Frage an Karl A. Lamers bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Karl A. Lamers
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Frage von Manfred D. •

Frage an Karl A. Lamers von Manfred D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Dr. Lamers,

als alter Bekannter frage ich Sie - wenn Sie wieder in den Bundestag gewälhlt werden - wie Sie es denn mit der direkten Demokratie halten? Würden Sie sich dafür einsetzen, d.h. für Volksintitative-begehren-entscheid?
Über Ihre geschätzte Antwort würde ich mich sehr freuen. MfG MHanke.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Hanke,

vielen Dank für Ihre Frage vom 29. Juli zum Thema direkte Demokratie.

Die Frage, inwiefern das System unserer repräsentativen Demokratie mit Volksentscheiden und Volksbegehren sinnvoll ergänzt werden kann, wird regelmäßig diskutiert. Auch ich mache mir natürlich darüber Gedanken. Aus meiner Sicht gibt es für beide Sichtweisen gute Argumente, die sorgfältig abgewogen werden müssen.

Auf dem Bundesparteitag in Essen im vergangenen Dezember hat sich die CDU gegen Volksentscheide auf Bundesebene ausgesprochen. Dieser Beschluss spiegelt insbesondere die Besorgnis wider, dass bei einem bundesweiten Volksentscheid eine unsachgemäße Verkürzung von Sachthemen auf eine Ja/Nein-Frage entstehen könnte. Es besteht die Gefahr, dass eine Entscheidung nach populistischem Wahlkampf eher auf emotionaler als sachlicher Ebene herbeigeführt werden könnte.

Gesetzgebungsverfahren haben sich über die Jahre hinweg zu einem ausdifferenzierten Verfahren entwickelt. Widerstreitende Interessen werden aufgenommen, kanalisiert und diskutiert. Jedes Gesetz wird mehrmals im Plenum sowie in den zuständigen Ausschüssen beraten. Hinzu kommen öffentliche Anhörungen und Fachgespräche. Damit wird dafür gesorgt, dass alle Seiten Gehör finden und die entsprechende Sorgfalt im Gesetzgebungsprozess gewahrt bleibt. Dies kann ein Volksentscheid nicht leisten.

Das Grundgesetz beschreibt unser Land in Artikel 20, Absatz 2 als repräsentative Demokratie. Ein Recht auf Volksabstimmung ist lediglich für den Fall einer Neugliederung des Bundesgebiets (Artikel 29, Absatz 2) oder die Schaffung einer neuen Verfassung (Artikel 146) vorgesehen.

Mit dem Modell der repräsentativen Demokratie ist Deutschland über Jahre hinweg erfolgreich gewesen. Selbst unpopuläre und kontroverse Maßnahmen, wie der NATO-Doppelbeschluss, wurden letztlich akzeptiert.

Auf Bundesebene spricht daher vielleicht doch manches dafür, über Fragen dieser Tragweite und Komplexität nicht in einem Volksentscheid abzustimmen. Anderes sieht es auf kommunaler Ebene aus. Hier sehe ich durchaus Chancen und Möglichkeiten, direkte Bürgerbeteiligung zuzulassen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers