Stimmen Sie am 26.09. beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen mit "Ja"? Wenn der Volksentscheid erfolgreich sein sollte, werden Sie sich dann dafür einsetzen, dass er auch umgesetzt wird?

Portrait von Marcel Hopp
Marcel Hopp
SPD
60 %
/ 5 Fragen beantwortet
Frage von Johannes S. •

Stimmen Sie am 26.09. beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen mit "Ja"? Wenn der Volksentscheid erfolgreich sein sollte, werden Sie sich dann dafür einsetzen, dass er auch umgesetzt wird?

Sehr geehrter Herr Hopp,
Da Ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey gesagt hat, dass Enteignung für sie eine "rote Linie" bei möglichen Koalitionsverhandlungen sind (siehe: https://www.rbb24.de/politik/wahl/abgeordnetenhaus/agh-2021/beitraege/berlin-giffey-enteignung-spd-linke-gruene-rote-linie.html), bin ich besorgt, dass Ihre Partei den demokratischen Willen der Mehrheit der Berliner*innen möglicherweise nicht akzeptieren wird. Deshalb frage ich nach Ihrer Haltung, ob Sie sich dafür einsetzen werden, dass ein erfolgreicher Volksentscheid auch umgesetzt wird.

Portrait von Marcel Hopp
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich halte das Instruments des Volksentscheid für eines, das in unserer parlamentarischen Demokratie ein besonders hohen Stellenwert hat. Für mich ist jeder erfolgreiche Volksentscheid ein Handlungsauftrag an den Berliner Senat - und damit flankierend auch an der Abgeordnetenhaus von Berlin. Das gilt ebenso für den Fall, sollte der Volksentscheid "DW & Co. enteignen" erfolgreich sein.
Vor diesem Hintergrund halte ich den Vorschlag der Spitzenkandidatin der Grünen Bettina Jarasch, einen erfolgreichen Volksentscheid nur als Verhandlungsmasse für einen "Mietenschutzschirm" zu nutzen, aus demokratischer Sicht gegenüber der Berliner Bevölkerung für äußerst problematisch. 

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Franziska Giffey ihre Aussage mehrfach präzisiert und deutlich gemacht hat, dass sie selbstverständlich das Ergebnis eines Volksentscheids respektieren wird. Das schließt keinesfalls eine inhaltliche Positionierung gegen das Ansinnen der Initiative aus. Zuletzt hat sie sich dazu am 8. September geäußert (https://twitter.com/FranziskaGiffey/status/1435647320570400771?s=20). 

Zu ihrer ersten Frage:
Als Bürger und Wähler werde ich am 26.09. mit "Nein" stimmen. 
Ich bin nicht der Überzeugung, dass der vorliegende Vorschlag effektiv und nachhaltig zu einer (Teil-)Lösung des Mietenproblems in Berlin führen wird. Ich möchte ausdrücklich deutlich machen, dass ich keineswegs gegen die grundgesetzlich geschützte Möglichkeit einer Enteignung im Sinne des Gemeinwohls argumentiere. Ich teile durchaus die Analyse der Mietproblematik sowie die grundsätzlichen Ziele der Initiator:innen von #dwenteignen hin zu mehr bezahlbaren und geschützten Wohnraum in Berlin. Die Kernfrage ist allerdings, welche mietenpolitischen Schwerpunkte die Landespolitik legen sollte. Ich bin der vollen Überzeugung: Die Mietenproblematik in Berlin ist ein "Drache mit vielen Köpfen", der nur mit einem klugen Mix aus verschiedenen Maßnahmen besiegbar sein wird - und eben nicht mit der Schwerpunktsetzung auf eine Maßnahme. 

Das heißt konkret, ich möchte, dass wir unter anderem:

- über die Bundesebene (in einer Regierung ohne CDU/CSU):

  • einen Mietendeckel einführen, die Mieter:innenrechte stärken, die Modernisierungsumlage weiter senken, eine vollständige Übernahme der CO2-Kosten durch den Vermieter regeln und die gesetzliche Mietgesetzgebung auf die Warmmiete umstellen, um energetische Sanierungen voranzutreiben, aber gleichzeitig Mietensteigerungen über die Nebenkosten zu verhindern.

- Im Land Berlin wollen wir:

  • durch sinnvolle Rückkäufe und durch Neubau den sozialen, kommunalen Wohnungsbestand drastisch erhöhen: Dazu wollen wir den Neubau in Berlin zur Chefinnen-Sache erklären und mit der Zusammenlegung der Ressorts Stadtentwicklung und Wohnen eine Neubauoffensive - insbesondere durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen - starten. Bis 2030 besteht ein Bedarf von insgesamt 194.000 neuen Wohnungen, darunter 20.000 p.a. bis 2021, um die Berliner Haushalte mit Wohnraum zu versorgen; dieses Neubauvolumen ist Voraussetzung für eine quantitative Marktentspannung und Preisdämpfung am Berliner Wohnungsmarkt. 
  • Genossenschaften, die sozialverträgliche Mieten anbieten, stärken und sie auch bei der Bodenvergabe fördern. 
  • einen weiteren Schwerpunkt auf eine soziale Bodenpolitik setzen, mit der wir durch eine aktive Ankaufstrategie Boden bevorraten wollen. Dafür wollen wir Berliner Bodenfonds stärken. 
  • wichtig sind ebenfalls (über die Sicherung von genügend Sozialwohnungen hinaus), dass wir genug Wohnraum im mittleren Preissegment für Menschen knapp über der Bemessungsgrenze schaffen. Dafür braucht es auch sinnvolle Bindungen aus Förderungen und Vorgaben wie im Berliner Modell der Baulandentwicklung, die wir weiter stärken wollen. 
  • die Bezirke darin stärken, dass Vorkaufsrecht weiterhin und effektiver einsetzen zu können und auch darin, das Zweckentfremdungsverbot durchsetzen zu können.
  • Mir ist darüber hinaus wichtig, dass Berlin und Brandenburg stärker als bisher mit einer kooperativen Stadtplanung zusammenarbeiten. Die wachsende Stadt Berlin muss und wird auch in die Breite wachsen, da das Potenzial an Nachverdichtungen eben auch begrenzt sein wird. Hierzu braucht es neue politische Ansätze, die über die Verwaltungsgrenzen der Bundesländer hinaus denkt, plant und handelt. 

Diese verschiedenen Instrumente zeigen hoffentlich, dass wir das Mietenproblem mit einem klugen Mix an unterschiedlichsten Maßnahmen angehen wollen und müssen. Eine Schwerpunktsetzung auf eine Maßnahme, wie es von den Initiator:innen von #dwenteignen gefordert wird, halte ich nicht für sinnvoll und nachhaltig. 
Im Folgenden möchte ich im Detail begründen, warum ich beim Volksentscheid #dwenteignen mit "Nein" stimmen werde:

  • #dweinteignen fehlt die Zielgenauigkeit: private Wohnungseigentümer Berlins mit mehr als 3000 Wohnungen sollen enteignet werden – und zwar unabhängig davon, ob sie fair mit ihren Mieter:innen umgehen oder nicht. Das Ziel der Initiative, Unternehmen allein nach der Größe des Wohnungsbestands zu enteignen, differenziert nicht zwischen guten und schlechten Vermieter:innen.
  • Die kalkulierten Kosten und Haushaltsbelastungen sind zu hoch:
    Der Senat geht in seiner Kostenschätzung nach dem derzeitigen Stand von Entschädigungskosten von 28,8 bis 39,5 Milliarden Euro aus und nimmt an, dass Berlin im Falle einer Umsetzung über eine neu zu gründende AöR Eigenkapital von rund 6,1 bis 9 Milliarden Euro aufbringen müsste. Hinzu kommen kommen Erwerbsnebenkosten von 0,5 % bzw. 200 Millionen Euro sowie weitere einmalige Kosten in Höhe von 1,4 - 3,2 Milliarden Euro. Bei einer Entschädigung zum Verkehrswert und konservativen Annahmen zu den Zinsbedingungen wären Zuschüsse von bis zu 540 Mio. € jährlich notwendig.
  • Ein langer Rechtsstreit würde die mietpolitischen Ziele Berlins gefährden:
    Es ist mit einem langjährigen Rechtsstreit zu rechnen. In der Zeit einer gerichtlichen Klärung sind weder das Land Berlin noch die enteigneten Unternehmen handlungsfähig, d.h. konkret: die Wohnungen würden faktisch nur noch notverwaltet.
    Falls das Gesetz aufgehoben würde, kämen Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe für entgangene Gewinne, Substanzverlust oder ausgelassene Mieterhöhungen zusammen – ein Risiko, das beim Landeshaushalt hängen bleibt. Beides würde die mietenpolitischen Ziele gefährden. 
  • Die Erwartungshaltung durch #dwenteignen sind zu hoch:
    Eine Vergesellschaftung führt nicht zwangsweise zu geringeren Mieten, da die Kosten und die starke Haushaltbelastung für das Land sowie weitere Kosten durch bspw. Sanierungen refinanziert werden müssen. Das Versprechen sinkender Mieten für die Mieter:innen enteigneter Wohnungen ist zum jetzigen Zeitpunkt und angesichts der offenen Fragen und Folgeprobleme nicht seriös machbar und kaum einzuhalten. 
  • Die rechtlich offene Frage der Genossenschaften:
    Auch unsere 29 Wohnungsgenossenschaften in Berlin haben mehr als 3.000 Wohnungen. Zwar betonen die Initiator:innen von #dwenteignen ausdrücklich, dass sie Genossenschaften als gemeinnützig betrachten und damit vor der Vergesellschaftung schützen wollen, allerdings ist dies eine Frage, die nicht die Initiator:innen festlegen, sondern eine, die rechtlich vor Gerichten entschieden wird. Rechtlich gesehen ist es höchst strittig, ob Genossenschaften, als gemeinnützig oder nicht eben doch als privatwirtschaftlich eingestuft werden müssen. Sollte letzteres der Fall sein, wären auch sie von einer Enteignung betroffen. 
    Ich möchte, dass wir uns als Berliner Politik stärker am Beispiel der erfolgreichen Mietenpolitik in Wien orientieren. Dafür brauchen wir starke Genossenschaften, die wir weiter stärken müssen, anstatt mit ihnen rechtlich zu experimentieren. 

 

 

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Marcel Hopp
Marcel Hopp
SPD