Frage an Anke Domscheit-Berg bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portraiaufnahme von Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut
Anke Domscheit-Berg
DIE LINKE
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Frage von doreen k. •

Frage an Anke Domscheit-Berg von doreen k. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich habe zwei Fragen zur Flüchtlingspolitik.
Ist für Sie Familiennachzug z.B. für syrische Geflohene ein Weg zum Gelingen der Integration, der schnell wieder verfügbar sein muss?
Und werden Sie sich nach der Wahl in Ihrer Partei dafür einsetzen, ein bundesweites Programm zu realisieren, das dies möglich macht?“

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Doreen Kegel,

ich bin seit über 2 Jahren in der Willkommensinitiative Fürstenberg/Havel aktiv und habe daher sehr viel Kontakt mit Geflüchteten und habe auch den Prozess der Familienzusammenführung bei einigen begleiten dürfen. Schon aus dieser Erfahrung heraus bin ich unbedingt für einen erleichterten Familiennachzug für Geflüchtete, denn ich konnte erleben, wie gestandene Männer aus Sorge um das Leben ihrer Familie in Tränen ausbrachen oder wie sie sich im Deutschunterricht nicht konzentrieren konnten, weil Angehörige sich in einer Region befinden, die gerade unter Bombenbeschuss steht. Mir haben verzweifelte Angehörige Whatsapp Fotos gezeigt, auf denen enge Familienangehörige mit schweren Verletzungen zu sehen waren. Die Tage, an denen ich am Flughafen in Berlin Tegel bei Familienzusammenführungen dabei sein konnte, wo sich nach 2 Jahren Angehörige in die Arme fielen, werde ich nie vergessen, sie gehören zu meinen emotionalsten und glücklichsten Erlebnissen. Als Mutter und Ehefrau kann ich mir eine so lange Trennung von meiner Familie gar nicht wirklich vorstellen. Schon gar nicht im Wissen, dass sie in Gefahr sind.

Der Schutz der Familie steht in unserem Grundgesetz, weshalb für mich der Verbot bzw. die Aufschiebung des Familiennachzuges völlig unverständlich ist. Auch aus humanitären Gründen ist er geboten, denn oft kommen die Väter zuerst und eine längere Trennung von Frau und Kindern führt dazu, dass diese sich selbst auf einen lebensgefährlichen Fluchtweg begeben und dass viele von ihnen im Mittelmeer ertrinken, mehrere Tausend, allein in diesem Jahr. Wenn wir diesen Angehörigen das ihnen eigentlich zustehende Recht verwehren, sind wir an ihrem Tod mitschuld.

Auch für die Integration ist der Familiennachzug sehr förderlich, denn die Kinder lernen extrem schnell deutsch, zum Teil in wenigen Monaten. Nach einem Jahr habe ich schon erlebt, dass syrische Kinder Klassenbeste waren - in Deutsch! Sie helfen dann ihren Eltern beim Übersetzen und sind Ansporn, noch schneller Deutsch zu lernen. Die Eltern haben wieder eine Perspektive und geben sich viel Mühe, schnell unabhängig von Staatsleistungen zu werden und eine Arbeit zu finden, die ihnen das Ernähren ihrer Familie ermöglicht. Ihr Ziel ist eine gute Zukunft für ihre Kinder, die sie endlich in Sicherheit wissen. Sie engagieren sich enorm dafür, alles in ihrer Macht stehende dafür zu tun. Sie sind hochmotiviert. Wer seine eigene Familie um sich herum hat, hat aber auch mehr soziale Kontrolle und mehr emotionale Unterstützung auch in schweren Zeiten, die praktisch alle Geflüchtete auch haben. Sie sind nicht allein gelassen, haben jemanden, der sie in Krisen auffängt und hilft, Traumata zu überwinden. Familien können auch verhindern, dass junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten, denn sie geben Halt und eine Aufgabe.

Natürlich werde ich mich als Abgeordnete der LINKEN dafür einsetzen, dass Familienzusammenführung für Geflüchtete wieder erleichtert und generell ermöglicht wird.

mit freundlichen Grüßen,
Anke Domscheit-Berg

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