Frage an Daniela Ludwig bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Daniela Ludwig
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Frage von Jochen K. •

Frage an Daniela Ludwig von Jochen K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Ludwig

dem Vernehmen nach soll am Wochenende die endgültige Vereinbarung mit Griechenland getroffen werden (oder aber "Plan B"). Unterstellt, es käme zu einer Einigung, müsste der Bundestag in einem Eilverfahren über diese Vereinbarung abstimmen. Immerhin geht es über 15 Mrd EUR, faktisch ein 3. Hilfspaket, und die Aufgabe des Prinzips "Solidarität gegen Eigenanstrengung". Auch hat dieses "grosszügige Angebot" nichts mehr mit dem am 20.2.2015 verlängerten Rest des 2. Hilfsprogramms gemein.

Meine Fragen an Sie:
1. Können Sie es als MdB vor Ihrem Gewissen vertreten, über ein solches Paket im Eilverfahren abzustimmen, ohne dieses in allen Einzelheiten prüfen und ggf. hinterfragen zu können?

2. Können Sie es nachvollziehen, dass es für den einfachen Bürger nicht nachvollziehbar ist, wieso die Institutionen bzw. die EU der neuen griechischen Regierung, die sich seit Amtsantritt durch eine Blockadehaltung, Verzögerungstaktiken und Diffamierungen von insbesondere deutschen Politikern hervorgetan hat, nun ein "sehr grosszügiges Angebot" unterbreitet? Teilen Sie meine Auffassung, dass dieses ein fürchterliches Signal nach aussen sendet, wonach der, der am frechsten pöbelt, hierfür hinterher auch noch belohnt wird?

3. Wenn es auf Basis der heute bekanntgewordenen Details morgen in Brüssel doch noch zu einer Einigung kommen sollte, und Sie im Bundestag diese Vereinbarung durchwinken, dann ist mein Vertrauen in die Unabhängigkeit des Parlaments nachhaltig beschädigt. In diesem Falle werde ich mein künftiges Wahlverhalten konsequent anders ausrichten. Das ist jetzt zwar keine Frage, aber eine Feststellung.

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Sehr geehrter Herr Klaschka,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Griechenlandkrise. Ich habe für Ihre Kritik und die Zweifel an einem möglichen dritten Hilfspaket viel Verständnis!

Die Ergebnisse des EU-Sondergipfels vom Wochenende sind ein Erfolg der harten Verhandlungsführung unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble. Es galt stets der Grundsatz, dass es keine Hilfe ohne Einschnitte und Reformen geben kann. Insofern halte ich die Ergebnisse nicht für ein „großzügiges Angebot“, sondern für eine Fortsetzung der konsequenten Haltung der Deutschen Bundesregierung. Ganz im Gegenteil senden sie das Warnsignal an Griechenland, aber auch an die anderen Reformländer, dass eine Strategie wie die griechische nicht erfolgreich sein kann.

Griechenland hat einen Antrag beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in Höhe von 86 Mrd. Euro mit einer Laufzeit von 3 Jahren gestellt. Parallel zum Finanzbedarf Griechenlands zur Tilgung der Zinsen, Rekapitalisierung der Banken und Bewältigung der laufenden Staatsausgaben will die EU ein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Mrd. EUR auflegen. Investitionsanreize für Unternehmen sind essentiell, um mit ihrem Engagement das griechische Wirtschaftswachstum dauerhaft zu erhöhen und die Krise auf diese Weise nachhaltig bewältigen zu können. Um weitere Verhandlungen hierfür zu ermöglichen, musste sich der griechische Ministerpräsident Tsipras dem Druck der Deutschen Bundesregierung und der anderen europäischen Mitgliedsstaaten beugen und beachtlichen Bedingungen und Auflagen zustimmen. Die ersten Reformen müssen bereits am Mittwoch, dem 15. Juli, vom griechischen Parlament beschlossen werden. Weitere zentrale Reformen sind bis 22. Juli nötig. Die Griechen müssen dabei in den kommenden Wochen folgendes leisten:

1. Einrichtung eines Treuhandfonds: Griechenland muss Staatseigentum in Höhe von 50 Mrd. EUR in einen Treuhandfonds zur Privatisierung überführen. Der Fonds ist unabhängig und wird von der EU kontrolliert.

2. Fortsetzung der Troika: Der Internationale Währungsfonds (IWF) bleibt - entgegen der griechischen Forderungen - an Bord. Die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission kontrolliert in Griechenland wieder den Reformprozess. Tsipras wollte die Troika abschaffen.

3. Mehrwertsteuer erhöhen: Griechenland muss eine umfassende Steuerreform machen und insbesondere Schlupflöcher bei der Mehrwertsteuer schließen. Athen verpflichtet sich zudem, entschlossener gegen Korruption und Steuerhinterziehung vorzugehen.

4. Rentensystem reformieren: Griechenland muss eine umfassende Rentenreform durchführen, die Frühverrentung reduzieren und das Renteneintrittsalter deutlich anheben.

5. Verwaltung reformieren: Griechenland muss seine gesamte Staatsverwaltung reformieren und effizienter machen. Vor allem muss Griechenland endlich ein Katasterwesen mit Grundbüchern einführen. Die Verwaltungsreform erfolgt unter Aufsicht der EU-Kommission.

6. Wettbewerbsfähige Wirtschaft: Griechenland muss endlich die OECD-Standards für wettbewerbsfähiges Wirtschaften umsetzen. Das bedeutet Reformen am Arbeitsmarkt und mehr Wettbewerb z. B. im Energiesektor.

7. Dauerhafte Kontrolle durch die EU: Alle gesetzgeberischen Maßnahmen müssen eng mit den europäischen Institutionen abgesprochen werden. Das griechische Parlament darf künftig kein Gesetz ohne Kontrolle und Zustimmung der EU-Institutionen beschließen.

Der Deutsche Bundestag wird am Freitag darüber entscheiden, ob nun Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket aufgenommen werden können. Vor dieser Entscheidung müssen wir auch diskutieren, ob die Ergebnisse des EU-Sondergipfels eine ausreichende Grundlage für neue Verhandlungen bilden. Ihrer Sorge, dass wir das Mandat im Eilverfahren abstimmen müssen, kann ich dabei nicht zustimmen. Meiner Ansicht nach haben wir Abgeordneten ausreichend Zeit und Informationen, um uns eine fundierte Meinung bilden zu können.

In meiner Entscheidungsfindung werde ich auch berücksichtigen, dass die griechische Regierung in den vergangenen Wochen durch ihr Verhalten viel Vertrauen eingebüßt hat, das erst wieder aufgebaut werden muss. Die kommunistische Regierung hat die letzten Monate dafür genutzt, die bisher erreichten wirtschaftlichen Erfolge zu torpedieren und das Land wieder auf einen Crashkurs zu führen. Deshalb bin ich auch noch skeptisch, was die Verhandlungen angeht und erwarte, dass von der griechischen Regierung Fakten geschaffen werden. Sollte der Bundestag am Freitag also einem Verhandlungsmandat zustimmen, wird sich in den Verhandlungen zeigen, ob man der griechischen Seite diesmal trauen kann. Insofern ist selbst bei einer Zustimmung zum Verhandlungsmandat nichts vorbestimmt. Denn ich bin der Ansicht, dass Griechenland nicht um jeden Preis im Euro gehalten werden sollte.

Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig

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