Fr. Rundschau zu Corona-Impfung: Überschrift: "Risiko von Herzmuskelentzündung ist höher als bisher gedacht." Sollten nicht alle Risiken genau geprüft werden VOR Impfpflichtdebatte?

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Helge Lindh
SPD
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Frage von Adam N. •

Fr. Rundschau zu Corona-Impfung: Überschrift: "Risiko von Herzmuskelentzündung ist höher als bisher gedacht." Sollten nicht alle Risiken genau geprüft werden VOR Impfpflichtdebatte?

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Sehr geehrter Herr N.,

vielen Dank für ihre Frage. Ihre Sorgen und Bedenken verstehe ich. Sie können davon ausgehen, dass die Entscheidung über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht keine einfache war und die Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht keine einfache werden wird. Sie war jedoch notwendig, geboten und das einzig richtige Mittel, um viele weitere Todesopfer zu verhindern und Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorzubeugen. Inwiefern eine allgemeine Impfpflicht notwendig sein wird, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, werden wir in den kommenden Wochen intensiv beraten.

Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und FDP haben gemeinsam einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 erarbeitet und in den Bundestag eingebracht, der in der letzten Sitzungswoche des Jahres 2021 durch Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Das Gesetz sieht eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte vor, die in einer besonderen Nähe zu besonders verletzlichen Personen arbeiten. Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen sollen bis Mitte März 2022 Nachweise über ihren vollen Impfschutz oder eine Genesung vorlegen müssen. Neue Beschäftigte brauchen dies ab dann von vornherein.

Hinter uns allen liegen schwere Monate – Monate, die verbunden waren mit besonderen Einschränkungen des alltäglichen Lebens, Monate in denen tausende Deutsche Familienangehörige verloren haben, Monate in denen die Ärztinnen und Ärzte auf den Intensivstationen an das äußerste Limit ihrer Belastungsgrenze gekommen sind und weiterhin kommen. Wir wollen daher jetzt - an diesem entscheidenden Punkt in der Pandemie - sicherstellen, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Infektionsrisiko und ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben besser geschützt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Die Menschen, die ihnen zur Behandlung, Versorgung, Pflege oder Betreuung anvertraut sind, können sich zum Teil aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen. Leider ist es so, dass Schätzungen zufolge bei medizinischem Personal und Pflegepersonal trotz der vorhandenen Impfangebote noch relevante Impflücken bestehen. Ungeimpftes Personal stellt aufgrund der besonderen Nähe zu den anvertrauten Menschen in Einrichtungen ein zusätzliches Risiko dar. Deshalb wollen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einrichtungsbezogen beispielsweise in Krankenhäusern, Tageskliniken, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Entbindungseinrichtungen und voll- oder teilstationären Pflegeeinrichtungen zum Nachweis einer COVID-19-Impfung verpflichten, sofern keine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung vorliegt. Das ist auch mit unserem Grundgesetz im Einklang. Die Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen SARS-CoV-2 aufweisen zu müssen, berührt zwar das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, auch wenn die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt. Der Eingriff ist aber in der verfassungsrechtlichen Abwägung angemessen, da die überragend wichtigen öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt werden.

Wichtig ist jedoch -- hier ist Klarheit geboten -- dass wir eine allgemeine Impfpflicht mit dieser Gesetzesinitiative nicht vorgesehen haben. Über eine allgemeine Impfpflicht wird der Deutsche Bundestag zeitnah unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise und einer Einschätzung des Ethikrates beraten.

Im Übrigen wird in Deutschland ein Impfstoff nur dann zugelassen, wenn er alle drei Phasen des klinischen Studienprogramms erfolgreich bestanden hat. Diese nationalen und internationalen Qualitätsstandards gelten wie bei allen anderen Impfstoff-Entwicklungen auch bei der Zulassung einer Coronavirus-Impfung. Alle bisher in Europa zugelassenen Impfstoffe bieten einen guten Schutz und werden deshalb von der Ständigen Impfkommission empfohlen.

Es stimmt jedoch auch, dass die sehr frühe Zusage, keine Impfpflicht einzuführen, im Nachhinein irritiert und sicherlich dazu führt, dass Vertrauen in die Verlässlichkeit von Politik verloren geht. Diese Fehleinschätzung müssen wir uns eingestehen. Die AfD versucht diesen Unmut zu instrumentalisieren. Das ist perfide und muss als ein solcher Versuch enttarnt werden. Wir dürfen uns in dieser Pandemie den Kurs aber nicht von den Radikalen und Unbelehrbaren diktieren lassen, sondern notwendige und vernünftige Maßnahmen treffen. Deshalb brauchen wir eine intensive faire Debatte über die Frage der allgemeinen Impfpflicht im Deutschen Bundestag. Durch die aktuelle Situation ist unklar, wann genau das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden kann.

Mit besten Grüßen,

bleiben Sie weiterhin gesund

Ihr

Helge Lindh, MdB

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