Frage an Renate Sommer bezüglich Verbraucherschutz

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Renate Sommer
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Frage von Harald T. •

Frage an Renate Sommer von Harald T. bezüglich Verbraucherschutz

Guten Tag Frau Dr. Sommer,

Vorab meine Frage/Bitte zu Ihrem geplanten Abstimmungsverhalten zur neuen EU-Urheberrichtlinie am 12.09.2018:
Falls Sie der Richtlinie in Ihrer derzeitigen Fassung bezüglich der Uploadfilter zustimmen wollten, bitte ich Sie mir zu sagen, warum Sie keinen Nachbesserungsbedarf sehen.

Am 12. September 2018 wird die Plenarversammlung des Europäischen Parlaments zum zweiten Mal über die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie abstimmen. Der Artikel 13 dieser neuen Richtlinie führt für Inhalteplattformen im Internet die Pflicht ein, die Beiträge von Benutzern auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. OpenStreetMap müsste solche Filter ebenfalls einrichten. Das gefährdet unter anderem das Projekt www.openstreetmap.de .
Falls Sie sich nicht blind (uniformiert) der Abstimmungsempfehlung Ihrer Fraktion anschließen wollten, können sie hier https://www.openstreetmap.de/uf/ u.a. erfahren, warum dieses und ähnliche Projekte (Wikipedia) wegen der in der Richtlinie geforderten Uploadfilter erheblich in finanzielle Schwierigkeiten brächte und technologische Abhängigkeiten von Softwaregiganten (Filtertechnologie) erzeugen würde.

Bitte stimmen Sie der Richtlinie in ihrer derzeitigen Fassung bezüglich der Uploadfilter nicht zu!

Falls Sie der Richtlinie in Ihrer derzeitigen Fassung bezüglich der Uploadfilter zustimmen wollten, bitte ich Sie mir zu sagen, warum Sie keinen Nachbesserungsbedarf sehen.

Beste Grüße
H. T., Aachen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr T.,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Anmerkungen bezüglich der geplanten Urheberrechtsrichtlinie.

Zunächst einmal verfolgt die Novelle des Urheberrechts in der Europäischen Union das Ziel, geltendes Recht an das veränderte Nutzungsverhalten der Bürger anzupassen und dabei die Interessen von Künstlern und Autoren, Produzenten, Verlegern, Rechteinhabern, Konsumenten und Internetnutzern fair auszugleichen.

Die EVP-Fraktion tritt in diesem Zusammenhang für einen ausgewogenen Ansatz ein. Wir sind der Überzeugung, dass die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher nur geschützt werden können, wenn die Tragfähigkeit und die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten wird.

Der Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und die Förderung eines breiteren Zugangs zu Werken sind die Säulen der wirtschaftlichen Nutzung des Internets und Grundlagen der digitalen Wirtschaft der EU. Doch gerade dort sind immer mehr urheberrechtlich geschützte Werke illegal und ohne Genehmigung der Rechteinhaber erhältlich. Das ist ein Problem. Wenn mit der Schaffung von Werken keine Einnahmen mehr erzielt werden, ist die Schaffung neuer Werke nicht mehr zu finanzieren. Deshalb müssen die berechtigten Interessen der Rechteinhaber geschützt werden.
Außerdem kann die kulturelle Vielfalt in Europa nur erhalten werden, wenn für ein hohes Maß an urheberrechtlichem Schutz gesorgt wird, indem Autoren und andere Inhaber von Urheberrechten angemessen vergütet und Investitionen in die Kreativ- und Kulturwirtschaft gefördert werden.
Die EVP setzt sich deshalb dafür ein, den Zugang zu Diensten und Inhalten zu fördern. Gleichzeitig sollen aber auch genügend Einnahmen für Kulturschaffende und Kreative erzielt werden, damit die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Erbe Europas gefördert werden können.
Das heißt natürlich nicht, dass nun alles, was Sie ins Internet stellen, gefiltert oder gesperrt wird. Doch muss die Verantwortung der Online-Plattformen neu definiert werden. Online-Plattform-Dienstleister, die es Benutzern ermöglichen urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, müssen auch ihre Verantwortung für den Schutz der Autorenrechte tragen.
Diese Anbieter erzielen also hohe Gewinne durch die Vermarktung von Inhalten, deren Rechte sie nicht besitzen. Gerade sie sollen nun ihr Maß an Sorgfaltspflichten über die hochgeladenen Werke klar erfüllen. Hier muss es zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechteinhaber und denen, die wirtschaftlichen Gewinn aus urheberrechtlich geschützten Inhalten generieren, kommen. Dies geschieht zum Beispiel, indem Plattformen Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern oder Rechteinhabern treffen
Das Problem in der Wertschöpfungskette zwischen Online-Plattformen als Verbreiter und Urhebern und Künstlern als Schöpfer der Inhalte lässt sich gut anhand des Beispiels des Musikmarkts erläutern:
Heutzutage wird mehr Musik gehört als jemals zuvor. Allerdings bieten einige Internet-Provider Musik zum Abruf an, ohne Lizenzen für die Musiknutzung zu zahlen. Obwohl die Online-Plattformen eine aktive Rolle bei der Verbreitung und Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie zum Beispiel Musikstücken spielen, berufen sich die Plattformbetreiber darauf, selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorzunehmen bzw. unter das Haftungsprivileg für Host-Provider zu fallen. So wird eine Lizenzierung der Inhalte entweder gänzlich verweigert oder die Plattformbetreiber bezahlen lediglich Vergütungen „auf freiwilliger Basis“.

Aufgrund dessen kommt es zum sogenannten „Value Gap”, d.h. trotz steigender Nutzungszahlen kommt dieser Erfolg nicht bei denjenigen an, die die Musik komponieren, die Texte schreiben oder als Label die Künstler bei der Herstellung und Vermarktung unterstützen. So wird das mithilfe der Musik erwirtschaftete Geld nicht entlang der Wertschöpfungskette mit allen Beteiligten fair geteilt. Gleichzeitig herrschen keine gleichen Wettbewerbsbedingungen. So konkurrieren Streamingdienste wie Spotify und Deezer, die Musik voll lizenzieren, mit Diensten wie YouTube, dem inzwischen größten Musikdienst der Welt, die nicht oder nur in geringem Maße lizensieren.

Artikel 13 der Urheberrechtsreform in Verbindung mit Erwägungsgrund 38 adressiert diesen „Value Gap“. In den Verhandlungen unterstützt die EVP-Fraktion diesen Artikel, um so faire Wettbewerbsbedingungen und Transparenz auch online wiederherzustellen, sodass auch kleinere und mittlere Musikunternehmen und Künstler von den erwirtschafteten Umsätzen profitieren und angemessen daran beteiligt werden.
In diesem Zusammenhang wird auch eine Verpflichtung der Anbieter zur Entwicklung sogenannter „Upload-Filter“ diskutiert. Der Kommission zur Folge soll so den Rechteinhabern eine größere Kontrolle über die Verbreitung und Vermarktung ihrer Inhalte verschafft werden. Aus ihrer Folgenabschätzung geht hervor, dass dadurch eben nicht marktführende Internetfirmen bevorteilt werden, wie Sie sich sorgen. Stattdessen stehen die Kunst- und Kulturschaffenden bzw. Vertriebsfirmen als Rechtsinhaber im Vordergrund.
„Die bevorzugte Option im Bereich Lizensierung von Videoabrufrechten würde dazu beitragen, vertragliche Hindernisse zu beseitigen und damit die Verfügbarkeit europäischer audiovisueller Werke auf Plattformen für Videoabruf zu stärken.“

Einige Bürger sorgen sich um die Folgen für europäische KMUs. Das ist verständlich, scheint aber aufgrund der Folgenabschätzung der Kommission unbegründet. Ob das Europäische Parlament das Modell des Filters präferiert, ist zur Zeit noch fraglich. Hier ist etwa noch unklar, wie eine technische Umsetzung aussehen könnte.
Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, den Schutz des Urheberrechts zu stärken. Firmen wie Google und Facebook etwa arbeiten mit Tools, in denen Künstler und Autoren der Veröffentlichung ihrer Werke zustimmen können. Dafür erhalten sie dann eine entsprechende Vergütung. Sie sehen also, es werden verschiedene Optionen diskutiert.
Seien Sie versichert, dass niemand eine Zensur oder die Einschränkung der Nachrichtenverbreitung im Internet befürwortet. Das betrifft natürlich auch Presseerzeugnisse. Für die Nutzung dieser urheberrechtlich relevanten Inhalte sollte eine Lizenz erworben werden, um den Qualitätsjournalismus in Europa zu erhalten.
Derzeit greifen digitale Plattformen wie Google und Facebook die Werbung der Verlage ab, wenn sie deren Artikel auf ihre Seiten heben. Bis zu 80 Prozent der durch die Verlage generierten Werbung nehmen sie einfach mit. Das führt zu einer wirtschaftlichen Schieflage. Die Verlage büßen stetig Umsätze ein. Dies ist ein Hauptgrund für das derzeitige Zeitungssterben, bei dem viel an Meinungs- und Deutungsvielfalt verloren geht.
Mit der Urheberrechtsrichtlinie soll in keinem Fall die Möglichkeit beschränkt werden, sich über verschiedene Nachrichtenquellen zu informieren - es bedeutet nur, dass Online-Plattformen für die Nutzung von Presseerzeugnissen eine Lizenzgebühr bezahlen sollten, wie auch sie als Zeitungsleser am Kiosk für ihr Presseerzeugnis, in dem Fall ihre Zeitung, bezahlen. Auf diese Weise soll die Nachrichtenverbreitung und der Qualitätsjournalismus gestärkt werden. Denn: eine vielfältige Presselandschaft stellt ein hohes gesellschaftliches Gut dar.
Wir als EVP-Fraktion versuchen, die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher zu schützen, in dem die Tragfähigkeit und die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Renate SOMMER, MdEP
Mitglied des Europäischen Parlaments