Frage an Lothar Binding bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Lothar Binding
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Frage von Markus H. •

Frage an Lothar Binding von Markus H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Binding,
dem Jahresbericht der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) entnehme ich, daß Sie dort Mitglied im Aufsichtsrat sind.

Am Mo, 9.1.2012 um 20:15 wurde in der ARD in einem Dokumentarbeitrag über die Geschäftspraktiken der führenden deutschen Discounter - hier am Beispiel Lidl, auch die GIZ sehr negativ erwähnt.
Konkret geht es um eine Initiative der GIZ in Bangladesch. Dort wird ein sog. medizinischer Service für Textilarbeiter von Fabriken, die für Lidl Kleidung produzieren, unterstützt. Die Arbeiter erhalten im wesentlichen Vitaminpräparate.
Ursache ihrer medizinischen Probleme sind dramatische Unterernährung und Mangelerscheinungen, da sie mit ihrem Monatslohn - inkl. Überstunden - von ca. 30-40 Euro, selbst für dortige Verhältnisse trotz Vollerwerb in einer 6-Tage-Arbeitswoche unter der Armutsgrenze liegen.
Würde Lidl hingegen faire Löhne bezahlen, müßten die ArbeiterInnen nicht hungern und wären nicht unterernährt.

Mich interessiert, was die GIZ gegen solchen Gestaltungsmißbrauch von Entwicklungshilfe unternimmt?

Werden von der GIZ Steuergelder eingesetzt, um Lidl Lohndumping zu ermöglichen?

(Kausalkette: Steuergelder zur Unterstützung von Ausbeutung und Lohndumping durch Lidl- höhere Gewinne für Lidl in Deutschland- für die Lidl, dank eines weiteren Gestaltungsmißbrauchs in der Rechtsform als Lidl-Stiftung – anderes Thema - in Deutschland keine Steuern bezahlt!)

Mit freundlichen Grüßen,

M. H.

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Sehr geehrter Herr Hahnel,

vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie die in einer eine ARD Sendung beschriebenen Zustände über Entwicklungshilfe durch die GIZ in Bangladesch beklagen. Auch ich halte es natürlich für sehr wichtig, dass Steuergelder nicht für Lohndumping eingesetzt werden.

Da ich die von Ihnen genannte ARD-Dokumentation über die Geschäftspraktiken der Firma Lidl nicht sehen konnte, habe ich mich an den Vorstand der GIZ gewandt und um eine Stellungnahme gebeten. Anbei schicke ich Ihnen die Antwort von Herrn Dr. Christoph Beier, Vorstandsmitglied der GIZ:

„Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH setzt sich weltweit für die Umsetzung und Verbesserung von sozialen und ökologischen Standards ein. Die GIZ arbeitet dabei sowohl im Auftrag öffentlicher Auftraggeber als auch privatwirtschaftlicher Unternehmen.

Bei den in der ARD-Dokumentation vom 09. Januar 2012 erwähnten Aktivitäten der GIZ in Bangladesch handelt es sich um Maßnahmen im Rahmen eines Projekts der Lidl Stiftung & Co. KG (im weiteren „Firma Lidl“ genannt) zur Verbesserung der Sozialstandards in ihren Zulieferbetrieben in Bangladesch. Die Firma Lidl hat die GIZ mit der Durchführung dieses Projekts, das derzeit sechs Betriebe aus dem Pool aller Zulieferbetriebe der Firma Lidl in Bangladesch umfasst, beauftragt. Der Auftrag wird vollständig von der Firma Lidl finanziert und nicht durch Steuergelder bzw. öffentliche Mittel getragen.

Das Projekt organisiert in Zusammenarbeit mit einer lokalen NRO einen mobilen Gesundheitsdienst, der Arbeiterinnen und Arbeiter der ausgewählten sechs Betriebe während ihrer Arbeitszeit eine kostenlose medizinische Grundversorgung zur Verfügung stellt. Dazu gehören medizinische Untersuchungen, die kostenfreie Vergabe von Medikamente z.B. gegen Magen-Beschwerden und Atemwegserkrankungen, die kostenfreie Überweisung von Patienten in Krankenhäuser sowie eine allgemeine Gesundheitserziehung zu Themen wie Körperhygiene, übertragbare Krankheiten und Müttergesundheitsvorsorge. Nahrungsergänzungsmittel werden nur schwangeren Patientinnen bereit gestellt, um den bei Schwangerschaften allgemein verbreiteten, deutlich erhöhten Eisen- und Vitaminbedarf zu decken und das Risiko für Mutter und Kind zu verringern. Anders als in der ARD-Dokumentation dargestellt, steht die Vergabe von Vitaminpräparaten nicht im Zentrum der medizinischen Versorgungsleistungen.

Neben Gesundheitsdiensten führt das Projekt auch Trainings- und Beratungsmaßnahmen für das Management der Zulieferbetriebe durch, um die Umsetzung von Sozialstandards in den von dem Projekt betreuten Betrieben zu verbessern. Löhne und Überstunden stellen große Herausforderungen bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen dar. So entspricht der in den sechs Projektbetrieben ausgezahlte Lohn zwar den gesetzlichen Mindestanforderungen in Bangladesch; zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter reicht der gesetzliche Mindestlohn allerdings in aller Regel nicht aus. Die Firma Lidl hat daher die GIZ im Rahmen des Projekts erstmals mit einer Pilotmaßnahme beauftragt, wonach eine von der Firma Lidl finanzierte Bonuszahlung an alle Mitarbeiter eines ausgewählten Zulieferbetriebs direkt von der GIZ an die Mitarbeiter ausgezahlt wurde. Auf Basis der Erfahrungen dieser einmaligen Maßnahme berät die GIZ die Firma Lidl und die Projektbetriebe nun, wie die Entlohnung der Arbeiterinnen und Arbeiter durch die Zulieferbetriebe selbst nachhaltig verbessert werden kann. Zudem unterstützt das Projekt die korrekte (d.h. doppelte) Bezahlung der Überstunden und hält diese durch regelmäßige Fabrikbesuche nach. Die Firma Lidl erhofft sich, dass durch dieses Projekt andere Discounter aus Industrieländern zu ähnlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in ihren Zulieferbetrieben in Entwicklungs- und Schwellenländern angeregt werden.

Das Projekt hat bei der verbesserten Umsetzung von Sozialstandards in den ausgewählten Projektbetrieben bis zu seiner Laufzeitmitte Ende 2011 bereits gute Fortschritte erzielt: So konnten die Gesundheitsbedingungen und die Arbeitssicherheit für Arbeiter und Arbeiterinnen deutlich verbessert werden. Desweiteren gibt es keine Kinder- und Zwangsarbeit mehr. Sexuelle Diskriminierung konnte während der gesamten Laufzeit des Projekts in den Betrieben nicht festgestellt werden. Das Arbeitszeitvolumen liegt in vielen der sechs Projektbetriebe jedoch noch oftmals über dem gesetzlich zugelassenen Limit von 10 Arbeitsstunden (inklusive Überstunden) pro Tag. Durch Beratung und regelmäßige Fabrikbesuche durch das GIZ-Projektteam konnten bereits erste Erfolge bei der Reduzierung der nicht-gesetzlichen Überstunden in den Betrieben erzielt werden.

Beratungsmaßnahmen der GIZ im weiteren Projektverlauf werden daher darauf abzielen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen in den Projektbetrieben weiter zu verbessern“.

Soweit das Zitat. Ich hoffe sehr, dass ich Ihr Anliegen mit dieser Antwort konstruktiv aufgreifen konnte.

Mit freundlichen Grüßen, Lothar Binding