Frage an Daniela Kolbe bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Daniela Kolbe
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Frage von Christina C. •

Frage an Daniela Kolbe von Christina C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kolbe,

ich schreibe Ihnen über die Plattform von abgeordnetenwatch.de statt in einer privaten Mail, damit auch andere Interessierte Ihre Antwort lesen können. Ich freue mich über Ihre Antwort an meine Mailadresse, möchte Sie aber bitten, diese auch hier zu veröffentlichen.

Tausende Menschen haben in den letzten Monaten über die Aufgaben und Herausforderungen einer neuen Bundesregierung beim "Aufbruch 2017" von Campact diskutiert. 75.000 von uns haben anschließend über die uns wichtigsten Themen abgestimmt. Dabei sind 10 Forderungen herausgekommen, die wir an die Menschen haben, die unsere neue Bundesregierung bilden wollen.

Ich (und viele weitere Menschen aus unserem Wahlkreis) möchte, bevor ich zur Wahl Ende September gehe, von Ihnen wissen, wie sie zu den unten genannten Themen stehen. Bitte erläutern Sie kurz, wie Sie sich im Falle einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu diesen Themen verhalten würden.

Die ausformulierten Forderungen finden Sie auch auf: https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2017/08/Kompass_Broschuere_kurz.pdf Hier nur in knapper Form:

* Das Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht gestalten.
* Eine auskömmliche Rente einführen.
* Den Bahnverkehr attraktiver machen.
* Lobbyismus bekämpfen, z.B. durch ein zentrales Lobbyregister.
* Keine undemokratischen und unfairen Freihandelsabkommen abschließen (z.B. TTIP, CETA, JEFTA).
* Steuerflucht konsequent verfolgen und bestrafen.
* Den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv beschleunigen.
* Einen schnellen Ausstieg aus der Kohle verankern.
* Massentierhaltung einschränken.
* Plastikmüll reduzieren.

Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,

C. C.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau C.,

schon auf den ersten Blick waren mir die Forderungen sympathisch. Sie werden sehen, dass ich mit den meisten Punkten mitgehen kann und auch viele davon im Regierungsprogramm der SPD für die nächsten vier Jahre stehen. Ich möchte versuchen, mich zu jeder Forderung zu äußern, dabei aber keine Romane zu schreiben. Wenn Sie Interesse haben mehr zu lesen, empfehle ich den direkten Blick in unser Programm https://www.spd.de/standpunkte/regierungsprogramm/ .

1. Das Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht zu gestalten, ist eines der Hauptziele der SPD. Wir wollen eine Bürgerversicherung für alle in Gesundheit und Pflege, in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen. Eine Zwei-Klassen-Medizin soll es nicht länger geben. Dazu wollen wir, dass die Versicherung paritätisch finanziert wird, dass also Arbeitgeber und Versicherte wieder den gleichen Anteil am gesamten Versicherungsbeitrag zahlen.

2. Zum Thema Rente haben wir ein umfangreiches Konzept vorgelegt, das sich ebenfalls im Programm nachlesen lässt. Das übergeordnete Ziel ist es, das Rentenniveau und den -beitrag zu stabilisieren ohne das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Dafür bauen wir die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung aus. Die Einbeziehung der bisher nicht versicherten Selbstständigen ist der erste Schritt auf diesem Weg. Dauerhaft muss die Versichertenbasis aber noch weiter verbreitert werden.

Außerdem wollen wir eine Solidarrente einführen, die zehn Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt. Regional unterschiedliche Wohnkosten werden so berücksichtigt.

3. Bei der Frage nach dem Verkehr bin ich dafür, dass es so wenig Autoverkehr wie nötig und so viel öffentlichen Verkehr wie möglich gibt. Der Bund muss mehr investieren in die Infrastruktur, in Schienen aber auch in Straßen. Deutschland braucht moderne Verkehrswege, die schadstoffarme und sichere Mobilität ermöglichen, und zwar in der Stadt und auf dem Land.

4. Lobbykontakte von Bundestagsabgeordneten müssen dringend transparenter gemacht werden. Lobbyismus ist nicht grundsätzlich schlecht. Das kann aber nur über Transparenz vermittelt werden. Es gibt bisher kein Lobbyregister, weil die Union sich vehement sträubt. Als SPD hatten wir die Forderung schon 2013 im Wahlprogramm. Da wir uns in der Großen Koalition mit dieser Forderung nicht durchsetzen konnten, haben sich eine Reihe von Abgeordneten freiwillig an einen Kodex gebunden. Mehr dazu finden Sie z.B. hier https://daniela-kolbe.de/persoenliches/verhaltenskodex/ auf meiner Internetseite.

5. Zu Freihandelsabkommen gibt es von mir kein pauschales Ja oder Nein. Ich bin davon überzeugt, dass die Globalisierung Regeln braucht, damit sie nicht zu einem Wettlauf der Standards nach unten führt. Ziel muss es sein, Spielregeln festzulegen, die für alle Länder gelten. Es ist deshalb sinnvoll, über solche Abkommen zu verhandeln. Als SPD haben wir in mehreren Beschlüssen klare rote Linien gezogen, die die Freihandelsabkommen nicht überschreiten dürfen.

Ich sehe die Freihandelsabkommen kritisch, werde aber, wenn es zu einer Abstimmung im Bundestag kommt, genau und bei jedem Abkommen einzeln prüfen, ob ich es für zustimmungswürdig halte. TTIP wird es nicht geben, da bin ich mir sicher. Bei CETA würde ich nach aktuellem Stand nicht zustimmen. Bei JEFTA liegt bisher kein Vertragstext vor, deshalb kann ich noch keine Bewertung abgeben.

6. In Deutschland wollen wir einen gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung. Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwäsche verursachen Schäden in Millionenhöhe für unsere Gesellschaft, deshalb werden wir sie hart bekämpfen. Dafür ist es notwendig, dass alle Länder ihre Steuerverwaltung und Steuerfahndungen vernünftig ausstatten.

Steuerflucht kann nur durch internationale Kooperation wirksam aufgehalten werden. Wir wollen deshalb ein europäisches Transparenzregister, in dem alle Eigentümer, Begünstigte wie auch die verantwortlichen Personen eines Unternehmens für Steuerbehörden transparent aufgeführt sind. Wir werden uns erneut für eine „schwarze Liste“ der Steueroasen der OECD einsetzen und reine Vermögensanlagen in den Staaten auf dieser Liste beschränken.

7. Der nachhaltige Umbau der Energieversorgung ist eines der größten Zukunftsprojekte der Menschheit und für uns eine Frage der Gerechtigkeit. Im Einklang mit unseren Klimazielen werden wir den Ausbau weiter vorantreiben. Damit Windkraft- und Sonnenkraft in Zukunft einen deutlichen höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten können, müssen wir vor allem aber auch für eine effiziente Nutzung von erneuerbaren Energien sorgen.

8. Für uns als SPD ist es wichtig den Kohleausstieg sowohl klimafreundlich als auch sozialverträglich zu gestalten. Auf Initiative der SPD hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 auf den Weg gebracht. Damit haben wir den Kohleausstieg eingeleitet. Dazu gehört aber auch sich den besonders durch Braunkohleabbau geprägten Regionen in der Lausitz und im Rheinischen Revier zu widmen. Hier gilt es, regionalwirtschaftliche Strukturen aufzubauen, die an die industrielle Tradition dieser Regionen anknüpfen.

9. Ich bin dafür, dass große Tierhaltungsanlagen nur noch zugelassen werden, wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan erlässt und eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt. Langfristig ist es das Ziel der SPD zur flächengebundenen Tierhaltung zurückzukehren. Das heißt, ein einzelner Betrieb soll nur so viele Tieren halten, wie er von seinen betriebseigenen Flächen ernähren kann. Auf europäischer Ebene wollen wir die EU-Agrarförderung grundsätzlich neu ausrichten. Es soll der Satz gelten: „Öffentliches Geld für öffentliche Leistung“. Die öffentlichen Gelder sollen jene Betriebe erhalten, die in Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen investieren.

10. Mir ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen sehr wichtig. Ich denke bei Plastikmüll setzt bei immer mehr Verbrauchern ein Umdenken ein. Trotzdem landet beim Einkaufen fast zwangsläufig eine Menge Plastik im Wagen und schließlich auch noch in der Plastiktüte. Das größere Problem ist aber, dass dieses Plastik dann nach dem Gebrauch in viel zu kleinen Mengen recycelt wird. Ich bin daher nicht dafür, die Verbraucher über eine Abgabe auf Plastikverpackungen zu bestrafen, sondern zu allererst konsequent an einer Verbesserung der Recyclingquoten zu arbeiten.

Wie Sie sehen, ist es mir doch ziemlich schwer gefallen, mich nur kurz zu jeder der sehr komplexen Forderungen zu äußern. Ich könnte jeweils noch viel mehr schreiben, möchte es aber erst einmal dabei belassen. Wenn Sie zu einzelnen Punkten Nachfragen haben, melden Sie sich gerne noch einmal.

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Kolbe, MdB