuche aus Russland und China und nicht zuletzt schwere Straftaten wie Kinderpornografie. Heute ist es so, dass wir selbst bei diesen Fällen oft nur informiert werden, wenn US-Dienste uns Hinweise geben. Die haben die Daten längst analysiert, während unsere Polizei nicht einmal länderübergreifend Auswertungen teilen kann. Damit sind wir permanent im Hintertreffen. Die automatisierte Datenanalyse ist notwendig, damit wir überhaupt auf Augenhöhe kommen – nicht als Machtinstrument, sondern als Grundvoraussetzung dafür, Straftaten verhindern zu können.
Die Frage, warum wir die 25 Mio. nicht einfach abschreiben und „politisch sauber“ neu anfangen, bekomme ich oft. Aber die ehrliche Antwort ist: Das geht nicht. Die CDU hat den Vertrag abgeschlossen, der ist bindend, das Geld fließt, egal was wir beschließen. Wenn wir jetzt sagen „wir machen da nicht mit“, dann sind die 25 Mio. einfach weg, die Polizei darf das Instrument trotzdem nicht nutzen, und nach der Wahl könnte die CDU das gesamte System völlig ohne uns gestalten. Damit wäre der Schaden größer, politisch wie finanziell. Wir würden jede Möglichkeit verlieren, den Einsatz einzuschränken, zu kontrollieren oder später umzubauen.
Wenn wir wollen, dass Palantir in fünf Jahren Vergangenheit ist und wir in Baden-Württemberg zusammen mit europäischen Partnern und heimischen Unternehmen eine souveräne Lösung aufbauen, dann braucht es starke Grüne in der Regierung. Ansonsten machen andere Kräfte die Regeln – und wir wissen genau, in welche Richtung das geht. Die AfD wird hier nicht regieren, das ist richtig, aber die CDU würde ohne grünes Korrektiv sehr viel weniger begrenzen und kontrollieren, als es jetzt der Fall ist.
Es wäre wirklich hilfreich, wenn diejenigen, die gegen Palantir mobilisieren, diesen Punkt selbst offensiv setzen und die CDU angreifen würden. Stattdessen geraten gerade wir Grüne unter Druck – obwohl wir als einzige die Nutzung einschränken, kontrollieren und den europäischen Weg überhaupt erst verbindlich durchsetzen. Das schwächt uns politisch, und das liegt voll im Interesse von Palantir selbst - denn je schwächer die Kontrolle, desto stärker ihre Position.
Ich teile auch die Sorge wegen der rechtspopulistischen Welle in Europa. Gerade deshalb können wir es uns nicht leisten, eine unkontrollierte oder von außen beeinflusste digitale Infrastruktur zu akzeptieren. Eine europäische Lösung ist der einzige Weg, langfristig sicher zu sein. Aber bis wir sie haben, müssen wir die aktuelle Übergangssituation so regulieren, dass Missbrauch ausgeschlossen ist.
Ich hoffe, das macht unsere Entscheidung nachvollziehbarer.
