Frage an Jan Philipp Albrecht bezüglich Europapolitik und Europäische Union

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Jan Philipp Albrecht
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Frage von Florian B. •

Frage an Jan Philipp Albrecht von Florian B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrte Herr Albrecht,

das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV ist als primärrechtlich vorgeschriebener Regelfall in der Praxis, aufgrund der oftmals langen Dauer von der Einbringung bis zur Verabschiedung einer Rechtsvorschrift, nur schwer anwendbar.

Die abgekürzte Gesetzgebung in Form des informellen Trilogverfahrens gewinnt daher innerhalb der EU immer mehr an Bedeutung. Da die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, entsteht hierbei jedoch ein Zielkonflikt zwischen einer schnellen und effektiven Gesetzgebung einerseits und einem transparenten Gesetzgebungsverfahren andererseits.

1. Wäre es überhaupt möglich und realistisch alle Vorschriften exakt nach den in der AEUV genannten Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden?

2. Sind die Abgeordneten des Parlaments, welche an den Ausschüssen, die die Trilogverhandlungen führen, teilnehmen, gerecht – also nach Partei/Fraktion – verteilt?

3. Ändern diese Triloge etwas an den Machtverhältnissen?

4. Halten Sie dieses Verfahren mit dem primären Gemeinschaftsrecht und den demokratischen Grundsätzen für vereinbar?

5. Könnte in Zukunft solchen Verfahren auch in den einzelnen Mitgliedstaaten
größere Rollen zukommen?

6. Was könnte Ihrer Ansicht nach für mehr Transparenz in einer dennoch
effektiven Gesetzgebung getan werden?

7. 2012 kam es aufgrund von Kritik am Verfahren zu Korrekturen in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. Hat sich dies Ihrer Meinung nach positiv ausgewirkt?

8. Sind Sie der Meinung, dass dem Lobbyismus durch derartige Verfahren - da auf weniger Personen Einfluss genommen werden muss - eine bedeutendere Stellung in der Gesetzgebung zukommt?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen

F. B.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen. Ich freue mich über Ihr Interesse am Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union.

Ich kann Ihre Bedenken gegenüber einer intransparenten Gesetzgebung nachvollziehen. Es stimmt, dass das informelle Trilog-Verfahren in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Der damit einhergehende Transparenzverlust hat das Europäische Parlament 2012 zu der von Ihnen erwähnten Änderung der Geschäftsordnung veranlasst. Dort wurde unter anderem festgelegt, dass der jeweils zuständige Ausschuss des Parlaments ein Mandat zur Aufnahme der Verhandlungen erteilen muss. Außerdem müssen die Verhandlungsführerinnen und Verhandlungsführer regelmäßig im Ausschuss über die Ergebnisse der Verhandlungen Bericht erstatten. Diese Ausschusssitzungen sind öffentlich und werden per Video-Stream bereitgestellt: http://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/committees.

Doch auch wenn diese Änderungen ein wichtiger Schritt waren, setze ich mich als Grüner für mehr Transparenz ein. Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass diese Auffassung bei weitem nicht alle Fraktionen im Parlament vertreten. Besonders von den beiden großen Gruppen würde ich mir hier mehr Offenheit wünschen.

Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass die Rolle des Parlamentes im EU-Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich gestärkt werden sollte. Das Parlament sollte als einzige direkt gewählte Institution der Europäischen Union der zentrale Ort aller europäischen Entscheidungen werden. Hierzu gehört unter anderem das Recht, eigene Gesetzesvorschläge einbringen zu können.

Da Sie auch nach Beispielen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens fragen, möchte ich das Verfahren zur neuen Datenschutzgrundreform als positives Vorbild für den Gesetzgebungsprozess in der Europäischen Union nennen. Das Parlament hat sich in diesem Prozess nach langen Verhandlungen auf ein starkes und einheitliches Datenschutzschutzrecht für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union geeinigt und konnte diese Position auch gegenüber dem Rat durchsetzen.

Wir als Grüne legen viel Wert darauf, allen Perspektiven auf ein Thema Gehör zu schenken. Deshalb treffen wir uns nicht nur mit Vertreterinnen und Vertretern der Industrie, sondern vor allem auch regelmäßig mit solchen der Zivilgesellschaft. Um mehr Transparenz im Bereich der Lobbyarbeit zu schaffen, dokumentieren wir als Grüne Fraktion unsere Treffen im LobbyCal (https://lobbycal.greens-efa-service.eu/all/). Meine Termine finden Sie hier: https://www.janalbrecht.eu/ueber-jan/transparenz/lobbycal-treffen-mit-intere ssenvertreterinnen.html

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen!

Mit freundliche Grüßen
Jan Philipp Albrecht