Guten Tag, wie passt ihre Aussage, dass die 1,5 Grad Grenze nicht in Lützerarh verlaufe (was krass gegen die Aussagen der Wissenschaft spricht) mit einer angeblichen Wissenschaftspartei zusammen?

Felix Banasazak steht im Duisburger Stadtwald. Er hat die Hände zusammengelegt, sein Blick geht geradeaus in die Kamera.
Felix Banaszak
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Friedhelm S. •

Guten Tag, wie passt ihre Aussage, dass die 1,5 Grad Grenze nicht in Lützerarh verlaufe (was krass gegen die Aussagen der Wissenschaft spricht) mit einer angeblichen Wissenschaftspartei zusammen?

Guten Tag,
hier noch Quellen zur Fragestellung:

Ihre Aussage: (Aachener Zeitung vom 31.05.2022) https://epaper.medienhausaachen.de/2.0/?_gl=1*br170i*_ga*MTY4NzAwNzY5NC4xNjU0MDI3NDI4*_ga_08XEKBVWTZ*MTY1NDAyNzQyOC4xLjEuMTY1NDAyNzk2OC4w#/read/az-a1/20220531?page=19

Die Aussagen der Wissenschaftler*innen: (deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf

Felix Banasazak steht im Duisburger Stadtwald. Er hat die Hände zusammengelegt, sein Blick geht geradeaus in die Kamera.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

der Braunkohletagebau im Rheinischen Revier und darüber hinaus hat - von den Folgen für die Erhitzung des Klimas abgesehen - in den letzten Jahrzehnten viel Leid verursacht. Abgebaggerte Dörfer, gerodete Wälder, zerstörte Flora und Fauna - es ist gut und notwendig, dass diese Geschichte bald ein Ende findet und wir unsere Energieerzeugung im Einklang mit den planetaren Grenzen, mit dem 1,5-Grad-Ziel und dem Schutz von Lebensraum organisieren. Wir haben uns als Grüne immer gegen Abbau und Verfeuerung der Braunkohle ausgesprochen und beides im Rahmen dessen, was politisch mehrheits- und umsetzungsfähig war, stets eingeschränkt. Jede Tonne Braunkohle, die im Boden verbleibt, hilft dem Klima - das war, ist und bleibt unsere Leitlinie.

Vereinbart im NRW-Koalitionsvertrag, den ich mitverhandelt habe, ist die Beendigung des Kohleausstiegs 2030 und der Erhalt der fünf Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath, deren Zerstörung und Inanspruchnahme durch den Braunkohleabbau von der vorherigen schwarz-gelben Landesregierung noch geplant war. Das Ende der Braunkohleförderung in NRW 2030 - also in weniger als acht Jahren - ist damit politisch endgültig beschlossen. Das ist ein großer Erfolg der Klimabewegung, der noch vor nicht allzu langer Zeit als unerreichbar galt.

Die Klimabewegung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten enormes geleistet, wofür ich sehr dankbar bin. Ohne die breite zivilgesellschaftliche Mobilisierung wären politische Entscheidungen zum Schutz des Klimas unerreichbar gewesen, die wir jetzt Schritt für Schritt umsetzen können. Ich denke da insbesondere an die Proteste zum Erhalt des Hambacher Waldes und die Großdemonstration mit über 50.000 Menschen im Oktober 2018.

Am Ende war es neben dem großen und breiten zivilgesellschaftlichen Protest allerdings auch eine Gerichtsentscheidung, die den Hambacher Wald (bzw. das, was von ihm übrig ist) gerettet hat. Die Rechtslage sieht jedoch in Lützerath fundamental anders aus - leider.

Lützerath gehört allerdings noch zum zweiten Umsiedlungsabschnitt des Tagebaus Garzweiler und ist seit langem mit Ausnahme von Landwirt Eckhard Heukamp von allen ursprünglichen Bewohner*innen geräumt. Anders als im dritten Umsiedlungsabschnitt besitzt RWE hier alle Grundstücke und - nachdem vor wenigen Monaten Eckhard Heukamp seine Klage aufgegeben und seinen Hof verkauft hat - auch das endgültige Recht, die Flächen des ehemaligen Weilers abzubaggern. Da alle Verwaltungsentscheidungen und Gerichtsverfahren endgültig abgeschlossen sind, besteht anders als beispielsweise beim Tagebau Hambach 2018 keine Möglichkeit einer Regierung mehr, den Abbau zu untersagen oder zu stoppen. RWE hat final alle Rechte, dort Kohle abzubaggern.

Eine Lösung für Lützerath ist also rechtsstaatlich nur auf dem Verhandlungsweg möglich. In den Koalitionsverhandlungen haben wir deshalb folgendes vereinbart:

„Mit dem bergbautreibenden Unternehmen wird ein Einvernehmen darüber hergestellt, welche Tagebauflächen bis zur Fertigstellung der neuen Leitentscheidung noch genutzt und welche anderweitigen Eingriffe bis dahin noch erfolgen werden.

Alle Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts werden wir erhalten. Die Tagebauplanung für den Tagebau Garzweiler muss dementsprechend zeitnah angepasst werden. Die weitere Tagebauführung in Garzweiler und Hambach soll unter Berücksichtigung aller Massenbedarfe so gestaltet werden, dass die Flächeninanspruchnahme auf ein Minimum begrenzt wird.“

Damit gibt es keine Sicherheit für Lützerath. So hart es ist: Diese Sicherheit kann es auch nicht geben, denn die Gerichtsentscheidungen sind klar. Sicherheit für Lützerath kann keine Regierung auf keiner Ebene geben, wenn sie sich an rechtsstaatliche Prinzipien hält. Es gibt aber eine politische Verständigung, dass eine Lösung mit dem Tagebaubetreiber RWE gesucht wird - das ist insbesondere in dieser Konstellation alles andere als selbstverständlich. Ob dies gelingt, kann heute niemand sagen.

Ich kann verstehen, dass das für Sie nicht ausreichend ist. Auch ich hätte es gerne anders. Aber die Gegenwart ist das Ergebnis politischer Entscheidungen früherer Regierungen in der Vergangenheit und daraus resultierender juristischer Ausgangslagen, die eine neue Landesregierung nicht mal eben aushebeln kann. Wir müssen die Klimakrise mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen, so zäh und unbefriedigend dies auch sein mag.

Zuletzt noch zu meiner Aussage, die 1,5-Grad-Grenze sei ein starkes Symbol der Klimabewegung: Damit habe ich in keiner Weise das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Frage gestellt. Dieses Ziel ist Leitlinie grüner Klimapolitik und nun auch Richtschnur des Handelns der NRW-Landesregierung.

Aber wenn die 1,5-Grad-Grenze symbolisch vor Lützerath verläuft, wie es Teile der Klimabewegung formulieren, dann verläuft sie genauso auch am Terminal des Flughafens Düsseldorf, vor dem Stahlwerk in Duisburg oder an der Fassade eines unsanierten Gründerzeithauses in Köln. Was ich damit sagen will: Wenn wir nicht in ALLEN Bereichen grundlegend umsteuern, werden wir die Klimaziele krachend verfehlen. Dem Klima ist leider nicht geholfen, wenn die Kohle unter Lützerath verbleibt, dann aber woanders mehr abgebaut wird.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns weiter gemeinsam, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen eintreten! Im Deutschen Bundestag verantworte ich als Mitglied im Haushalts- und im Wirtschaftsausschuss für die Grüne Bundestagsfraktion u. A. die Transformation der Industrie zur klimaneutralen Produktion und die internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzierung. Seien Sie sich sicher, dass ich mein Mandat nutzen werde, um die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Mit herzlichen Grüßen

Felix Banaszak

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