Frage an Frithjof Schmidt bezüglich Wirtschaft

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Frithjof Schmidt
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Frage von Rainer L. •

Frage an Frithjof Schmidt von Rainer L. bezüglich Wirtschaft

Steuerliche Subventionen an börsenkapitalfinanzierte Unternehmen innerhalb der EU - "Subventions-Heuschrecken"
(aktuell im Januar ´08: Nokia-Standort Bochum, geplanter Produktionsstätten-Umzug nach Rumänien)

Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt,

ich möchte von Ihnen wissen, was die deutschen Grüne-Delegierten im EU-Parlament in ihrem Stimmverhalten gegen "Subventionsheuschrecken" unternehmen.

Die deutschen Steuerzahler sind m.W. immer noch Nettozahler in die Geldtöpfe der Europäischen Union. Wie wirken deutsche EU-Parlamentarier gegen den anhaltenden Umstand , dass deutsche Arbeitnehmer die Wegrationalisierung ihrer eigenen Arbeits- bzw. Einkommensplätze finanzieren?

Das wirft einige Fragen hinsichtlich Mehrfachfinanzierungen deutscher Bundestagsabgeordneter wie deutscher EU-Parlamentarier auf.

Ich danke für Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Rainer M. Liesenfeld

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Liesenfeld,

ich danke für Ihre Frage vom 17.01.2008.

Das Verhalten der Nokia-Führung in der aktuellen Debatte um die Zukunft des Bochumer Werks ist skandalös. Die Schließung des Nokia-Werkes in Bochum, das erhebliche Gewinne und keine Verluste gemacht hat, verstößt gegen Grundsätze einer sozial verantwortlichen Unternehmensführung, wie sie im entsprechenden Verhaltens-Kodex für Unternehmen der OECD festgelegt sind. Ich sehe auch die Europäische Richtlinie zu den Rechten von Betriebsräten verletzt, da Nokia die Belegschaftsvertretung nicht angemessen in seine Entscheidungsprozeße einbezogen hat. Sollte Nokias Fehlverhalten in dieser Hinsicht beklagbar sein, was der Europäische Gewerkschaftsbund gegenwärtig prüft, müssen in dieser Angelegenheit auch die Gerichte sprechen.

Selbstverständlich missbillige ich das Verhalten von anderen Unternehmen, die sich so verhalten, wie Nokia es tut, ebenfalls. Ich setze mich seit langem auf europäischer Ebene für verbindlichere Regeln für eine sozial verantwortliche Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility) ein, damit besser gegen solches Fehlverhalten eines kalten, neoliberalen Kapitalismus vorgegangen werden kann. Leider blockiert seit mehreren Jahren die konservative Mehrheit im Europaparlament die Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie. Hier könnten die Wählerinnen und Wähler bei den nächsten Europawahlen etwas verändern. Die Rechte der Beschäftigten, bzw. ihrer Vertretungen bei Entscheidungen über Standortverlagerungen oder Änderungen der Eigentümerstruktur von Unternehmen müssen gestärkt werden. Hier liegt ein Schlüssel um die offenkundigen Fehlentwicklungen in einer globalisierten Wirtschaft zu korrigieren.

Die Verwendung von Geldern aus den EU-Strukturfonds für eine Produktionsverlagerung nach Rumänien, Ungarn oder Finnland ist nicht zulässig. Die EU-Regeln sind hier eindeutig. Das hat Kommissions-Präsident Barroso klar gestellt und eine Überprüfung des Vorgangs angekündigt. Die zuständige Kommissarin Hübner hat erklären lassen, dass bisher keine Gelder geflossen sind. Die Regeln sind klar: Sollte Nokia zukünftig entsprechende Anträge stellen, muss die Kommission sie ablehnen. Sollten aber doch Gelder geflossen sein, war das unzulässig und das Geld muss zurückgezahlt werden.

Dass auch in Rumänien und Ungarn Gelder des PHARE-Programmes für die Schaffung von Infrastruktur in Industrie-Parks verwendet werden - wie entsprechende Mittel in Deutschland auch - ist grundsätzlich nicht zu kritisieren. Selbstverständlich muss überprüft werden, ob dabei die EU-Richtlinien korrekt eingehalten wurden.

Nokia zu Gute gekommen sind in Deutschland Mittel von Bund, Land und Kommune. Hier ist die sogenannte Bindungsfrist, in der jede Einstellung des Betriebes zur Rückzahlung aller Fördermittel führt, schon abgelaufen. Sie beträgt mindestens fünf Jahre, was zu wenig ist. Die Grünen im EP haben im Dezember 2005 beantragt diese Frist heraufzusetzen auf mindestens sieben Jahre. Dies wurde von einer Mehrheit aus EPP (CDU/CSU) und PSE (SPD) aber abgelehnt. Das habe ich sehr bedauert, da ich persönlich eine Frist von zehn Jahren für richtig halte.

Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, dass es absolut inakzeptabel ist, wenn Unternehmen soziale Belange in ihrer Ausrichtung außer Acht lassen. Deshalb setze ich mich auch für weltweite soziale und ökologische Mindeststandards und klare Regeln für einen fairen Welthandel ein.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Frithjof Schmidt