Frage an Bettina Hagedorn bezüglich Verkehr

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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Christian G. •

Frage an Bettina Hagedorn von Christian G. bezüglich Verkehr

Wenn für den Wirtschaftsminister "Innovation, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit – … die zentralen Pfeiler eines anstehenden Konjunkturpakets.“ sind, so kann dies für den für Dienstag anstehenden Autogipfel doch nur bedeuten, daß mit dieser Feststellung die Förderung des öffentlichen Personen-Nah- und Fernverkehrs gemeint ist.
Wie stehen Sie zu der von der Bundesregierung angedachten Autokauf-Prämie?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G., lieber C.!

Ich bleibe in meiner Antwort auf Deine Anfrage auf abgeordnetenwatch.de vom 29. Mai 2020 zur „Autokaufprämie“ zu Gunsten der Automobilindustrie im Konjunkturpaket beim vertrauten „Du“, weil wir uns aus unserer gemeinsamen Heimat Eutin bereits seit über 30 Jahren aus der ehrenamtlichen Arbeit kennen. Eingangs möchte ich klarstellen, dass der von Dir genannte CDU-Wirtschaftsminister Altmaier sich zwar als Mitglied der Bundesregierung öffentlich FÜR eine solche Ankaufprämie – ebenso wie der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – stark gemacht hat, aber bei diesen Statements in keinem Fall befugt war, im Namen der Bundesregierung insgesamt zu sprechen. Insofern ist schon Deine Frage an mich unzutreffend gestellt: „Wie stehen Sie zu der von der Bundesregierung angedachten Autokauf-Prämie?“. Diese „Autokaufprämie“ war zu keinem Zeitpunkt eine abgestimmte Meinung der Bundesregierung – die SPD-Bundestagsfraktion und ihre Regierungsmitglieder waren immer ganz klar dagegen.

Das Konjunktur-Paket wurde dann von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Finanzminister Olaf Scholz am 3. Juni 2020 für die Bundesregierung nach 21 Stunden (!) Verhandlungsmarathon mit einem Gesamtvolumen von insgesamt 130 Milliarden Euro öffentlich vorgestellt - allein 120 Milliarden Euro davon wird der Bund zahlen. Und die gute Nachricht: Die SPD konnte sich bei vielen Punkten durchsetzen und dabei insbesondere eine „Autokaufprämie“ verhindern, mit der auch Verbrennungsmotoren und klimaschädliche Technologien aus dem letzten Jahrhundert gefördert worden wären – die aber dennoch vor allem die CSU gefordert hatte. Darüber bin ich sehr erleichtert, denn der Lobbyismus für den Automobilbereich war – auch öffentlich wahrnehmbar – im Vorwege extrem stark.

Bereits mit dem Klimaschutzprogramm 2030 haben wir viele Maßnahmen für nachhaltige Mobilität auf den Weg gebracht. Mit den Beschlüssen des Konjunkturpakets schalten wir noch „einen Gang hoch“. Außerdem kann die derzeitige Situation besonders in den Kommunen eine Verkehrswende ermöglichen. Der „Lockdown“ hat gerade im Verkehr für einschneidende Veränderungen gesorgt und ermöglicht jetzt dadurch eine tiefgreifende Modernisierung des Verkehrssystems und der Verkehrsmittel. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung der Pkw-Anzahl und die Förderung einer Umstellung auf Elektromotoren, sondern auch um die Erweiterung von Alternativen zum privaten Autobesitz. Dazu braucht es ein besseres Angebot im ÖPNV, der als integriertes Tür-zu-Tür-Angebot (wie der „Bürgerbus“ in einigen Teilen Ostholsteins) an jedem Ort und zu jeder Zeit auf digitalen Plattformen attraktiver wird. Klar ist: Für den Ausbau und die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs mit Regionalbahnen und Bussen sind die Kreise und Kommunen mit den Ländern verantwortlich und nicht der Bund. Aber der Bund hat schon mit dem Klimaschutzpaket ab dem Haushalt 2020 und jetzt erneut mit diesem Konjunkturpaket finanzielle Unterstützung für die Länder und Kommunen beschlossen, die die Regionen unterstützen soll, diese klimafreundliche Mobilitätswende so umzusetzen, dass auch die Menschen im ländlichen Raum davon profitieren können. Wichtig beim Konjunkturpaket ist: Die Maßnahmen sollen der Umwelt, der Wirtschaft, Arbeitnehmern und Unternehmen gleichermaßen zugutekommen – und den Familien natürlich auch helfen:

• Durch die Umweltprämie wird der Austausch von Autos mit Verbrennungsmotoren durch klima- und umweltfreundlichere Elektrofahrzeuge gefördert. Hier investiert der Bund 2,2 Mrd. Euro, um den Austausch zu emissionsfreien Fahrzeugen zu beschleunigen und verdoppelt daher seinen Anteil am Umweltbonus. Das bedeutet zum Beispiel, dass bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs von 40.000 Euro die Förderung des Bundes von 3.000 auf 6.000 Euro steigt. Diese Maßnahme ist befristet bis 31.12.2021.

• Weitere 2,5 Milliarden Euro gehen in den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur, die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität und in die Batteriezellfertigung. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist die notwendige Voraussetzung zur Verbreitung der E-Mobilität. Weitere wichtige Bestandteile sind ein einheitliches Bezahlsystem für Ladesäulen, Ladepunkte an allen Tankstellen und der bessere Zugang zu öffentlichen Ladesäulen zum Beispiel bei Kitas, Krankenhäusern, Stadtteilzentren und Sportplätzen.

• Wir fördern außerdem die, die zum Wohle der Bevölkerung unterwegs sind: Für Soziale Dienste wird ein auf die Jahre 2020 und 2021 befristetes Flottenaustauschprogramm „Sozial & Mobil“ aufgelegt, um Elektromobilität im Stadtverkehr zu fördern und die gemeinnützigen Träger bei der Flottenumrüstung zu unterstützen. Außerdem wird das befristete Flottenaustauschprogramm für Handwerker und kleine und mittlere Unternehmen für Elektronutzfahrzeuge bis 7,5 t zeitnah umgesetzt.

• Die Kfz-Steuer für Pkw wird stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet: Ab 2021 müssen Besitzer für klimaschädliche Autos mehr Geld zahlen – diejenigen sauberer Autos weniger. Zudem wird die bereits geltende zehnjährige Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge bis zum 31.12.2025 gewährt und bis 31.12.2030 verlängert.

• Für den Umstieg auf E-Mobilität im Nahverkehr wird die Förderung mit 1,2 Mrd. Euro für Busse mit klimafreundlichen Antrieben aufgestockt - für private und kommunale Betreiber gleichermaßen. Weiterhin erhält die Deutsche Bahn weitere 5 Mrd. Euro Eigenkapital vom Bund, da sie in der Coronakrise deutliche Einbußen verkraften musste, damit die Takte dichter und das Schienennetz besser werden können. Daneben soll ebenfalls die Schifffahrt als klimafreundliches Verkehrsmittel für 1 Mrd. Euro modernisiert und digitalisiert werden.

• Die Bundesregierung wird kurzfristig die „Nationale Wasserstoffstrategie“ vorlegen, womit der Grundstein für neue Exporttechnologien gelegt und in die Energieversorgung von morgen investiert werden soll – Wasserstofftechnologie „made in Germany“. Konkret sollen bis 2030 5 GW und möglichst bis 2035 10 GW Elektrolysekapazitäten aufgebaut werden. Wir wollen die Produktion „grünen“ Wasserstoffs fördern und Unternehmen bei der Entwicklung und klimafreundlichen Prozessumstellung unterstützen.

Dieses Konjunkturpaket zeigt ganz klar: Die SPD versteht den Klimawandel nicht nur als Bedrohung, sondern dessen Bewältigung gleichzeitig als eine Chance in den wichtigsten Wettbewerbsfeldern für deutsche Unternehmen. Deutschland und Europa haben gerade jetzt die Chance, in den kommenden Jahren die Technologien für klimaneutrales Wirtschaften zu liefern. Dazu müssen wir die bereits begonnene Transformation unserer Wirtschaft stärken und noch ehrgeiziger werden - das gilt insbesondere für die Automobilindustrie.

In Deinem Brief hast Du noch für den 2. Juni einen eigentlich geplanten „Autogipfel“ vermutet, der dann – wie Du sicherlich verfolgt hast – kurzfristig zugunsten der Verhandlungen des Konjunkturpaketes abgesagt wurde: Das war bereits ein wahrnehmbares Signal, dass die Forderungen aus der Automobilindustrie politisch hoch umstritten waren. Ich denke, das Ergebnis des Konjunkturpaketes kann sich im Ergebnis wirklich sehen lassen!

Fakt ist: Die Maßnahmen zur konjunkturellen Belebung müssen jetzt rasch dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden und wo sie die beste konjunkturelle Wirkung entfalten können. Dabei liegt der Fokus darauf, Arbeitsplätze zu sichern, niedrige und normale Einkommen zu unterstützen und dadurch den Alltag vieler Bürger zu erleichtern. Gleichzeitig soll die Nachfrage gestärkt werden, damit z.B. kleine Einzelhändler und Restaurants in der Krise ebenfalls „die Kurve kriegen“. Auf jeden Fall müssen wir die Herausforderungen, die schon VOR Corona klar sichtbar waren – Zukunftsaufgaben wie der Klimawandel und die Digitalisierung – mit diesem Konjunkturpaket verstärkt anpacken.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn

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