Frage an Ute Koczy bezüglich Verbraucherschutz

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Ute Koczy
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Daniel S. •

Frage an Ute Koczy von Daniel S. bezüglich Verbraucherschutz

Hallo,

ich möchte einfach mal die Gelegenheit nutzen und mir ein direktes Meinungsbild machen, wie sie persönlich das derzeit stark diskutierte "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" beurteilen, also ob sie es befürworten oder ablehnen und aus welchem Grund sie diese Meinung vertreten und ob sie sich generell stärker mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben/sich dafür interessieren!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Daniel Seidel,

ich danke Ihnen für die Frage. Und vorne weg: ich habe im Deutschen Bundestag gegen das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" gestimmt.

Ich möchte Ihnen das gerne erläutern: Für mich ist sexueller Missbrauch und die sexualisierte Gewalt und Ausbeutung von Kindern strikt zu verhindern. Seit Jahren kämpfen wir Grüne dafür, dass sich in Deutschland endlich etwas wirksam verändert und Kinderpornographie im Internet strafrechtlich verfolgt wird.

Die Diskussion über einen geeigneten Weg für ein wirkungsvolles Vorgehen gegen Kinderpornografie schlägt immer noch hohe Wellen. Eine beeindruckende Petition von über 130.000 Menschen protestiert gegen das Projekt der Bundesregierung. Anders als die Bundesregierung sind wir Grüne davon überzeugt, dass eine Bekämpfung mit rechtsstaatlichen Mitteln möglich ist. Auch nach seiner Überarbeitung wird der von der großen Koalition vorgelegte Gesetzentwurf diesem Anspruch nicht gerecht. Er fällt auch in seiner jetzigen Fassung durch den Rechtsstaat-TÜV.

Das neue Gesetz wirft eine ganze Reihe weiterer schwerwiegender Fragen auf, die alle Bürgerinnen und Bürger betreffen, die das Internet nutzen. So führt die jetzt vorgeschlagene Lösung nicht etwa zu einer Löschung der kinderpornografischen Seiten. Faktisch geht es um eine Umleitung der Benutzer auf ein Stoppschild -- die Kinderpornografieseite selbst bleibt im Netz und mit einigen einfachen Tricks auch weiterhin auffindbar. Das Bundeskriminalamt (BKA) geht davon aus, dass mit einem solchen Stoppschild rund 80 Prozent Gelegenheits- oder Zufallskonsumenten von entsprechenden Seiten ferngehalten werden können.

Die rechtlichen Grundlagen des Gesetzes stimmen an keiner Stelle. Der Bund ist für diese Gesetzgebung nicht zuständig und das BKA ist für die Umsetzung der Aufgaben nicht die geeignete Institution. Es überschreitet seine Funktion als Zentralstelle und schafft eine ständige Beschlagnahmemöglichkeit für die Polizei, ohne richterliche Kontrolle. Das passt nicht in unser Rechtssystem. Das BKA ist eine Behörde, die dem Bundesinnenminister untersteht. Es soll sich in Zukunft praktisch selbst bevollmächtigen. Hier muss man sich die Frage stellen: Wer ist der Gesetzgeber, das BKA oder der Deutsche Bundestag? Diese präventive Polizeitätigkeit als "Recht der Wirtschaft" zu verkaufen, ist ein verfassungsrechtlicher Etikettenschwindel.

Es ist auch ein Unding, wenn der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gesetzlich verpflichtet wird, ein Kontrollgremium zu ernennen. Diese Einrichtung ist offenkundig eine Staffage und stellt keine wirkliche Aufgabenkontrolle des BKA dar. Eine richterliche Anordnung ist dem gegenüber nicht vorgesehen. So geht die große Koalition mit dem Rechtsstaat um.

Ich bin offen für jede Diskussion über die wirksame Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet. Dieses Gesetz bietet dafür aber keine geeignete Grundlage. Deswegen habe ich es abgelehnt.

Und noch etwas: zu einer wirklichen Bekämpfung des Problems Kinderpornografie gehört meiner Ansicht nach die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung in internationaler Zusammenarbeit. Dafür bedarf es natürlich einer besseren personellen und organisatorischen Ausstattung der zuständigen Behörden sowie der Bereitschaft zu international verbindlichen Vereinbarungen. Außerdem sind Aufklärung in der Sozialarbeit, in Bildungseinrichtungen und in der Familienbetreuung sowie zusätzliche Betreuungsangebote für Betroffene notwendig.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Koczy MdB