Die Chatkontrolle schafft Zugang auf Handys und Endgeräten von Millionen Menschen. Diese werden unter Generalverdacht gestellt, ihre "Post" können permanent durchleuchtet werden. Mit welchem Recht ?
[1] Öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023
[2] Sammlung von Stellungnahmen und Gutachten zur Chatkontrolle (Übersichtsseite auf Englisch)
[3] Stellungnahme des Kinderschutz Bundesverbandes e. V. zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023
[4] Stellungnahme Chaos Computer Clubs zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023
[5] Interview mit Prof. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenbur
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihren Einsatz.
Seit drei Jahren wird auf europäischer Ebene über das Vorhaben der EU-Kommission zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im digitalen Raum verhandelt. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, Anbieter digitaler Dienste zu verpflichten, Kommunikationsinhalte – auch in verschlüsselter Kommunikation – auf Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu überprüfen, bei Verdacht zu melden und entsprechende Inhalte zu entfernen.
Der erste Entwurf der dänischen Ratspräsidentschaft hielt daran fest, anlasslose Scans privater Kommunikationsinhalte zu ermöglichen und wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzubrechen. Daher war dieser Entwurf aus Sicht unserer Justizministerin Stefanie Hubig und auch unserer Fraktion nicht zustimmungsfähig. Es ist erfreulich, dass sich schließlich auch die Unionsfraktion unseren Bedenken angeschlossen hat.
Für uns bleibt der Koalitionsvertrag maßgeblich. Dort haben wir vereinbart, die Vertraulichkeit privater Kommunikation im Netz zu schützen. Die Bundesregierung wird auf europäischer Ebene auf dieser Grundlage verhandeln. Anlasslose Kommunikationsüberwachung muss in einem Rechtsstaat tabu sein. Der Staat darf Messenger nicht dazu zwingen, Nachrichten zur massenhaften Kontrolle zu öffnen, bevor sie versendet werden. Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt das Anliegen, Missbrauchsdarstellungen wirksam zu bekämpfen – eine klare Rechtsgrundlage und ein koordiniertes europäisches Vorgehen sind dafür unabdingbar. Besonders sensibel ist der Teil des Vorschlags, der sich nicht nur auf öffentliche Plattformen, sondern auch auf private digitale Kommunikation wie Messenger oder E-Mail bezieht. Für uns ist klar: Der Schutz der Vertraulichkeit von Kommunikationsinhalten ist ein hohes Gut.
Der Kompromissvorschlag des dänischen Justizministers nimmt nun insgesamt von der sogenannten Chatkontrolle Abstand und sieht vor, die bereits jetzt in der EU bestehende freiwillige Möglichkeit von Plattformen unverschlüsselte Kommunikation zu scannen im europäischen Recht festzuschreiben. Die Ende-zu-Ende Verschlüsselung ist damit weiter sicher.
Ich begrüße den Kompromissvorschlag ausdrücklich und hoffe, dass wir damit den Kampf um geschützte Kommunikation zu einem positiven Ende bringen können.
Mit freundlichen Grüßen
Carmen Wegge
