Frage an Uwe Kekeritz bezüglich Politisches Leben, Parteien

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Uwe Kekeritz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jürgen K. •

Frage an Uwe Kekeritz von Jürgen K. bezüglich Politisches Leben, Parteien

Sehr geehrter Herr Kekeritz,

derzeit wird verstärkt über Verschwörungstheorien diskutiert.
In einigen wird unterstellt, dass nicht diejenigen, die Geld in Rüstung und legale Drogen investieren Böses im Schilde führen, sondern Menschen die ihr Geld für wohltätige Zwecke spenden (z.B https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/bill-gates-und-die-maer-von-der-weltherrschaft-li.83544 ).

Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch politische Entscheidungen, die sich vielen Menschen weniger durch Vernunft aber um so mehr durch Lobbyismus erklären lassen, z.B.:

- Das Gesetz zur Bankenrettung, dass von einer der Bankenbranche nahestehenden Anwaltskanzlei mit formuliert wurde ( https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/informationsfreiheit/warum-der-gesetzentwurf-zur-bankenrettung-die-steuerzahler-160000-euro ).
- Bislang wurde die Einführung eines Werbeverbots verhindert. Und wenn es doch kommt, dann mit langen Übergangsfristen und Ausnahmen ( https://www.welt.de/wirtschaft/article208239969/Werbeverbot-fuer-Zigaretten-Drogenbeauftragte-kritisiert-brutale-Lobbyarbeit.html?fbclid=IwAR3vjqCdrCO0vfO4fl7L27yfZngaU_fndw-nAWRXM12xf6z66_H1xNUQkig ).

Mangels transparenter Kontrolle (siehe https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/parteispenden/wie-der-bundestag-unterlagen-zu-parteispenden-unter-verschluss-halten-wollte ) führt dies zu Vermutungen, aus denen weitere Verschwörungstheorien erwachsen könnten.

So könnte man vermuten,
- dass nahezu alle Endscheidungen von Lobbyinteressen bestimmt wurden.
- dass der Wille der Wähler (der nicht einmal systematisch erfragt wird) nur minimalen Einfluss hat.

Dazu habe ich folgenden Fragen an Sie:
- Wo würden Sie die Grenze zwischen verständlichen Sorgen und absurden Verschwörungstheorien ziehen?
- In wieweit besteht die Gefahr, dass durch die Verschwörungstheorien auch berechtigte/verständliche Sorgen der Bürger ignoriert werden?
- In wieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung, Misstrauen (durch mangelnde Transparenz) in die Arbeit der Parlamente zu entkräften?

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kosel

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kosel,
sehr geehrtes Team von abgeordnetenwatch,

im Namen von Herrn Kekeritz vielen Dank für Ihre Fragen, bzw. für deren Weiterleitung.

Mit dieser Mail erhalten Sie nun die Antworten darauf:

Wo würden Sie die Grenze zwischen verständlichen Sorgen und absurden Verschwörungstheorien ziehen?

Diese Grenze ist dann überschritten, wenn man sich von wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen verabschiedet. Die Coronakrise stellt die gesamte Menschheit vor ein Problem, das es in dieser Dimension in unserer heutigen Zeit bisher noch nicht gegeben hat. Ich habe großes Verständnis dafür, dass diese unbekannte Situation und die wochenlangen Kontaktbeschränkungen zu Verunsicherung und Sorgen führen. Das ist der Punkt, an dem die Politik die Menschen ernst nehmen und abholen muss. Um Panikmache und Verschwörungsmythen den Boden zu entziehen, sind sachliche, verständliche und faktenbasierte Informationen über die Erkrankung Covid-19, das Virus SARS-CoV2 sowie die Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung erforderlich. Da steht in erster Linie die Bundesregierung in der Pflicht, aber auch jede*r einzelne Bundestagsabgeordnete sollte daran arbeiten, sich demokratiefeindlichen Tendenzen aktiv entgegenzustellen – denn genau mit solchen sind wir in diesen Tagen konfrontiert.

Um zu kennzeichnen, dass es sich bei Verschwörungsmythen lediglich um Erzählungen oder Ideologien handelt, vermeiden wir Grüne übrigens den gängigeren Begriff „Verschwörungstheorie”. Der Begriff der Theorie stammt aus der Wissenschaft - und wir wollen gerade jetzt verdeutlichen, dass Verschwörungsmythen klar von wissenschaftlichen Thesen abzugrenzen sind.

In wieweit besteht die Gefahr, dass durch die Verschwörungstheorien auch berechtigte/verständliche Sorgen der Bürger ignoriert werden?

Diese Gefahr halte ich für überschaubar. Bürger*innen haben ein Anrecht darauf, dass ihre Ängste und Sorgen ernst genommen werden. Wir Politiker*innen müssen hier genau hinhören und nicht alle in einen Topf werfen. Wenn wir hinhören, dann ist klar erkennbar, was berechtigte Kritik an einzelnen politischen Entscheidungen und Maßnahmen ist – und was Verschwörungsmythen sind, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Völlig zu Recht wird derzeit kontrovers über den Umgang mit Corona und die Einschränkungen diskutiert. Das ist der Kern von Demokratie und das gilt selbstverständlich auch während der Corona-Pandemie. Verschwörungserzähler*innen verbreiten aber Behauptungen, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren und versuchen, die Kritik und die Sorge um Grundrechte zu kapern, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und Hass zu säen. Dem müssen wir entgegentreten: mit Zusammenhalt, mit Menschlichkeit, mit Verstand.

Bei den Demonstrationen der Corona-Skeptikerinnen und -Skeptiker etwa versammelt sich i.d.R. eine heterogene Gruppe unterschiedlicher Akteure. Neben bekannten Rechtspopulist*innen sowie prominenten Unterstützer*innen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum stehen dort Impfgegner*innen neben verunsicherten Bürger*innen, die die Maßnahmen der Bundesregierung kritisieren. Eine Einschätzung der Bundesregierung hinsichtlich möglicher Verbindungen in die rechtsextreme Szene sowie antidemokratischer und verfassungsfeindlicher Tendenzen in den Redebeiträgen ist daher von großer Bedeutung. Dies zeigt den Demonstrant*innen, die völlig zu Recht hinterfragen, ob geltende Einschränkungen noch verhältnismäßig sind oder nicht mehr: Wir nehmen euch und eure Bedenken ernst, aber bitte fallt nicht auf ideologische Bauernfänger*innen herein.
Für mich persönlich kann ich festhalten: Es erreichen mich zahlreiche Bürgerbriefe mit berechtigten Sorgen – wir nehmen das ernst und sprechen darüber. Wenn das alle tun, die politische Verantwortung tragen, ist schon viel gewonnen.

In wieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung, Misstrauen (durch mangelnde Transparenz) in die Arbeit der Parlamente zu entkräften?

In Ihrer Frage erkenne ich erstens die Sorge, dass das Parlament in Krisenzeiten in seiner Gegenrolle zur Regierung geschwächt wird. Die größte Gefahr besteht m.E. aber darin, dass Verschwörungserzähler*innen, Rechtsextremist*innen und Antisemit*innen anfangen, das Unbehagen, die Kritik und die Sorge um Grundrechte zu kapern, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und Hass zu säen.
Auch während der nie dagewesenen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie ist es uns Parlamentarier*innen gelungen, zu zeigen, dass wir den Parlamentsbetrieb auch unter erschwerten Bedingungen aufrechterhalten können. Der Bundestag ist und war voll handlungsfähig. Wir als Opposition arbeiten weiter mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln daran, die Regierung zu kontrollieren. Ich will nicht verhehlen, dass es durchaus auch schon den Versuch gegeben hat, uns das mit Hinweis auf die aktuelle Situation etwas schwer zu machen. Aber das sind Einzelfälle, den Gesamtauftrag sehe ich nicht als gefährdet an.
Das muss selbstverständlich hinreichend transparent gemacht werden. Aus diesem Grund hat meine Partei eine umfangreiche Kleine Anfrage an die Bundesregierung eingereicht; darin fragen wir nach den verschwörungsideologischen Akteuren, Kampagnen und Gruppierungen, die im Zusammenhang mit den Protesten auftauchen.
Zweitens drückten Sie die Sorge aus, dass nahezu alle Entscheidungen von Lobbyinteressen bestimmt werden, anstatt vom Willen der Wähler*innen. Dazu möchte ich sagen, dass der Austausch von Politik und Interessenvertreter*innen grundsätzlich wichtig für eine funktionierende Demokratie ist. Lobbyist*innen bringen wichtige Erfahrungen aus ihrer Praxis in den Prozess der politischen Meinungsbildung ein. Gleichwohl hat der Einfluss von organisierten Lobbyist*innen auf politische Entscheidungsprozesse zugenommen. Daher muss Lobbytätigkeit im politischen Bereich für die Öffentlichkeit transparent sein. Sie muss nach klar definierten Regeln erfolgen. Allen Interessengruppen sind – unabhängig von der finanziellen Ausstattung – die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Abgeordneten und zur Exekutive einzuräumen. Durch die Herstellung größtmöglicher Transparenz werden unlautere Einflüsse neutralisiert; jeglicher böse Schein wird von vornherein vermieden. Deswegen fordern wir Grüne schon lange die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/008/1900836.pdf
Zusammenfassend gilt: Für uns alle bringt die Corona-Krise unzählige Veränderungen und Einschränkungen mit sich, die unseren bisherigen Alltag auf den Kopf stellen. Das Vorgehen der Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie muss daher stets kritisch begleitet und sämtliche Maßnahmen vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse beurteilt und auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden, um insbesondere bürgerrechtliche Einschränkungen nicht länger aufrechtzuerhalten als zwingend notwendig.
Abschließend möchte ich Sie auf unseren Antrag hinweisen, mit dem wir Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft in Zeiten der Corona-Krise stärken wollen:

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918958.pdf

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Alena Damerow