Frage an Franziska Brantner bezüglich Recht

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Franziska Brantner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Aleta W. •

Frage an Franziska Brantner von Aleta W. bezüglich Recht

Wie stehen Sie zu dem Gesetzentwurf für §21b Infektionschutzgesetz? (Ausgangsperren, FFP2 Pflicht keine Opmaske mehr erlaubt , Bundesländer werden entmachtet)

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Wayment,

herzlichen Dank für Ihre Zuschrift. In der vorletzten Woche hat der Deutsche Bundestag das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz verabschiedet.

Ein kurzer Hinweis vorweg: Wir bekommen derzeit sehr viele Anfragen und Zuschriften generell zu den Themen Infektionsschutz und Pandemie, deshalb bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir als Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bzw. ich als Abgeordnete nicht im Einzelnen auf alle Fragen eingehen kann. Ich werde trotzdem versuchen, unsere bzw. meine Position transparent offenzulegen, damit Sie hoffentlich eine zufriedenstellende Antwort auf Ihre Anfrage erhalten.

Die pandemische Lage bleibt weiter besorgniserregend. Wir befinden uns inzwischen in der dritten Welle der COVID 19-Pandemie. Um diese zu brechen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems abzuwenden, brauchen wir konsequente und verhältnismäßige Maßnahmen. Eine bundesgesetzliche Regelung der wesentlichen Fragen der Pandemiebekämpfung durch den Bundestag ist seit langem überfällig. Eine epidemische Lage nationaler Tragweite braucht auch eine nationale Antwort.

Wir halten es deswegen für richtig, dass nun eine bundeseinheitliche Notbremse beschlossen wurde. Um eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern, haben wir Grüne uns in zahlreichen Gesprächen mit der Koalition für dringende Nachbesserungen an diesem Paket eingesetzt und konnten Verbesserungen erzielen: schärfere Regelungen fürs Homeoffice, stärkere Schutzvorschriften für die Schulen und Regelungen, die die Notbremse lebenspraktischer und damit umsetzbarer machen.

Dennoch reicht diese Notbremse nicht aus. Bereits seit Wochen ist das Virus uns einen Schritt voraus, jetzt dürfen wir nicht auch noch weiterhin zu wenig tun. Eine zu einseitige Politik, die vor allem Restriktionen für Bildung und Privatleben vorsieht, ist weder konsequent genug, um uns vor der Epidemie zu schützen, noch verhältnismäßig. Angesichts der angespannten Pandemielage stehen wir einer schnellen Umsetzung jedoch nicht im Weg und haben uns deshalb bei der Abstimmung zum Gesetzesentwurf enthalten.

Nachfolgend haben wir für Sie aufgeschlüsselt, was wir in den Gesetzentwurf hineinverhandelt haben und welche Punkte immer noch fehlen, für die wir uns weiterhin stark machen werden:

Was konnten wir verbessern?

• Besserer Schutz von Beschäftigten: Die Regelungen zur Homeoffice-Angebotspflicht wurden verschärft. Das Arbeiten von Zuhause darf vom Arbeitgeber nur noch verweigert werden, wenn zwingende betriebliche Gründe dagegen stehen.
• Ausgewogenere und trotzdem wirksame Regeln bei Freizeitaktivitäten und für Familien mit Kindern, indem die unterschiedlichen Infektionsrisiken in Innen- und Außenbereichen besser unterschieden werden: Die Außenbereiche von Zoos und botanischen Gärten können nun unter strengen Schutz- und Hygienevorschriften geöffnet und Sport für Kinder bis 14 Jahren ist auch in 5er Gruppen im Freien möglich.
• Die Transparenz bei den Corona-Regeln wurde verbessert: Die Geltungsdauer der Maßnahmen muss nun unverzüglich ortsüblich bekanntgegeben werden.

Die bundesweiten Einschränkungen sind bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Was fehlt noch?

• Es war richtig und wurde von uns seit langem gefordert, die Debatte und den Beschluss von Maßnahmen und Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie in den Deutschen Bundestag zu holen. Dieser schwache Start aber verdient kein Lob.

• Es ist absolut notwendig, dass Infektionen am Arbeitsplatz wirksam durch Testen und Home Office eingedämmt werden können. Das Testen am Arbeitsplatz ist ein Weg, weitere Infektionsausbrüche zu vermeiden und die Beschäftigten und ihre Familien zu schützen. Eine Testpflicht kann zudem zur Eindämmung der Pandemie und zur Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems beitragen und dadurch können Betriebsschließungen auch verhindert werden. Der Arbeitsschutz für die Beschäftigten ist ohne Testpflicht nicht gegeben, weil so auch nicht getestete, womöglich erkrankte Personen nicht von der Arbeitsstelle fern gehalten werden können.

• Dies gilt auch für Schulen und Kitas. Kinder sind zur Zeit von den neuen Mutationen stark betroffen. Zum Schutz der Kinder und Eltern sollten wir dafür sorgen, dass dieser Schutz wirklich gewährleistet ist. Deshalb ist es dringend notwendig, dass weitere Testmöglichkeiten und verbindliche Hygienekonzepte beim Wechsel- und Präsenzunterricht für alle Schüler:innen und Lehrkräfte unterstützt werden.

• Ausgangssperren können aufgrund ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung als Ultima ratio nur Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts sein. Durch ihr Zögern für Beschränkungen in der Arbeitswelt gefährdet die Bundesregierung die Akzeptanz der Menschen für die Maßnahmen und verursacht eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen.

• Die Notbremse greift bei einer Inzidenz von 100, allerdings muss auch vor dem Ziehen der Notbremse schon gebremst werden. Das heißt, auch schon bei Inzidenzen unter 100 müssen entsprechende Schritte und Maßnahmen greifen, die der raschen Verbreitung des Virus entgegenwirken. Dennoch reichen Inzidenzen alleine nicht aus. Es braucht mehrere Faktoren, um das Infektionsgeschehen künftig besser einordnen zu können. Wir möchten Folgendes mit einbeziehen: Testungen, Impfquote, Intensivbettenbelegung und die Überlastung des Gesundheitswesens, weil die Inzidenz alleine nicht mehr aussagekräftig genug ist.

Insgesamt müssen wir jetzt schnellstmöglich erreichen, dass wieder möglichst viele Menschen mitziehen. Schon deshalb, weil viele Infektionen im privaten Bereich stattfinden. Daher brauchen wir konsequente Maßnahmen. Wir müssen erreichen, dass jetzt in dieser hoffentlich letzten Phase der Pandemie nochmal alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir sehen nicht, dass dieses Ziel mit diesem Gesetz in dieser Form erreicht werden kann. Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass noch mehr Menschen das Verständnis verlieren. Das können wir uns aber nicht leisten, denn die Pandemie ist nach wie vor nicht unter Kontrolle.

Wir müssen dieser viel zu lange anhaltenden Krise endlich engagiert begegnen, um die Kontrolle zurückzuerlangen. Dafür benötigen wir eine Strategie, die auf das Infektionsgeschehen und dessen Konsequenzen abzielt und die schädlichen Einflüsse auf das soziale und wirtschaftliche Leben minimiert. Deshalb schlagen wir weiterhin einen Stufenplan mit einheitlichen Risikostufen, Kennzahlen sowie wirksame und konsequente Maßnahmen, sowohl für Eskalation als auch für Deeskalation, vor. Unseren Antrag zu unserem 5-Stufenplan und weitere Informationen können Sie hier finden: https://www.gruene-bundestag.de/themen/corona-krise/ein-stufenplan-fuer-perspektive-und-hoffnung

Für die Verabredung wirksamer Maßnahmen ist zudem ein permanenter Austausch zwischen Parlament und Wissenschaft unerlässlich. Unsere Forderung nach der Einrichtung eines interdisziplinären Pandemierates wird von den Regierungsfraktionen leider seit fast einem Jahr angelehnt. Unseren Antrag zu einem wissenschaftlichen und interdisziplinären Pandemierat finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/gesundheit/pandemierat-jetzt-gruenden

Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben und zunehmende Impfmöglichkeiten werden dazu beitragen, dies zu ermöglichen. Auch hier bleibt dringender Nachbesserungsbedarf, die nationale und globale Impfstrategie weiterzuentwickeln und daran arbeiten wir mit. Dies alleine wird aber die dritte Welle nicht brechen können und bis dahin sollten wir alle aufeinander achten und viel Verständnis füreinander aufbringen.

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass wir so gut wie möglich durch diese Krise kommen. Bleiben Sie gesund.

Mit freundlichen Grüßen

Franziska Brantner

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