Frage an Ute Vogt bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ute Vogt
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Frage von Stortz M. •

Frage an Ute Vogt von Stortz M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend Frau Vogt,
Sie wissen bestimmt, was ihr Parteikollege Jörg Steinbach gestern Abend in der rbb Talkshow Wir Müssen Reden gesagt hat: "Ich würde mich freuen, wenn die Eltern ihre Kinder auch mal wieder richtig kennengelernt haben“. Mit keinem Wort irgendein Verständnis gegenüber Familien, die unter der Mehrfachbelastung Homeoffice, Homeschooling, Betreuung von kleinen Kindern, (evtl. sogar behinderten Kindern) sich von Tag zu Tag retten. Jobverlust, weil der Arbeitgeber kündigt, weil sonst die Kinder allleine zu Hause ohne Betreuung wären, das alles und noch viel mehr ist die Realität für einen Großteil der Bevölkerung. Und Ihr Parteikollege vergleicht den aktuellen Zustand quasi mit geruhsamen Sommerferien.
Meine Frage: sehen Sie das genauso? Was gedenken Sie zu tun, angesichts der Situation in den Familien?
Ich würde mich über eine Stellungnahme freuen,
mit besten Grüßen,
M. S.

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SPD

Sehr geehrter Herr Stortz,

danke für Ihre Frage.

Ich teile die Ansicht nicht, habe die Talkshow aber auch nicht gesehen. Ihre Anfrage gibt mir die Gelegenheit auszuführen, was wir für Familien in der aktuellen Situation getan haben:

Familien sind von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie besonders betroffen. Deshalb haben wir mit dem Kurzarbeitergeld, den Regelungen zur Lohnfortzahlung bei Schließung von Kitas und Schulen und beim Elterngeld, dem Notfall-Kinderzuschlag sowie dem erleichterten Zugang zur Grundsicherung wichtige Maßnahmen beschlossen, um gerade auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbständige mit Kindern zu unterstützen.

Wir haben eine Entschädigungsregelung für erwerbstätige Eltern eingeführt, wenn ihre Kinder das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und deshalb auf Hilfe angewiesen sind. Sie haben zukünftig einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können, weil die Kita oder die Schule geschlossen werden musste und keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit verfügbar ist. Damit mildern wir die Sorgen vor einem Verdienstausfall.

Mütter und Väter sollen wegen der Corona-Pandemie keine Nachteile beim Elterngeld haben. Grundlage für die Höhe des Elterngeldes ist normalerweise das durchschnittliche Nettoeinkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt. Die geltenden Regelungen zum Elterngeld sind auf diese besondere Situation nicht zugeschnitten. Sie werden deshalb für betroffene Familien zeitlich befristet angepasst, um Mütter und Väter in der aktuellen Lage weiter effektiv mit dem Elterngeld zu unterstützen.

Für den Fall, dass das Einkommen in der Corona-Krise nicht für die gesamte Familie reicht, haben wir den Kinderzuschlag (KiZ) zu einem „Notfall-KiZ“ erweitert. Er soll Familien helfen, die kurzfristig ein geringeres Einkommen haben und deswegen Unterstützung benötigen. Bei Anträgen das Einkommen der Eltern nicht anhand der vergangenen sechs Monate, sondern nur anhand des letzten Monats geprüft. Damit können kurzfristige Einkommenseinbußen abgefedert werden.

Bisherige Bezieherinnen bzw. Bezieher des Kinderzuschlags, die den Höchstsatz von 185 Euro erhalten, bekommen die Leistung für weitere sechs Monate automatisch verlängert. Sie müssen keine neuen Nachweise erbringen. Das entlastet auch die Familienkasse, um die Anträge für den Notfall-KiZ zu bearbeiten.

Wer zwischen dem 01.03.-30.06.2020 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung stellt und dabei erklärt, über kein erhebliches Vermögen zu verfügen, erhält SGB-II-Leistungen (u. a. ALG II). Erst nach Ablauf von sechs Monaten gelten wieder die üblichen Vorschriften. Auch Folgeanträge werden unbürokratisch für sechs Monate weiterbewilligt. Zudem werden in den ersten 12 Monaten des Grundsicherungsbezugs die Ausgaben für Wohnung und Heizung in tatsächlicher Höhe anerkannt.

Wer wegen der Corona-Pandemie Probleme hat, die laufende Miete für Wohn- beziehungsweise Gewerbeflächen zu begleichen, darf nicht gekündigt werden. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum zwischen dem 01.04.-30.06.2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen sind. Unter gewissen Umständen kann auch ein Anspruch auf Wohngeld geltend gemacht werden, wenn jemand wegen der Corona-Pandemie nicht mehr die laufenden Wohnkosten begleichen kann.

Menschen mit niedrigen Einkommen werden über das Wohngeld bei den Heizkosten entlastet. Mit dem neuen Gesetz wird das Volumen des Wohngeldes ab dem Jahr 2021 um zehn Prozent erhöht. Die Entlastung erfolgt zum 01.01.2021 in Form eines CO2-Zuschlags und wird nach der Haushaltsgröße gestaffelt. Da das Wohngeld vom Einkommen abhängig ist, fällt die Erhöhung bei Haushalten mit besonders niedrigen Einkommen höher und bei steigendem Einkommen niedriger aus. Von der Entlastung werden im Jahr 2021 rund 665.000 Haushalte profitieren.

Aktuell haben wir im Bundestag das „Sozialschutzpaket II“ beschlossen. Als SPD-Fraktion haben wir durchgesetzt, dass das Kurzarbeitergeld erhöht wird, wenn Beschäftigte aufgrund der Corona-Pandemie weniger als 50 Prozent arbeiten. Demnach wird das Kurzarbeitergeld ab dem vierten Monat von 60 auf 70 Prozent (bzw. von 67 auf 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (bzw. 87 Prozent) erhöht. Die Neuregelungen zur Kurzarbeit gelten bis zum 31.12.2020. Das Gesetz sieht außerdem vor, soziale Härten für Arbeitslose abzufedern. Deshalb wird das Arbeitslosengeld I für diejenigen um drei Monate verlängert, deren Anspruch zwischen dem 01.05.-31.12.2020 enden würde.

Familien, die zusätzlich zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Kita- und Schulschließungen betroffen sind, leiden besonders unter den Folgen der Pandemie. Gerade Eltern mit kleinem Budget werden deshalb besonders unterstützt. Für Kinder aus bedürftigen Familien wird das kostenlose warme Mittagessen gesichert, das sie normalerweise in der Schule oder der Kita erhalten. Damit sie in der aktuellen Situation auch zu Hause nicht darauf verzichten müssen, können die Kommunen die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket so flexibel einsetzen, dass das kostenlose Essen den Kindern nach Hause oder zur Abholung an die Schule geliefert wird. Auch die Lieferkosten werden übernommen.

Soziale Dienste und Einrichtungen engagieren sich besonders, um in der Corona-Pandemie Unterstützung zu leisten. Indem nun auch Frühförderstellen in das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz aufgenommen werden, wird deren wichtige Arbeit zur Förderung von Kindern mit Behinderungen oder Entwicklungsauffälligkeiten gesichert.

Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sowie des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Corona-Pandemie ist eine große Belastungsprobe für viele Familien. Es geht in der Tat nicht, alles gleichzeitig und auf Dauer hinzubekommen. Besonders Frauen tragen einmal mehr die Hauptlast. Auch die Diskussion, wie man Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen in einen vernünftigen Betrieb bekommt, zeigen, wie schwierig das alles ist und leider auch noch eine geraume Weile bleiben wird.

Am meisten ist uns allen geholfen, wenn wir die Ausbreitung des Virus verlangsamen und eindämmen. Denn natürlich wollen wir alle, dass Deutschland so gut wie möglich durch diese Krise kommt, damit danach wieder ein halbwegs normaler Familienalltag stattfindet. Wenn sich alle weiterhin umsichtig verhalten, geht das natürlich schneller. Uns allen wünsche ich gutes Durchhalten in dieser Ausnahmesituation und dass es bald wieder aufwärts geht.

Herzliche Grüße
Ute Vogt