Frage an Lothar Binding bezüglich Finanzen

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Lothar Binding
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Frage von Maximilian S. •

Frage an Lothar Binding von Maximilian S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

Sie sind finanzpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag.

Kurz zu meiner Person. Ich bin Maximilian Schneider, 20 Jahre alt und mache zurzeit eine Ausbildung in der Versicherungswirtschaft.
Seit dem 01.01 gilt die neue CO2 Steuer, die für mich persönlich die Spritpreise erhöht. Leider hat sich seit dem 01.01 allerdings mein Gehalt nicht erhöht. Welchen Ausgleich erhalte ich also für höhere Verbrauchersteuern? Ein KFZ ist für mich unersätzlich, auf dem Land ist der ÖPNV keine Alternative.
Diese Steuer wird insbesondere für Familien noch interessanter. Der Pendler, der z.B. aufgrund einer ländlichen Lage nicht unbedingt auf den ÖPNV umsteigen kann, bezahlt also deutlich mehr. Im Gegenzug dessen wurde der Soli abgeschafft, der allerdings kaum die entstandenen Mehrkosten federn wird.

Das größte Problem darin sehe, dass die Lenkungsfunktion sich ja gar nicht wirklich auswirken kann, da es keine geeigneten Alternativen gibt. Der ÖPNV ist auf dem Land zu schlecht ausgebaut und ein Elektroauto ist für den Normalverdiener trotz zahlreiche Zuschüsse nicht finanzierbar.

Ich als Wähler im Jahre 2021 sehe insgesamt, dass mir die SPD keinen Vorteil bietet - im Gegenteil.

Mein zweiter Punkt ist die geplante Finanztransaktionssteuer.
Wir wissen alle, dass klassische Geldanlagen keinerlei Rendite mehr erwirtschaften. Ich bespare in dem Zuge einen Aktienfond, indem ich monatlich etwas Geld investiere. Da ich keine Aktienspekulationen betreibe und lange sparen möchte, würde mir eine mögliche Steuer am Ende mehrere tausend Euro kosten. Ist es das Ziel die Altersvorsorge und den Vermögensaufbau junger Menschen zu erschweren?

Über eine Antwort freue ich mich sehr! Ich wünsche Ihnen persönlich Alles Gute und bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen
M. S.

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Sehr geehrter Herr Schneider,

vielen Dank für Ihre Fragen bei Abgeordnetenwatch.de.

Bei der CO2-Steuer handelt es sich um einen von vielen Bausteinen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Und dabei geht es zunächst nicht um Geld, sondern um Leben. Denn wenn wir beim Klima nicht aufpassen, beim Wasser, bei der Luft … wird uns auch der größte Haufen Geld nicht viel helfen. Gleichwohl: ohne Geld verhungern wir in dieser Welt. Auch dieser Vorstellung mag ich keinen Raum geben. Und weil ich im Finanzausschuss arbeite, befasse ich mich natürlich viel mit Geld, oft auch mit viel Geld und auch mit Ihrem Geld, bzw. mit dem Geld aller Bürgerinnen und Bürger.

Uns ist bewusst, dass die CO2-Steuer zunächst zu einer finanziellen Mehrbelastung der Bürger*innen führt. Um diese Belastungen an anderer Stelle wieder zu kompensieren (ohne die gewünschte CO2 Reduzierung zu gefährden) haben wir verschiedene weitere Änderungen beschlossen.

So wird für ab dem 1. Januar 2021 neu zugelassene Kraftfahrzeuge die KfZ-Steuer eine stärkere Berücksichtigung der CO2-Komponente enthalten, was besonders emissionsreduzierten PKW zugutekommt. Aber auch die Halter*innen bereits zugelassener PKW werden ab dem 1. Januar profitieren. So wird die Pendlerpauschale ab dem Beginn dieses Jahres ab dem 21. Kilometer von 30 Cent auf 35 Cent erhöht. Ab dem Jahr 2024 wird die Pauschale dann ein weiteres Mal auf 38 Cent angehoben. Pro Arbeitstag können sie diese Beträge pro einfachem Kilometer (ein Weg) von Ihren Einkünften in der Steuererklärung abziehen.

Dank Kaufprämie für Elektroautos sind inzwischen viele Elektroautos deutlich günstiger als Verbrenner. Das hat der aktuelle ADAC Kostenvergleich von reinen Batterie-Fahrzeugen, Plug-in-Hybriden und Verbrennern ergeben. Entscheidend sind die Kilometerkosten.

E-Autos fahren oft überraschend günstig. Zu sinkenden Grundpreisen kommt die bis Ende 2021 erhöhte Kaufprämie für Elektroautos hinzu. Je nach Modell gibt es bis zu 9.000 Euro teils vom Staat und teils vom Hersteller geschenkt. Zudem haben E-Autos deutlich niedrigere Wartungs- und Energiekosten. Die Spezialisten des ADAC haben nachgerechnet, ob es sich aktuell – neben dem ökologischen Aspekt – auch wirtschaftlich lohnt, auf ein Elektroauto oder einen Plug-in-Hybrid umzusteigen.

Rechnet man alle Kosten eines Autos zusammen, vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungsaufwände bis zum Wertverlust, schneiden Elektroautos immer häufiger besser ab als Verbrenner.

Beispiel VW Golf, hier schon in der 8. Generation: Den e-Golf für knapp 32.000 Euro (noch auf Golf-VII-Basis) kann man nicht mit dem günstigsten Basismodell (66 kW) mit Schaltgetriebe für 19.995 Euro vergleichen. Denn in Relation bietet der e-Golf mit seinem drehmomentstarken elektrischen 100-kW-Antrieb eine deutlich bessere Motorleistung und eine stufenlose "Automatik". Zum Vergleich hat der ADAC deshalb den 110 kW starken 1.5 eTSI Golf VIII mit DSG (29.687 Euro) herangezogen. Zieht man nun noch die aktuelle Elektro-Umweltprämie von 9.000 Euro vom Kaufpreis des Stromers ab, dann ist der e-Golf knapp 6.800 Euro günstiger in der Anschaffung.

Besonders spannend ist diese Berechnung, weil wir über die Jahre vergleichsweise geringe Wartungs- und Betriebskosten von Elektroautos in der Gesamtbilanz beobachten – ganz analog zu den Kraftstoffkostenvorteilen des Diesels gegenüber dem Benziner. Ergebnis im Falle des VW Golf: Die e-Version kommt bei der Gesamtrechnung auf 40,8 Cent pro Kilometer, der vergleichbar ausgestattete 1.5 eTSI Benziner auf 47,6 Cent. Das vergleichbare Dieselmodell (2.0 TDI DSG) schneidet mit 49,2 Cent am teuersten ab. Auch der Wertverlust wird dabei berücksichtigt. Das Fazit ist klar: Der e-Golf bewegt sich dank Umweltprämie im Alltag pro Kilometer günstiger als die Verbrenner. Natürlich soll dies kein Werbeblock für den Golf sein, sondern lediglich ein Zahlenbeispiel für den Vergleich von Elektroautos und Verbrennern. In einigen Jahren wird es zudem sicherlich auch ein besseres Angebot auf dem Gebrauchtmarkt für Elektroautos geben.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist seit vielen Jahren ein Anliegen der SPD eine Steuer auf Finanztransaktionen (FTS) innerhalb der EU einzuführen. Sie soll neben dem ursprünglichen Grundgedanken: Steuer zur Armutsbekämpfung, auch ein Instrument zur Eindämmung von komplexen Finanzinnovationen und spekulativen Finanzgeschäften wie etwa Hochfrequenzhandel, Arbitrage und exzessiven Hebel- und Spekulationsgeschäften sein.

Wir hoffen, dass sich dann bestimmte Geschäfte weniger lohnen. Deshalb haben wir in der letzten Legislaturperiode immer wieder darauf gedrängt, dass der damalige Bundesfinanzminister Schäuble die Verhandlungen auf europäischer Ebene entsprechend vorantreibt. Leider wurden die Verhandlungen so inkonsequent geführt, dass nicht nur Zweifel an seinem Willen zur Umsetzung entstanden sind, auch die Basis für die gegenwärtigen Verhandlungen ist dadurch inzwischen sehr schwierig geworden. Nach praktisch 10jährigen Verhandlungen versteifen sich die Verhandlungsparteien und Kompromisse werden immer schwieriger.

Gleichwohl hat die Einführung einer FTS im Bundesfinanzministerium und bei Olaf Scholz gegenwärtig eine hohe Priorität. Es geht dabei ja stark um Gerechtigkeit. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart: „Die Einführung einer substanziellen Finanztransaktionsteuer wollen wir zum Abschluss bringen.“ Die Bundesregierung setzt sich derzeit dafür ein, eine FTS auf europäischer Ebene einzuführen. In einer Gruppe von zehn Staaten wird in der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit über eine Einführung verhandelt. Die Grundlage für die Verhandlungen bildet der sogenannte deutsch-französische Vorschlag. Die gute Nachricht ist also: Die Einführung einer FTS ist zwar etwas näher gerückt. Aber ich möchte den Tag nicht vor dem Abend loben, bleibe skeptisch.

Nach dem aktuellen Vorschlag sollen Transaktionen von im Inland emittierten Aktien inländischer Unternehmen besteuert werden. Voraussetzung ist, dass die Marktkapitalisierung der Unternehmen einen Wert größer einer Milliarde Euro aufweist. Der Steuersatz soll bei etwa 0,2% liegen.

Hier sehen Sie, dass sich Ihre persönliche Steuer auf einem erträglichen Niveau bewegt. In der Ausbildung werden Sie keine Möglichkeit haben jeden Monat große Summen in Aktien zu investieren. Aber angenommen Sie investierten 200 Euro, dann läge die Steuer bei 40 Cent. Das sollte Sie nicht von Ihrer Investition abhalten. Oft wird vom Management bestimmter Geldsammelstellen mit Riester und Fonds argumentiert und der hohen Umschlaghäufigkeit – das lasse ich nicht gelten, denn eine hohe Umschlaghäufigkeit oder gar Hochfrequenzhandel ist verzichtbar.

Um deutlich zu machen, warum ich die Aufregung über die FTS (noch nicht einmal in Sichtweite) nicht akzeptiere, vergleichen Sie bitte mit den Vertriebsvergütungen: Einstiegskosten, laufende Kosten pro Jahr, die ein Vielfaches der 0,2 % Steuer ausmachen. Die Aufregung ist allerdings umgekehrt proportional zur Kostensituation. Weil Sie in der Versicherungswirtschaft arbeiten – ich werde oft von Bürgerinnen und Bürgern gefragt, warum „die Politik“ es eigentlich zulasse, dass sich Versicherungen „Paläste bauen“, teure Lobbyverbände leisten und exorbitant hohe Managergehälter genehmigen? Schließlich seien das doch alles Prämien-Gelder ihrer Kundinnen und Kunden.

Die EU-Kommission hat eine Schätzung des Steueraufkommens auf Grundlage der französischen FTS durchgeführt. Bei einem Steuersatz von 0,2% würde sich für die 10 teilnehmenden Staaten aus der verstärkten Zusammenarbeit ein Steueraufkommen von ca. 3,5 Milliarden Euro ergeben. Auf Deutschland könnten ca. 1,25 Milliarden Euro entfallen. In dem Vorschlag heißt es, dass ein Teil des nationalen Steueraufkommens dem EU-Haushalt oder einem möglichen Eurozonenbudget zufließen soll. Hier tut sich schon eine dritte Verwendungsmöglichkeit auf…

Bei den Verhandlungen in der verstärkten Zusammenarbeit zeichnet sich folgendes ab: Eine Finanztransaktionssteuer nach der ursprünglichen Konzeption, die neben Aktien auch Derivate und andere Finanzprodukte mit in die Bemessungsgrundlage aufnimmt, wird es wahrscheinlich nicht geben.

Ich bin der Meinung, dass die Bemessungsgrundlage diese Produkte einschließen sollte. Allerdings lassen sich dafür keine Mehrheiten finden. In der verstärkten Zusammenarbeit wollen einige Länder keinesfalls Zinsderivate, andere wollen keine Aktienderivate, wieder andere keine Altersvorsorge­produkte. In Summe bleibt als Minimalkonsens der deutsch-französische Vorschlag. So bekommen wir nur, aber immerhin ein Füßchen die Tür. Vielleicht. Denn ohne Konsens finden sich keine Mehrheiten und ohne Mehrheiten lässt sich die FTS überhaupt nicht realisieren, dann existiert sie weiterhin nur als Konzept auf Papier.

Einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission für eine FTS gibt es noch nicht. Momentan existieren Überlegungen, Verhandlungen und Vorschläge, aber noch keine Beschlüsse. Es ist aber unser Ziel, sich in Europa auf eine FTS zu verständigen, die Einnahmen schafft, ohne dabei die Privatanleger nachhaltig zu belasten, was bei dem vorgeschlagenen Steuersatz nicht passieren kann – es sei denn wir bewegen uns in der Zockerwelt, denn das Handelsvolumen von Privatanlegern in Deutschland beträgt nur etwa 3 Prozent.

Sie schreiben, dass Ihr Ziel ist, langfristig zu investieren. Das ist ein guter Plan, denn nur so lässt sich tatsächliche Wertschöpfung erwarten, nicht durch kurzfristige Spekulationen. Hier greift auch der Gedanke der FTS an, wer kurzfristig spekuliert, um jeden noch so kleinen Gewinnen mitzunehmen, wird von der Steuer betroffen sein – das ist auch gewollt. Wenn Sie aber langfristig investieren, sind sie nur beim Kauf der Aktien von der überschaubaren Steuer von 0,2 Prozent betroffen. Zudem sieht der dt.-fr. Entwurf auch einige Ausnahmen vor: Börsengänge von Unternehmen zur Beschaffung von frischem Kapital. Zusätzlich darf jedes Land entscheiden, ob es Aktienfonds oder ähnliche Produkte zur privaten Altersvorsorge mit dieser Steuer belegt.

Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort weiter.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding

Lothar Binding