Frage an Oliver Krischer von Leo W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Moin.
Wie kommt's eigentlich, dass die Grünen gegen Gentechnik sind?
An und für sich sind Pudel zum Beispiel auch nur Wölfe, die durch zufällige Genmutationen und gezieltes Züchten über die Jahrtausende zu dem geworden sind, was wir heute haben. Auch diverse andere Nutz- und Haustiere wie Kühe und Schweine haben mit ihren wilden Gegenstücken genetisch nicht mehr so viel zu tun. Noch härter wird bei Äpfeln eingegriffen, die verschiedenen Apfelsorten werden via Pflanzenveredelung geklont.
Gentechnik ist quasi nur die moderne Erweiterung dieser Techniken: Statt zufälliger Mutationen, die langsam aber sicher in eine Richtung selektiert werden, wird eine genaustens bestimmte Sequenz im Erbgut verändert. Bei Menschen könnte dies Erbkrankheiten ausmerzen, allerdings auch verwendet werden, um bestimmte körperlichen Eigenschaften zu erzwingen (Designerbaby) - und dieses Ethik-Fass möchte ich gerade nicht öffnen. Zurück zu den Pflanzen:
Gentechnisch manipulierte Pflanzen könnten die effektivere C4-Photosynthese statt der C3 verwenden und damit bei weniger Platz- und Düngaufwand die gleiche Ernte liefern - was die Flüsse freuen würde -, sie könnten einen eingebauten Schutz gegen Käferbefall haben und damit das Giftspritzen komplett überflüssig machen - was die Bienen freuen würde - und sie könnten unfruchtbar gemacht werden, womit die veränderten Pflanzen sich nicht von allein ausbreiten könnten - was Monsato freuen würde - oder eben auch nicht - was Bauern freuen würde, die Teile ihrer Ernte gerne als Saatgut selbst verwenden würden.
Oder in anderen Worten: Soweit ich das sehen kann, greift Gentechnik zwar stärker in die Landwirtschaft ein, schützt aber die Umwelt. Und wenn etwas die Umwelt schützt und dazu noch durch diverse Studien als gesundheitlich unbedenklich eingestuft wurde, müsste das doch eigentlich von den Grünen unterstützt werden. Wird es aber nicht. Warum?
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für diese spannende Frage.
Durch Presseberichte ist zuletzt öffentlich der Eindruck entstanden, wir Grüne hätten eine undifferenzierte, ideologisch ablehnende Haltung zur Gentechnik. Das Gegenteil ist – zumindest seit ca. 20 Jahren – der Fall. So gab es bereits 2001 einen sehr differenzierten Beschluss der Bundestagsfraktion, der nicht nur unsere Positionierung in der Regierungszeit festgelegt hat, sondern in seinen Grundlagen bis heute die Grüne Politik auf Bundesebene bestimmt. Alle weiteren Detailbeschlüsse haben sich daran orientiert (in manchen Bereichen wie der Gendiagnostik hat sich seither ja viel getan). Für uns gilt darum: Die grüne Haltung zu allen Anwendungen der Gentechnik misst sich an klaren Kriterien, wie z.B.:
- ethische Fragen (z.B. keine Manipulation des menschlichen Genoms)
- Nutzen für Mensch und Umwelt (wie z.B. in der Medizin oder Enzymproduktion)
- Freisetzungen nur bei Unbedenklichkeit für die Umwelt (große Probleme in der Agrogentechnik).
Nach diesen Kriterien haben wir z.B. insbesondere Fortschritte der Gentechnik in der Medizin seit langem unterstützt.
Sehr kritisch sind wir nach wie vor bei der Agrogentechnik, die bisher noch kein Produkt vorweisen kann, das wirklich den Menschen oder der Umwelt hilft. Grundsätzlich gilt für uns, dass alle gentechnischen Veränderungen durch das Gentechnikgesetz reguliert und damit vor Zulassung und Anwendung umfassend geprüft werden müssen um Risiken für Mensch und Umwelt so weit wie möglich auszuschließen. Denn die Gentechnik an sich ist weder gut noch schlecht für die Umwelt. Sie stellt in jedem Fall Chancen dar, birgt aber mindestens genauso viele Risiken. Daher ist für uns eine differenzierte Betrachtung essentiell.
Mehr zu unseren Positionen im Einzelnen finden Sie hier: www.gruene-bundestag.de/gentechnik.html
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer