Inwiefern setzen Sie sich für queerinklusive Bildung deutschlandweit und für einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit ein?

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Marianne Burkert-Eulitz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Benedict W. •

Inwiefern setzen Sie sich für queerinklusive Bildung deutschlandweit und für einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit ein?

1) Die Bundesförderung queerer Antidiskriminierungsarbeit hat im Rahmen von Demokratie leben! aktuell Projektcharakter. Aber Bildung ist eine Daueraufgabe. Inwiefern setzen Sie sich für nachhaltige und langfristige Förderung von Vernetzung und Professionalisierung und Ausbau dieser Arbeit ein?

2) Ein Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit muss mit starken Maßnahmen auch im Bereich Bildung ausgestattet sein. Inwiefern setzen Sie sich für solche Maßnahmen (z.B. Antidiskriminierungsbeauftragte, adäquate Lehramtsausbildung und Lehrmaterial, Recht auf Transition im Schulumfeld, etc.) ein?

3) Inhalte von Lehrplänen – auch zu Antidiskriminierung, sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – sind Länderentscheidung. Dennoch gibt es die Möglichkeit, hier z.B. durch Empfehlungen der KMK auf Bundesebene Impulse zu setzen. Inwiefern setzen Sie sich für queerinklusive Bildung deutschlandweit ein?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Fragen an mich und Ihr damit verbundenes Interesse an Grüner Queer- und Bildungspolitik.

Ich möchte meiner Antwort vorwegnehmen, dass für uns Grüne Queerpolitik, Diversity und Antidiskriminierung schon lange, wenn nicht gar seit Parteigründung eine zentrale Rolle in unserer politischen Agenda spielen. Nur eine vielfältige, bunte und offene Gesellschaft ist eine gute Gesellschaft! Dabei verfolgen wir immer einen umspannenden, ganzheitlichen und intersektionalen Ansatz.

zu 1.)

Im Antrag "Vielfalt leben – Bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auflegen“ ( https://dserver.bundestag.de/btd/19/102/1910224.pdf ), den unsere Bundestagsfraktion im Mai 2019 in den Bundestag eingebracht haben, fordern wir: "Im Dialog mit allen betroffenen gesellschaftlichen Gruppen, einschließlich Religionsgemeinschaften, Sportverbänden, Sozialpartnern, Verbänden von Migrant*innen, Organisationen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen, sollen gesamtgesellschaftliche Strategien zur Förderung der Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen entwickelt und umgesetzt werden. Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ soll ein neuer fester Bestandteil „Vielfalt leben!“ verankert werden, der deutschlandweit Projekte, die sich für ein vielfältiges, gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Identitäten einsetzen, fördert. Um eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von LSBTI zu ermöglichen, ist die Stärkung der Zivilgesellschaft in der Auseinandersetzung mit LSBTI-Feindlichkeit und Mehrfachdiskriminierung notwendig. Dafür braucht es eine langfristige Strukturförderung für Verbände, die seit Jahren komplett oder zum Teil nur dank des ehrenamtlichen Engagements ihrer Mitglieder funktionieren. Für Selbstorganisationen von LSBTI sind zudem Fördermittel zum Strukturaufbau und für Empowerment-Strategien zur Verfügung zu stellen."
Hierzu wird es, sollte der Bund diese Strukturen nicht schaffen können oder je nach neuer Koalition nicht schaffen wollen, landespolitischer Anstrengungen bedürfen. Unter anderem die von uns Grünen mitinitiierte Berliner Initiative für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (IGSV) hat hierfür gute und wichtige, eigene Standards gesetzt, an die wir anknüpfen können.

zu 2.)

Themen wie Diversity, Antidiskriminierung, LSBTI-Feindlichkeit und Mehrfachdiskriminierung, Akzeptanz unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Identitäten und Lebensweisen müssen verbindlicher Bestandteil der Aus- und Fortbildung von Pädagog*innen, (Schul-)Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen sowie von in Jugendarbeit und Jugendhilfe Beschäftigten integriert sein. Berlin folgt diesem Verständnis bereits, jedoch wollen wir uns angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen und einer gestiegenen Anzahl an Vorfällen queerfeindlicher Gewalt in allen Bereichen der Gesellschaft nicht darauf ausruhen. Queerfeindlichkeit geht uns alle an und muss uns allumfassend bekämpft werden. Hierfür bedarf es in der neuen Legislaturperiode zusätzlicher Strukturen in der Senatsverwaltung für Bildung, aber auch den bezirklichen Schulämtern. Wir wollen Unterricht etablieren und Lehrmaterialien zur Verfügung stellen, in denen unterschiedliche Familienformen und Lebenskonzepte gleichermaßen abgebildet und gewürdigt werden und in denen über alle Formen von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus und die Stigmatisierung psychischer Krankheiten aufgeklärt wird. Im Lehrplan soll eine verbindliche, kritische Auseinandersetzung mit Kolonialismus und rassistischen und anderen diskriminierenden Stereotypen verpflichtend verankert werden. Sexuelle Bildung muss über biologische Aufklärung hinausgehen und gezielt auch weibliche Sexualität behandeln. Queere Sexualität und die Aufklärung aller Geschlechter zu Themen der Einvernehmlichkeit und Emanzipation müssen enttabuisiert und umfassend in den Unterricht integriert werden. Dafür werden wir die Fachstellen für queere Bildung und für intersektionale Bildung weiter stärken. Von diesem Weg wollen wir als Land Berlin auch andere Bundesländer überzeugen, die hier bislang deutlich zu zögerlich agiert und wertvolle Zeit verloren haben.

zu 3.)

Bei den Bundesländern soll dafür geworben werden, dass Lehrpläne in den Bildungseinrichtungen um Themen wie die Vielfalt sexueller Orientierungen, geschlechtlicher Identitäten und Geschlechtervielfalt, die Geschichte Homo- und Transsexueller in Deutschland und Menschenrechtsbildung auch in Bezug auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen erweitert werden. Dazu sollen Kenntnisse für ein Demokratieverständnis vermittelt werden, das Kinder und Jugendliche selbstbewusst und frei von LSBTI-feindlichen Einstellungen handeln lässt.

Auch Berlin kann sich hier sicherlich noch deutlich breiter aufstellen und so eine Vorbildfunktion für die übrigen Bundesländer einnehmen, um als best-practice-Beispiel eine Orientierung auf dem Weg zu einer gesellschaftsinkluiven Bildung bereit zu stehen. Wir Grünen haben uns jedenfalls in den letzten Jahren sehr dafür stark gemacht, die Haushaltsmittel für die entsprechenden Bereiche deutlich zu erhöhen und werden das auch weiterhin tun.

Mit freundlichen Grüßen
Marianne Burkert-Eulitz

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