Frage an Kirsten Kappert-Gonther bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Robert R. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Robert R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,

in den letzten Monaten haben tausende Menschen beim „Aufbruch 2017“ der Bürgerbewegung Campact in Wohnzimmern, Cafés und unter freiem Himmel darüber diskutiert, welche Aufgaben eine neue Bundesregierung angehen muss. Über 75.000 haben über die Ergebnisse dieser Diskussionen abgestimmt, herausgekommen ist ein Kompass mit 10 Forderungen für demokratischen, sozialen und ökologischen Fortschritt.

Auch ich mache beim „Aufbruch 2017“ mit – und lebe in Ihrem Wahlkreis. Bevor ich am 24. September wähle, möchte ich gerne wissen, wie Sie zu den Themen stehen, die mir und so vielen anderen wichtig sind. Bitte erklären Sie mir kurz, wie Sie und Ihre Partei sich im Falle einer Regierungsbeteiligung dazu verhalten würden.

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
R. R.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne nehme ich im Folgenden auf die zehn Forderungen des Aufbruch 2017 Stellung.

1. Das Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht gestalten.

Wir Grüne wollen die gesetzliche und private Krankenversicherung zur Bürgerversicherung weiterentwickeln. Damit schaffen wir eine stabile und gerechte Basis für unser Gesundheitswesen. Alle, auch Gutverdienende, Beamt*innen und Selbständige werden solidarisch und nach ihren jeweiligen finanziellen Möglichkeiten in die Finanzierung des Gesundheitswesens einbezogen.

2. Eine auskömmliche Rente einführen.

Die Basis für eine umfassende Alterssicherung ist und bleibt die gesetzliche Rente. Diese ist besser als ihr Ruf. Dabei müssen Rentenniveau und Beitragssatz in einem angemessenen Verhältnis stehen, sodass auch die junge Generation weiter in die gesetzliche Rente vertrauen kann. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass schon kurzfristig deutlich mehr Personen in die Rentenversicherung einbezogen werden, insbesondere jene, die keine obligatorische Absicherung haben; versicherungsfremde Leistungen aus Steuern bezahlt und die Rahmenbedingungen so verändert werden, dass es für Frauen, Ältere und gesundheitlich beeinträchtige Personen leichter wird, erwerbstätig zu sein oder auch eine Teilzeitstelle mit einer Teilrente zu verbinden. Wer viele Jahre eingezahlt hat, soll von seiner Rente auch leben können. Mit einer steuerfinanzierten Garantierente, die oberhalb der Grundsicherung liegt, wollen wir für alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens rentenversichert waren, gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben, ein Mindestniveau in der Rentenversicherung einführen.

3. Den Bahnverkehr attraktiver machen.

Entscheidend für die Verkehrswende sind gute Bahnen im Fern- und im Nahverkehr. Wir Grüne wollen den öffentlichen Verkehr stärken und die Fahrgastzahlen verdoppeln. Durch zeitlich befristete finanzielle Zuschüsse für Elektro-Nahverkehrsbusse wollen wir die Dieselbusflotte schnellstmöglich umrüsten. Wir wollen grüne Mobilität voranbringen: Dafür führen wir den MobilPass ein. Mit einer Smartcard oder App werden sämtliche Angebote des öffentlichen Verkehrs wie auch Car- und Bikesharing abrufbar sein.

4. Lobbyismus bekämpfen, z.B. durch ein zentrales Lobbyregister.

Die Arbeit des Bundestages und des Europäischen Parlaments muss transparenter werden, die Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen. Um den Einfluss von Lobbyist*innen und Interessengruppen offenzulegen, wollen wir ein verpflichtendes öffentliches Lobbyregister einrichten.

5. Keine undemokratischen und unfairen Freihandelsabkommen abschließen.

TTIP, CETA, TiSA, JEFTA oder andere Abkommen dieser Art sind so umstritten, weil hier die Rechte der Bürger*innen zur Verhandlungsmasse wurden. Die darin vorgesehenen Sonderklagerechte für Investoren und große Konzerne bedrohen demokratisch beschlossene Gesetze. Auch wird das Vorsorgeprinzip geschwächt. Wir Grüne lehnen diese Abkommen darum ab. Faire Handelsabkommen sollten Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz sowie Arbeitsnormen und Menschenrechte nicht schwächen, sondern international sichern und ausbauen. Dann können Handelsabkommen auch eine gerechte Globalisierung fördern.

6. Steuerflucht konsequent verfolgen und bestrafen.

Noch immer gehen uns Milliarden an Steuereinnahmen durch Steuerdumping und Steuergestaltung verloren. Gerade für Superreiche gibt es zu viele Möglichkeiten, sich der Steuerverantwortung zu entziehen. Anonymen Briefkastenfirmen, Geschäften in Steuersümpfen und steuerliche Vorteilen durch Wohnsitzverlagerungen ins Ausland sagen wir den Kampf an.

7. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv beschleunigen.

Deutschland muss den Weg der Energiewende entschlossen weitergehen. Es ist möglich und unser Ziel, die Energieversorgung und Energiespeicherung von Strom, Wärme und beim gesamten Verkehr komplett mit Sonne, Wind, Wasser, nachhaltig erzeugter Bioenergie, Umgebungstemperaturen und Erdwärme zu decken. 100 Prozent Ökostrom bis 2030, das ist unser Ziel. Dafür werden wir den Kohleausstieg einleiten und die schwarz-rote Ausbaubremse für Erneuerbare abschaffen. Wir wollen die Energiewirtschaft auf Erneuerbare umstellen und viele tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Erneuerbare Energien werden mit uns günstiger, fossile teurer.

8. Einen schnellen Ausstieg aus der Kohle verankern.

Wir werden den Kohleausstieg im Einklang zu unserem Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien im Strombereich bis 2030 gestalten. Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke schalten wir sofort ab, damit Deutschland das Klimaschutzziel 2020 noch erreichen kann. Wir wollen in den nächsten vier Jahren unsere volle Energie dafür einsetzen, den Kohleausstieg unumkehrbar einzuleiten. Den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue und ihre Erweiterung sowie den Bau neuer Kohlekraftwerke werden wir verhindern und keine neuen Umsiedlungen mehr zulassen. Kohle hat keine Zukunft!

9. Massentierhaltung einschränken.

Wir wollen die industrielle Massentierhaltung in den nächsten 20 Jahren beenden. Wir schaffen stattdessen eine zukunftsfähige Tierhaltung, indem wir dafür sorgen,
1. dass die Regeln stimmen. Die Tiere brauchen mehr Platz, Auslauf, Licht und Beschäftigung. Wir beenden das Tierleid, das Kükentöten, Amputationen und Qualzucht verursachen.
2. dass die Förderung stimmt. Die Bäuer*innen müssen den Umbau in eine bessere Tierhaltung mitgehen können.
3. dass die Bürger*innen wissen, was sie kaufen. Wir wollen bei Fleisch und Milch eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einführen, die einleuchtet so wie es das für Eier schon gibt.

10. Plastikmüll reduzieren.

Acht Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in unseren Ozeanen. Wir akzeptieren nicht, dass die Meere ein Raum ohne Leben werden, in dem es mehr Plastik als Fische gibt, dies würde auch unsere Existenz gefährden. Deshalb wollen wir Schluss machen mit dem Eintrag von Plastik in Gewässer und Umwelt. Dafür stärken wir national Abfallvermeidung, das Recycling, die Einführung von Mehrwegsystemen wie etwa bei To-go-Bechern und die Entwicklung abbaubarer Kunststoffe. Ebenso gilt es, den Eintrag von Mikroplastik vor allem ins Wasser einzudämmen. So hat dies etwa in Kosmetika nichts zu suchen; zugleich braucht es in Klärwerken Filterstufen zur Entfernung von Plastikpartikeln. Mit einer Ressourcenabgabe auf Produkte setzen wir einen Anreiz für Ressourcenschutz und Effizienzmaßnahmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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