Hallo Canan, die Grünen wollen eine autofreie Innenstadt. Was wird das für unseren Bezirk heißen? Was ist mit den hier Wohnenden, die auf ein Auto angewiesen sind? Elektoautos? Ladestationen?

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Canan Bayram
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reinhard Paul G. •

Hallo Canan, die Grünen wollen eine autofreie Innenstadt. Was wird das für unseren Bezirk heißen? Was ist mit den hier Wohnenden, die auf ein Auto angewiesen sind? Elektoautos? Ladestationen?

Hallo Canan,
dass zu viele Autos in der Stadt sind, ist unstrittig. Ein komplettes Verbot ist nicht umsetzbar. Bisher kann ich keine nachvollziehbare Konzeption erkennen, nach welchen Kriterin für die einzelnen Straßen entschieden werden soll, wieviel Stellplätze noch bleiben und von wem und zu welchen Kosten diese benutzt werden können.
Wissen wir, wieviel % der hier Wohnenden nicht mobil sind aufgrund persönlicher Beeinträchtigungen und auf ein Auto angewiesen sind? Wie viele können deshalb nicht am Radverkehr teilnehmen? Oder am ÖPNV?
Aktuell habe ich den Eindruck, dass die Diskussion von aktiven Radfahrern dominiert wird und nicht zielorientiert geführt werden kann.
Wie willst Du das ändern?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo R.

vielen Dank für deine Frage zum Thema Verkehr und insbesondere die Auswirkungen in unserem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Klar ist für mich: Die Verkehrswende ist ein zentraler Baustein für die Bekämpfung der Klimakrise, denn der Verkehrssektor ist für 30% der CO2-Emissionen verantwortlich. Sie ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit. In Innenstadtbezirken benutzen besonders wenige Menschen ein Auto, sie leiden aber am meisten unter dem Durchgangsverkehr. Rund 61% der Menschen in meinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost bewegen sich mit Fahrrad oder zu Fuß fort. Es kann doch nicht sein, dass trotzdem der Großteil der Stadt für Autoverkehr vorgesehen ist.

Deswegen wollen wir den öffentlichen Raum neu gestalten und den begrenzten Platz neu verteilen, sodass er gerecht zwischen allen Nutzer*innen aufgeteilt ist. Dazu haben wir uns als Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg u.a. die folgenden Maßnahmen überlegt:

1. Sichere und barrierefreie Gehwege: Breitere Gehwege mit mehr Zebrastreifen dazwischen, barrierefreie Ampeln, mehr Fußgänger*innenzonen und verkehrsberuhigte Bereiche.
2. Vorfahrt für den Radverkehr: Bessere und mehr Radwege, Radparkhäuser und mehr Fahrradbügel.
3. Lebenswerte Wohnquartiere: Mit Pollern, Inseln und Pflanzkübeln wollen wir autoarme und autofreie Kieze bauen, an denen der Autoverkehr vorbei geführt wird.
4. Parkplätze umwandeln: Private Fahrzeuge stehen bis zu 23 Stunden am Tag kostenlos im öffentlichen Raum. Dieser Platz gehört uns allen, deswegen sollen Autos in Zukunft hauptsächlich in unterirdischen Anlagen parken. Die alten Parkstreifen werden Radwege, Abstellplätze für Fahrräder oder entsiegelt, z. B. für Baumbepflanzungen.
5. Wir wollen den Weiterbau der A100 verhindern.

Maßnahmen wie temporäre Spielstraßen, Pop-Up-Radwege, Kiezblocks und Klimastraßen im Bezirk sind aus meiner Sicht gute Ansätze und aus Initiativen im Wahlkreis entstanden. So wird die Stadt für alle lebenswerter. Diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, also bspw. mobilitätseingeschränkte Menschen, Pflegedienste, Krankentransporte oder Handwerker*innen werden in Zukunft auch besser zum Ziel kommen. D.h. eine komplett autofreie Innenstadt wird es nicht werden, aber diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, werden tatsächlich wieder vorankommen und nicht nur im Stau stehen.

Die Diskussion läuft aus meiner Sicht durchaus zielorientiert: Mit dem Berliner Mobilitätsgesetz, das aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangen ist, hat die Politik den Auftrag erhalten, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und den Ausbau des sicheren Fuß- und Radverkehrs sowie des ÖPNV voranzutreiben. Das setzt sich auch auf Bezirksebene fort mit zahlreichen Beschlüssen der Bezirksverordnetenversammlung, Einwohner*innenanträgen, die mehr Verkehrssicherheit und Verkehrsberuhigung fordern und vorgelagerte Beteiligungsformate für die Menschen vor Ort.

Gerne will ich noch auf eine repräsentative Erhebung verweisen, aus der hervorgeht, dass sich eine deutliche Mehrheit der Einwohner*innen eine Abnahme des Autoverkehrs und seiner Infrastruktur wünschen: https://gruene-xhain.de/grosse-mehrheit-fuer-weniger-autoverkehr-und-mehr-platz-fuer-gruenflaechen-fahrraeder-und-fussgaengerinnen/

Als Grüne werden weiterhin daran arbeiten, wofür wir gewählt werden: die Verkehrswende zügig umzusetzen, um Friedrichshain-Kreuzberg klimaneutral, gesünder und sicherer für alle zu machen.

Herzliche Grüße
Canan Bayram

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