Glauben Sie Deutschland kann nach einem NATO-Austritt alleine auf der Weltbühne bestehen?

Johannes Koch (DIE LINKE, Wahlkreis Aachen II)
Johannes Koch
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Johannes Koch zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Benedikt K. •

Glauben Sie Deutschland kann nach einem NATO-Austritt alleine auf der Weltbühne bestehen?

Sie sind im Sinne ihrer Partei für einen Austritt aus der NATO. Was aber wäre die Alternative? Glauben Sie, dass Deutschland ohne ein Militärbündnis wie die NATO als Abschreckung sicher ist? Eine Unabhängigkeit von den USA ist gut, allerdings müssen wir auch garantieren, dass wir unabhängig von rechtspopulistischen Despoten wie Putin oder neoimperialistischen Superkapitalisten wie China bleiben. Ist die NATO nicht das geringste aller Übel, aus denen wir aktuell wählen können?

Johannes Koch (DIE LINKE, Wahlkreis Aachen II)
Antwort von
DIE LINKE

Hallo Herr K.,

auch wenn die Politikerfloskel "Vielen Dankfür Ihre Frage" mehr als abgedroschen ist, möchte ich Ihnen trotzdem danken, dass Sie Ihre Frage derart detailliert und reflektiert stellen.

Die NATO ist und bleibt ein Relikt des kalten Krieges. Ihr Abschreckungspotential besteht - zumindest theoretisch - aus einem menschenfeindlichen und völkerrechtswidrigem Atomwaffenarsenal und einer bis unter die Zähne bewaffneter US-Armee. Die kriegerischen Einsätze der NATO in den vergangenen Jahrzehnten waren aber allesamt entweder nicht durch die UN legitimiert (Ex-Jugoslavien) oder desaströse Fehlschläge. Betrachten wir nur die Geschichte des bisherigen Jahrhunderts in Afghanistan, Irak und Libyen kann keiner dieser NATO-Operationen als Erfolg gewertet werden. Zudem haben Aufrüstung, Truppenstationierung, Raketenabwehrschilde und Manöver in Russland dazu geführt, den Westen und die NATO wieder als militärische Bedrohung anzusehen. Putin äusserte dies bereits 2007 sehr offen und direkt auf der Münchener Sicherheitskonferenz.

Ich stelle mir also zur NATO-Mitgliedschaft Deutschland und zur Existenzfrage der NATO zwei grundlegende Fragen: Dient die NATO wirklich aufgrund Ihrer Erfolge, ihrer Einsatzfähigkeit und vor allem ihrer Vormachtsstellung der USA noch der Abschreckung? Die zweite und noch wichtigere Frage ist aber: Wollen wir auch im 21. Jahrhundert immer noch am Prinzip der waffenstarrenden Abschreckung als Mittel zur Friedenssicherung festhalten?

Meine Meinung dazu ist eindeutig: Die NATO in ihrer bestehenden Form hat keine friedenspolitische Wirkung. DIE LINKE schlägt sehr konkret eine Alternative vor: Ein gemeinsames Sicherheitssystem unter Einbindung Russlands mit dem Ziel der Abrüstung. 

Ein Sicherheitssystem, also eine neue internationale Partnerschaft ohne Konfrontation gegenüber Russland (oder auch dem von Ihnen erwähnten China), muss das Ziel haben Frieden aktiv zu gestalten durch Gespräche und Vertrauen. Vertrauensbildend kann die gemeinsame Abrüstung sein. Selbst die NATO selber hat eine Partnerschaft mit Russland bereits 2010 als Maxime verkündet, meiner Meinung nach aber durch Manöver in Ost-Europa und die Modernisierung von Atomwaffen selber wieder zu den Akten gelegt.

Ein neues internationales Sicherheitssystem ohne Meinungsführerschaft des Westens bzw. konkret der USA wird ein Zeichen an alle Staaten der Welt sein, dass nur ein Miteinander und gegenseitiger Respekt die tatsächlichen Probleme dieses Planeten (Klima, Terrorismus, Hunger, Flucht) lösen kann. 

Um es deutlich zu sagen: Despoten wie Putin und der wirtschaftlich Expansionskurs Chinas ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema. Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass mit den USA für unser Land und für unsere westliche Welt eine Nation richtungs- und meinungsführend ist, dass die Todesstrafe praktiziert, die Demokratie durch ständige Neuordnung von Wahlbezirken zulasten von Minderheiten zur Farce geraten lässt, kriegerische Interventionen führt, Luftschläge mittels Drohnen mit oft vielen zivilen Opfern durchführt und jederzeit bereit ist, mittels Wirtschaftssanktionen auch die eigenen Partner zu schädigen.

Somit möchte ich dafür werben, den Blick zu heben und neue, bessere Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit zu suchen, die Frieden schaffen wollen. Auch wenn die NATO nicht in ihren Strukturen aufgelöst werden wird, so werbe ich - und DIE LINKE - doch dafür, die Bundeswehr aus Auslandseinsätzen zurück zu holen, der NATO den Oberbefehl über die Bundeswehr zu entziehen und Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen.

Viele Grüße,

Johannes Koch