Frage an Oliver Krischer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Oliver Krischer
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Frage von Eva M. •

Frage an Oliver Krischer von Eva M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ist Spanien wirklich ein Rechtsstaat?...

…wie der Pressesprecher der deutschen Regierung am 26.3.18 behauptet?
Ich bin besorgt, wie sich die Bundesregierung und ihre Partei bei der Frage der Auslieferung von Herrn Puigdemont verhält. Man tut so, als sei in dem befreundeten Spanien alles in Ordnung… jedoch gibt es hier viele berechtigte Zweifel.
WAS TUN SIE, UM DIE MENSCHENRECHTE UNSERER EU-MITBÜRGER IN KATALONIEN ZU SCHÜTZEN, INSBESONDERS DAS RECHT AUF SELBSTBESTIMMUNG UND FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG?
Menschenrechtsexperten wie der französische ehemalige Richter und Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Jean Costa, sowie der ehemalige belgische EGHR Richter Francoise Tulkens haben das Vorgehen Spaniens gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung auf Verhältnismäßigkeit und Vereinbarkeit mit internationalem Recht geprüft (http://blickpunktkatalonien.com/europa-in-der-pflicht).
W. Kaleck, Gründer des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und ebenfalls Mitglied der Experten erklärt :
„Die Diskussion geht oft um die Rechtmäßigkeit oder Nichtrechtmäßigkeit einer Abspaltung. Doch ein Großteil der von uns untersuchten Maßnahmen seitens des spanischen Staates fand bereits im Vorfeld der sogenannten Unabhängigkeitserklärung statt“.
Die Experten untersuchten Maßnahmen des spanischen Verfassungsgerichts gegen die Aktivitäten der katalanischen Abgeordneten und deren strafrechtliche Verfolgung zwischen 2013 und 2017.
Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts darüber, was im Parlament von Katalonien debattiert und worüber abgestimmt werden darf, sowie die strafrechtliche Verfolgung der Abgeordneten wegen „Ungehorsam“, seien „eine schwere Einmischung in die Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, garantiert durch Artikel 10 und 11 der Europä̈ischen Charta für Menschenrechte (ECHR) und Artikel 19 und 21 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, die Spanien ratifizierte.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau M.,

auch wir sind äußerst besorgt darüber, dass im Europa des 21. Jahrhunderts in einem großen EU-Mitgliedsland wie Spanien eine solche Krise derart eskalieren konnte. Wir Grüne fordern seit langem vermittelnde Gespräche zwischen den Lagern und Kontrahenten, um einer weiteren Eskalation die Grundlage zu nehmen und eine für alle annehmbare Lösung zu finden.
Wir haben die von Madrid angesetzten Neuwahlen zum Regionalparlament vom 21. Dezember 2017 für eine echte Chance gehalten, um in einen neuen politischen Dialog übergehen und die Krise lösen zu können. Leider zeigt sich, dass diese Hoffnung, den Konflikt zu entschärfen, sich nicht erfüllt hat. Nun müssen beide Lager endlich in einen glaubwürdigen politischen Dialog treten und gemeinsam Wege für eine Überwindung der Spannungen zwischen Spanien und Katalonien und der Spaltung innerhalb der katalanischen Gesellschaft finden. Allen sollte klar sein, dass weder Gerichte, noch eine Eskalationsstrategie mit der Brechstange diese Krise werden lösen können.

Ein glaubwürdiger Dialog erfordert eine klare Trennung juristischer und politischer Fragen. Beide Seiten müssen jetzt bereit sein, die berechtigte Strafverfolgung anzuerkennen und gleichzeitig einen ausreichend offenen Dialograum zu öffnen. Dann könnten etwa auch Gespräche über weitergehende Autonomie-Rechte, einen neuen Länderfinanzausgleich oder auch eine Änderung der Verfassung für legale Referenden, wie sie der spanische Außenminister etwa ins Spiel gebracht hatte, aufgenommen werden. In Deutschland sind wir bislang jedenfalls mit einer stetigen Anpassung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern gut gefahren. Wir sollten - ob national oder europäisch – immer das suchen, was uns verbindet, damit wir trotz Unterschiedlichkeit in Einheit leben können.
In der Katalonien-Krise sind auf allen Seiten Fehler gemacht worden. Die Verweigerung des Dialogs und die massive Polizeigewalt im Zuge des verfassungswidrigen katalanischen Unabhängigkeitsreferendums, die die Regierung Rajoy zu verantworten hat, bis hin zur Inszenierung der Unabhängigkeitserklärung im katalanischen Parlament haben die Eskalationsspirale befeuert. Trotz der Fehler auf beiden Seiten bleibt Ausgangspunkt der Eskalation der Bruch der spanischen Verfassung durch die katalanische Regierung, die einseitig die Abspaltung bis zur Unabhängigkeitserklärung vorangetrieben hat. Damit hat nicht etwa die spanische Zentralregierung, sondern die katalanische Regionalregierung gegen geltendes spanisches Recht und damit auch gegen das EU-Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Folglich muss sich jetzt auch die gesamte ehemalige katalanische Regierung, einschließlich ihres abgesetzten Präsidenten vor der spanischen Justiz verantworten. Wir gehen davon aus, dass die Unabhängigkeit der spanischen Justiz ihm und seinen Mitstreitern ein faires und rechtsstaatliches Verfahren garantiert. Das Oberste Gericht Spaniens hat jedenfalls bereits verfügt, dass die drei inhaftierten und wiedergewählten Ex-Minister der abgesetzten katalanischen Regierung für die Zeit ihrer Untersuchungshaft ihre Stimmen im katalanischen Regionalparlament auf Vertreter übertragen dürfen.

Die Frage der Verfasstheit des spanischen Staates ist und bleibt eine innere Angelegenheit Spaniens. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich im Vertrag von Lissabon dazu verpflichtet, die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt (Art. 4 Abs. 2 EUV). Eine einseitige Internationalisierung wie sie der katalanische Ex-Präsident Carles Puigdemont verfolgt, würde den Konflikt nur vertiefen, nicht aber lösen. Sie würde ein fragwürdiges Exempel statuieren, dass Europa nicht voranbringen, sondern lähmen und der Solidarität und Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU schaden würde.

Freundliche Grüße
Oliver Krischer