Frage an Lothar Binding bezüglich Finanzen

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Frage von Andreas R. •

Frage an Lothar Binding von Andreas R. bezüglich Finanzen

Lieber Herr Binding,
in Anknüpfung an die Frage vom 05.02.21, 15:40:

Die Abgeltungssteuer bevorzugt privates Einkommen aus Vermögen gegenüber Arbeitseinkommen. Gleichzeitig wurden (auch für Kleinsparer) die Werbungskosten für Anlagen und die sog. "Spekulationsfrist" auf abgeschafft. Wer Aktien längerfristig hält ist jedoch typischerweise kein Zocker (viele Anlagestrategien sehen jährliche Anpassungen vor). Auch für Lebensversicherungen zur Altersvorsorge gilt die Steuerfreiheit nach 12 Jahren nicht mehr.

Dies ist m.E. insgesamt nicht (sach)gerecht, daher folgende Fragen

- Befürworten Sie eine Anhebung der Abgeltungssteuer, z.B. auf 45%, obwohl dies viele Bürger mit niedrigerem Steuersatz ab Überschreitung des Sparerfreibetrags zur Abgabe einer Steuererklärung zwingen würde um die zuviel bezahlte Steuer zurückzubekommen?
- Würden Sie die, einst durch Peer Steinbrück (SPD) eingeführte, Abgeltungssteuer gerne wieder abschaffen? Würden Sie im Zuge dessen auch die anderen Nachteile für Kleinsparer, u.a. das Verrechnungsverbot für Werbungskosten wieder rückgängig machen?
- Was halten Sie von einer Wiedereinführung der "Spekulationsfrist" in Form einer "Altersvorsorgefrist" von z.B. 5 Jahren nach deren Ablauf Gewinne von bis zu 50.000 EUR p.a. steuerfrei realisiert werden dürfen um den eigenen Lebensunterhalt im Alter zu bestreiten?
- Wie wären getrennte Töpfe für Vermögenseinkünfte weiter zu rechtfertigen, wenn diese künftig steuerlich gleich behandelt würden wie Arbeitseinkommen?

Ergänzend noch zu "Gamestop":
- War an dem "Chaos" nicht eher die Gier der Hedgefonds schuld (Shortquote > 100%) als private Anleger?
- Inwieweit betreffen Spekulationen auf Nebenwerte in USA die Altersvorsorge deutscher Bürger?
- Wie groß war der Schaden im Vergleich zu Wirecard und dem Versagen von BMF und Bafin?
- Wo sehen sie die Grenze zwischen freiem Meinungsaustausch und Kursmanipulation?
- Ist Marktmanipulation in D nicht schon verboten?

Grüße
A. Rau

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Sehr geehrter Herr Rau,

vielen Dank für Ihr Fragen zur Besteuerung von Kapitaleinkünften und Schwarmspekulationen. Sie sind in der jüngeren Vergangenheit ja bereits als fleißiger Fragesteller in Erscheinung getreten, etwa hier auf Abgeordnetenwatch oder per E-Mail. In meiner Antwort fasse ich die einzelnen Fragen zusammen. Inhaltlich gibt es Überschneidungen zu der vorangegangenen Frage von Herrn Müller, daher zitiere ich teilweise aus meiner Antwort. Sie verstehen sicher, dass ich meine Dialoge mit einzelnen Bürgern so justieren möchte, dass jeglicher Verdacht einer Benachteiligung aller anderen Bürgerinnen und Bürger ausbleibt. So lässt sich auch der Eindruck vermeiden, einzelne Bürger würden in egoistischer Weise Abgeordnete besonders in Anspruch nehmen – und die Tatsache auch.

Zu Ihrem Fragenkomplex Abgeltungsteuer:
Die Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 war sinnvoll, weil es zu dieser Zeit vielfach Steuerflucht in Bezug auf Kapitalerträge gab. Sie kennen sicher den Satz des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück: „Lieber 25 Prozent auf X, als 42 Prozent auf nix.“ Das war damals eine kluge Aussage. Inzwischen konnte die Steuerflucht bei Kapitalgewinnen aber deutlich eingedämmt werden, u.a. durch den automatischen Informationsaustausch zwi-schen den Finanzbehörden vieler Staaten.

Daher ist es fair und gerecht, Kapitalgewinne wieder im Einkommensteuertarif zu versteuern. Sie schreiben: „Befürworten Sie eine Anhebung der Abgeltungssteuer …“ Diese Frage ist erst sinnvoll, wenn wir Erträge wie folgt differenzieren: Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne. Dabei muss u.a. berücksichtigt werden, dass Aktien bereits auf Ebene des Unternehmens mit Körperschaft- und Gewerbesteuer belastet sind. Wir sprechen von einer Vorbelastung auf Unternehmensebene i Höhe von etwa 30 Prozent. Auch über die weitere Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitaleinkünften im Einkommensteuertarif muss in Ruhe nachgedacht werden, eilfertige Überlegungen sind nicht sinnvoll. Früher gab es recht komplizierte Anrechnungsverfahren und Sonderregelungen, die Sie auch ansprechen. In welcher Kombi-nation neue Regelungen im Kontext der Integration der Abgeltungsteuer in die Einkommens-teuer sinnvoll sind, entscheidet das Parlament zu gegebener Zeit.

Zu Ihrem Fragenkomplex Schwarmspekulationen:
Auf den Finanzmärkten soll stets eine faire Preisbildung stattfinden. Marktmanipulationen jedweder Art verzerren die Preisbildung und müssen unterbunden werden und sind nicht zu-lässig. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass z.B. Hedgefonds ihre Marktmacht in unfairer Weise eingesetzt haben. Wenn auf Seiten der Privatanlegerinnen und –anleger durch Schwarmspekulationen als Reaktion auf die Hedgefonds ebenfalls unfaire Handelspraktiken eingesetzt werden, wäre dies natürlich der falsche Weg. Die Antwort auf manipulatives Verhalten darf nicht manipulatives Verhalten sein. Dies würde die Volatilität auf den Finanzmärkten in bedenklichem Ausmaß erhöhen und kurzfristige Spekulationen weiter anheizen.

Als Reaktion auf die Schwarmspekulationen hatten einige sogenannte Online-Broker, wie z.B. RobinHood (USA) oder Trade Republic (Deutschland), den Handel mit der GamesStop-Aktie eingeschränkt, so dass z.B. nur noch Verkäufe, aber keine Käufe mehr möglich waren. In der Folge wird nun diskutiert, ob es sich bei diesen Vorgängen möglicherweise ebenso um Marktmanipulationen handelt.

Wir brauchen auch hier eine starke Finanzmarktaufsicht, die für Transparenz und die Einhaltung der Handelsregeln auf den Märkten sorgt. Institutionelle Anleger wie Hedgefonds müssen besser reguliert werden und wahrscheinlich sind auch für Leerverkäufe strengere Regeln nötig.

In Bezug auf die Online-Broker muss die Finanzaufsicht genau untersuchen, wie die Handelsbeschränkungen zu bewerten sind und ob diese unter Umständen auf den Einfluss der von der Schwarmspekulation negativ betroffenen Hedgefonds zurückzuführen sind. Die Dienstleistungen der Broker müssen auch bei vermehrter Handelsaktivität zur Verfügung stehen und die Handelsregeln müssen eingehalten werden.

Solange in bestimmten Märkten nach dem Motto gehandelt wird, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, werden Leute über Verbote nachdenken und diese jeweils „von der Politik fordern“.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Antwort auch dieses Mal weiterhilft.

Mit freundlichen Grüßen, Lothar Binding