Frage an Werner Marquardt von Christian B. bezüglich Verkehr
Haben Sie ein Mobilitätskonzept bzw. welche Verbesserungen hätten Sie im Mobilitätsbereich gerne?
Dazu noch ein paar Detailfragen mit Punkten, die mir am Herzen liegen:
Was halten Sie von fahrscheinlosem ÖPNV (absolut keine Tickets; auch nicht auf dem Smartphone oder per Karte..), der dann vermutlich per Beitrag finanziert werden würde. Was halten Sie von kostenlosem ÖPNV (nach der Variante fahrscheinfrei), der dann durch bereits eingenommene Steuergelder finanziert werden würde?
Würden Sie verstärkt auf Schienen setzten statt immer Straßen auszubauen?
Würden Sie WLAN und/oder Infoterminals an Haltestellen begrüßen, sodass man schneller an Informationen kommen kann (Welcher Bus fährt nach X? Wo ist Bus Y gerade und wann kommt er tatsächlich?)?
Und da es noch unzählige kleinere Verbesserungsmöglichkeiten gibt:
Welche Punkte aus dem gerade durch den Arbeitskreis Mobilität der Agenda 21 Heilbronn erarbeiteten Punkte würden Sie unterstützen/ablehnen (die PDF sende ich Ihnen gerne, falls Sie sie noch nicht gelesen haben) bzw. was liegt Ihnen noch am Herzen?
Sehr geehrter Herr B.,
ich habe mir die Ausarbeitung des Arbeitskreises Mobilität der Lokalen Agenda21 HN angesehen.
Zunächst muss ich sagen, dass die dortigen Analysen des Ist-Zustandes des öffentlichen Personennahverkehrs in Heilbronn im Vergleich mit anderen Städten sehr interessant und aufschlussreich sind. Unterfüttert mit hilfreichen Grafiken.
Aber: Ein Mobilitätskonzept zu erarbeiten, ist eine Sache. Eine wahre Kunst ist, so etwas auch geschmeidig umzusetzen.
Von kostenfreien Angeboten halte ich wenig. Aus mehreren Gründen: Zum einen gilt der Spruch: „Was nix koscht, isch a nix.“ Dann sollte man den „inneren Schweinehund“ nicht unterschätzen: Wenn Menschen an sich zu Fuß gehen würden oder mit dem Fahrrad fahren würden, der Bus oder die Bahn aber nichts kosten würde, nun ja… Ein weniger stichhaltiges Argument wäre, dass auch Gutsituierte natürlich umsonst fahren könnten. Denn immerhin kann man bei denen davon ausgehen, dass sie bei Benutzung des ÖPNV tatsächlich ihren Wagen stehenlassen. Ungerechtigkeiten gäbe es bei den dünner besiedelten Gebieten, da die zwar auch kostenlos fahren dürften, aber auf ein deutlich magereres Angebot treffen würden.
Das fahrscheinlose (kostenlose) Konzept besticht andererseits zunächst durchscheinbar geringen Verwaltungsaufwand. Ich sehe die Gefahr, dass viele deutlich mehr Fahrten unternehmen würden. Zum überwiegenden Teil wohl ohne einendeutlichen Mehrwert für die Fahrgäste. Aber mit einem erheblichen Nachteil für die Verkehrsbetreiber und die Allgemeinheit, welche die Fahrten vermutlich finanzieren muss. Ich vergleiche das mit dem Nachtisch-Büfett bei einem Empfang, wo erfahrungsgemäß viele sich den Teller mit Eiskugeln füllen lassen. Egal, ob es ihnen gut tut. Hauptsache, es ist umsonst.
Mein Ansatz liegt in einer sehr weit gehenden Vernetzung von Fahrrad mit Privat-Pkw (eventuell auch als Car-Sharing) sowie Fahrrad mit Bahn. Fahrradtransport mit Bussen halte ich organisatorisch für aufwändig. Es gibt allerdingsüber den Sommer ein Angebot dies bezüglich in die Löwensteiner Berge…
An Bahnhöfen gibt es ja schon Stationen für Leihfahrräder. Auch für Pedelecs.
Warum nicht am Stadtrand Parkplätze oder Parkhäuser errichten und dort Video-überwachte Fahrrad-Stellplätze neben Leih-Fahrrädern bereithalten. Eine Anbindung an den ÖPNV wäre in diesem Fall nicht unbedingt notwendig, wenn sich das Angebot vorwiegend an solche Menschen richtet, die vom Auto auf das Fahrrad umsteigen. An den Arbeitsstellen sollte auch ein Umdenken stattfinden: Wenn den Mitarbeiterinnen kostenlose oder subventionierte Auto-Stellplätze zur Verfügung gestellt werden, könnte man auch darüber nachdenken, Duschmöglichkeiten zu schaffen, für diejenigen, die zumindest eine Teilstrecke mit dem Fahrrad zurückgelegt haben. Damit wäre es aber noch nicht getan: Die verschwitzten Kleidungsstücke sollten direkt gewaschen werden können oder wenigstens zum Trocknen aufgehängt – nebst den nassen Handtüchern vom Duschen. Und nein: Ich will keinem Menschen ein lieb gewonnenes Privileg wegnehmen.
Was die Taktung von Verkehrsverbindungen angeht: In Ballungsräumen wie Paris gibt es meines Wissens gar keinen Fahrplan. Die Metrozüge kommen einfach und wenn einmal zwei hintereinander zum selben Ziel fahren? Was soll’s? Das Problem sind die weniger frequentierten Zeiten. Vom ökologischen Standpunkt sind nämlich Schienen gebundene Transportmittel aufgrund der sehr großen zu bewegenden Masse erst ab einer bestimmten Mindest-Fahrgastzahl umweltfreundlicher als andere Fahrzeuge. Dazu hätte ich auch eine Idee: Kleinere Einheiten in Pkw-Größe, die individuell und möglicherweise gar mit Akkubetrieb auf den Schienen unterwegs sind. Ohne Fahrer. (Eine Straßenbahnlinie in Nürnberg beweist, dass autonomes Fahren mit Schienenfahrzeugen möglich ist.) Der Charme dieser Lösung wäre, dass die Fahrgäste gemäß ihrem Ziel intelligent zusammengestellt werden könnten und somit Umsteige-Wege und –Zeiten minimiert werden könnten.
Kostenloses W-LAN an Haltestellen kling gut. Das Problem sehe ich allerdings in der sicher aufwändigen Pflege der Hard- und Software.
Noch ein paar Anmerkungen zur Situation in Heilbronn. Gewiss, gegenüber früher hat sich einiges verbessert: Es enden nicht mehr viele Radwege im Nichts. Was mich aber ärgert: Fahrrad-Schutzstreifen sind auf vielen Straßen auf den Fahrbahnen markiert. Seltsam ist allerdings, dass diese gestrichelten Linien abrupt aufhören, sobald die Straße sich verengt, wie zum Beispiel an einem Fußgängerüberweg oder aneiner Bushaltestelle. Als ob sich dann die Radfahrer kurzzeitig in Luft auflösen würden… Ein beklemmendes Gefühl würde ich als Radfahrer an der Kreuzung der Charlottenstraße stadtauswärts Richtung Flein mit der Max-Planck-Straße bekommen: https://encrypted.google.com/maps/place/Charlottenstra%C3%9Fe,+Heilbronn,+Deutschland/@49.1216842,9.2153656,18z/data=!4m5!3m4!1s0x47982f2049a55743:0x5c2ef201998eb6bd!8m2!3d49.121765!4d9.2167013 Da ist ein rot eingefärbter Fahrradstreifen zwischen der Rechtsabbiegerspur zur Hochschule Heilbronn und der Geradeausspur eingezeichnet. Ich stelle mir vor: Links von mir ein Baustellenfahrzeug und rechts ein Bus… Aber es kommt noch „besser“: Für die Radfahrer, welche an dieser Kreuzung nach links abbiegen wollen, haben die Verkehr-Strategen vorgesehen, dass diese die Kreuzung zunächst geradeaus überqueren sollen, um sich dann um 90 Grad zu drehen und die Grünphase der Ampel des Querverkehrs aus der Max-Plank-Straße abzuwarten. Ausgerechnet nach rechts zur Hochschule ist für Radfahrer nicht ersichtlich, ob sie nun auf dem sehr breiten Gehweg fahren dürfen oder auf der Max-Planck-Straße direkt. Hier fehlt entweder eine Beschilderung mit dem blau-weißen Fahrrad-Fußweg-Zeichenoder aber eine Fahrbahnmarkierung eines Schutzstreifens.
Als vorletztes will ich auf die an vielen Stellen weißen Gehweg-Pflasterungen mit Rillen eingehen. Die sind wohl für Blinde gedacht. Ich kann mir aber lebhaft vorstellen, dass Menschen mit Rollator durchaus Schwierigkeiten bekommen könnten, weil die Räder der Rollatoren in den Rillen stecken bleiben könnten. Zumindest werden die Rollator-Fahrerinnen „ausgebremst“.
Zuletzt nun noch zur Psyche mancher Autofahrer: Immer wieder erlebe ich es,dass an Ampeln viel weniger Fahrzeuge die Kreuzung während der Grünphase überqueren können, als es möglich wäre. Dafür habe ich mehrere Ursachen ausfindig gemacht: (Verbotenes) Handy-Gedaddel im ersten Auto: Das Umspringen der Ampel wird nicht oder zu spät bemerkt. Lücken, die durch zum Beispiel Rechtsabbieger oder Spurwechsler entstehen, werden nicht zügig „zugefahren“. Allgemein: Der Abstand zum Auto vor einem muss der Geschwindigkeit angepasst werden. Beim Stehen allerdings auch nicht direkt ander Stoßstange, sonst hat man keinen Spielraum zum Bilden einer Rettungsgasse. Ein großes Übel sehe ich darin, dass insbesondere beim Linksabbiegen sehr viele Leute noch bei Rot in die Kreuzung einfahren, so dass der Geradeausverkehrtrotz Grün nicht anfahren kann. Viele scheinen nicht zu bedenken, dass Linksabbieger einen mehr als 1,5 Mal so langen Weg in der Kreuzung zurücklegen müssen. Und die meisten fahren in der Kurve zudem langsamer als sie das geradeaus tunwürden.