Warum nähert sich die Union angeblich der AfD-Fraktion an, wenn sie Klage gegen den Nachtragshaushalt einlegt?

Dennis Rohde, MdB (SPD)
Dennis Rohde
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Frage von Jonas K. •

Warum nähert sich die Union angeblich der AfD-Fraktion an, wenn sie Klage gegen den Nachtragshaushalt einlegt?

Sehr geehrter Herr Rohde,
in Ihrer Rede am 27.01.2022 haben Sie der Union unterstellt, sie würde sich der AfD annähern weil sie zum BVerfG geht (https://dserver.bundestag.de/btp/20/20014.pdf S. 920). Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG gibt allerdings das Recht, Gesetze durch das BVerfG überprüfen zu lassen. Der von Ihrer Regierung beschlossene Nachtragshaushalt wird von mehreren Experten als verfassungswidrig angesehen (https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/haushaltsausschuss-anhoerung-experten-gesetzentwurf-nachtragshaushalt-schuldenbremse-grundgesetz-corona-pandemie-notsituation/).

Wie kommen Sie also zu dem Entschluss, dass eine Fraktion in einem Rechtsstaat bei einem Gesetz, das evtl. verfassungswidrig ist, den Rechtsweg geht, sich einer rechten Partei annähern würde? Sollte eine Oppositionsfraktion nicht sogar generell bei verfassungsrechtlich zweifelhaften Gesetzen den Weg zum BVerfG suchen?

Dennis Rohde, MdB (SPD)
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Frage vom 28. Januar zum 2. Nachtragshaushalt für 2021, die ich Ihnen gerne beantworte.

In meiner Rede vom 27.01.2022 zum Nachtragshaushaltsgesetz habe ich auf die Unaufrichtigkeit der CDU/CSU-Fraktion hingewiesen. Nicht, weil sie grundsätzlich den Weg zum BVerfG einschlägt, sondern weil sie gegen einen Nachtragshaushalt klagt, den sie in Zeiten der Großen Koalition so mitbeschlossen hätte. In meinen Augen rückt die Union damit an die Arbeitsweise der AfD heran.

Diese Argumentation haben Sie kritisiert, weswegen ich gerne nochmals im Detail ausführen möchte, wie ich zu diesem Schluss komme.

Die CDU/CSU-Fraktion beabsichtigt mittels einer Klage am BVerfG gegen den von der Regierung eingebrachten und vom Parlament verabschiedeten 2. Nachtragshaushalt für 2021 vorzugehen, obwohl in der unionsbeteiligten Regierung der letzten Legislaturperiode vergleichbare Regelungen getroffen wurden. Dabei denke ich vor allem an das Konjunkturpaket zur Pandemiebewältigung der großen Koalition im Juni 2020. Dieses enthielt unter anderem Maßnahmen wie die Absenkung der EEG-Umlage, das Bauprogramm für Energieeffizienz, die Förderungen einer Wasserstoffstrategie, Investitionen in Quantentechnologie und in künstliche Intelligenz.

Anzumerken ist außerdem, dass die damalige Debatte ebenfalls streitig war und Änderungsanträge gestellt wurden. Der Unterschied zur heutigen Debatte zum 2. Nachtragshaushalt besteht darin, dass in der Debatte in 2020 der Bundestag der Ort der demokratischen Auseinandersetzung und der Mehrheitsgewinnung geblieben ist und nicht etwa, wie es die AfD damals schon versuchte, eine Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht angefordert und damit die demokratische Debatte an einen außer-parlamentarischen Ort verlagert wurde.

Aus meiner Sicht rührt das aktuelle Vorgehen der Union nicht aus einem generellen Oppositionsanspruch, den sie selbstverständlich wahrnehmen kann, sondern aus einer wenig aufrichtigen Motivation heraus. Sie argumentiert gegen ihre eigenen, in der letzten Legislaturperiode noch vertretenen Überzeugungen und gegen ihr vermutlich sogar besseres Wissen, dass dieser Nachtragshaushalt sehr wohl als Antwort auf die Corona-Pandemie notwendige Investitionen auf den Weg bringt und damit auch vor dem BVerfG bestehen wird. Mit diesem Verhalten stellt sie sich argumentativ an die Seite der AfD. Deshalb habe ich meine Sorge geäußert, dass sich die Union möglicherweise noch nicht vollständig in ihrer Oppositionsfunktion gefunden hat und die klare Abgrenzung gegenüber der AfD offenbar fehlt.

Eine Oppositionsfraktion hat unfraglich die Möglichkeit und das Recht, den Weg zum BVerfG zu suchen. Die Motivation der Union zur Klage stammt nach meiner Auffassung jedoch nicht aus einem überzeugten Anzweifeln dieses Gesetzes, sondern lediglich aus einer unehrlichen Motivation heraus, die ihre eigene Arbeit in der vergangenen großen Koalition konterkariert und in meinen Augen ein Heranrücken an die Arbeitsweise der AfD darstellt.

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Rohde

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