Frage an Rüdiger Kruse bezüglich Wirtschaft

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Rüdiger Kruse
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Frage von Klaus-Peter S. •

Frage an Rüdiger Kruse von Klaus-Peter S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Kruse,

die Zuwanderung ist für unsere einheimische Bevölkerung aus verschiedenen Gründen ein sehr brisantes nicht zu unterschätzendes Thema. Vorweg: Das hat übrigens überhaupt nichts mit den gerne verwendeten unwahren Unterstellungen von Ausländerfeindlichkeit zu tun! Damit will man nur gerechtfertigte Kritik aus der Bevölkerung im Keime ersticken. Dieses Vorgehen ist aber lange durchschaut und schreckt mich jedenfalls überhaupt nicht. Man sollte sich ausschließlich mit Argumenten und den überprüfbaren wahren Fakten auseinander setzten.
Zu meinen Fragen: Die Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit kam aktuell zu einem interessanten Ergebnis! (Quelle: z.B. Bayerntext 12.02.2014)
Von den Vollzeitbeschäftigten aus den zehn osteuropäischen EU- Staaten arbeiteten 53 Prozent Ende 2012 zu einem Lohn u n t e r h a l b der
Niedriglohnschwelle!
Die gut ausgebildeten Fachkräfte aus Osteuropa müssen hier bei uns also überwiegend zu Niedriglöhnen arbeiten! Finde ich schon interessant!
Haben wir in Wirklichkeit entgegen den Behauptungen aus Politik und Wirtschaft gar keinen Mangel an Fachkräften (Pflegebereich wegen der extrem schlechten Bedingungen einmal ausgenommen)?
Haben wir in Wirklichkeit nur einen Mangel von Fachkräften, die nicht bereit sind sich für Niedriglöhne ausbeuten zu lassen?
Will die Wirtschaft nur mehr ausländische Arbeitnehmer in unser Land holen, um noch mehr Lohndumping betreiben zu können und die Löhne auch für einheimische Arbeitnehmer weiter zu drücken? Liegt für mich auf der Hand!
Dient der angebliche Fachkräftemangel nur als vorgeschobenes unwahres Argument, lediglich zum Zwecke der Gewinnmaximierung der Unternehmer? Ich habe mir meine Meinung schon länger gebildet. Ich stehe aber Ihren Argumenten offen gegenüber und freue mich auf Ihre Sichtweise und Antworten.
Ich wünsche mir unter der neuen politischen Ausrichtung für die Zukunft mehr Wahrheit und Gerechtigkeit für unser Land!

Mit freundlichem Gruß
Klaus-Peter Steinberg

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CDU

Sehr geehrter Herr Steinberg,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zum Thema Fachkräftemangel und der damit verbundenen Frage nach Zuwanderung.

Fakt ist, in Deutschland gibt es bereits heute einen Fachkräftemangel. Dieser ist m. E. kein vorgeschobenes Argument der Unternehmer, um Lohndumping zu betreiben. In meiner Tätigkeit als Abgeordneter spreche ich mit vielen Menschen, unter anderem mit Unternehmern. Vor allem in kleinen oder mittelständischen Firmen wird mir oft berichtet, dass es Probleme gibt, gut ausgebildete Kräfte zu finden. Dies betrifft z. B. Elektrotechniker, oder den Bereich des Hotel- und Gastgewerbes. Auch Maler-, Schreiner- und Schlossereibetriebe suchen nach Auszubildenden oder Gesellen. Diese Zweige gehören nicht zum Niedriglohnbereich und entkräften damit Ihre Vermutung des Lohndumpings. Es sind hauptsächlich die klassischen Ausbildungsbranchen, die nach Fachkräften suchen. Acht von zehn Berufsgattungen mit den größten Engpässen suchen qualifizierte Kräfte, die über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen und dementsprechend einen guten Lohn erhalten.

Als Ursache für den Fachkräftemangel ist zum einen die demografische Entwicklung zu nennen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen allmählich in Rente, immer weniger Kinder werden geboren. Dadurch werden viele Stellen frei, die nicht mehr besetzt werden können. Als zweite Ursache ist die starke Akademisierung der deutschen Gesellschaft anzuführen: Im Jahr 2010 schlossen 49% aller Schüler ihre Schullaufbahn mit dem Abitur ab (im Jahr 2000 waren es „nur“ 37,2%). 45% eines Jahrganges beginnen inzwischen ein Universitätsstudium. Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings kommt es durch die zunehmende Akademisierung vor allem in den oben genannten traditionellen Ausbildungsberufen zu einem Fachkräftemangel. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben wir daher eine Stärkung der Berufsausbildung als wichtigen Punkt festgeschrieben. Das duale System in Deutschland, bestehend aus Ausbildung und/oder Studium, hat sich bewährt. Wir wollen es festigen, indem wir auch Ausbildungsberufe wieder attraktiver machen. Dies ist der erste Schritt, um dem Fachkräftemangel in diesem Bereich zu begegnen.
Zudem müssen wir den Arbeitssuchenden in Deutschland bessere Chancen geben, sich weiterzubilden. Bei der geringen Arbeitslosenquote, die wir derzeit in unserem Land haben, bleiben vor allem Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte ohne Aussichten auf einen Beruf. Allerdings sind deutsche Firmen bei ihren Dienstleistungen und Produkten oft auf gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen. Hier bedarf es einer kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung der Arbeitssuchenden, damit diese von dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland profitieren und in ein Arbeitsverhältnis eintreten können.
Der dritte Baustein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist die Zuwanderung. Dabei handelt es sich um die am emotionalsten geführte Debatte. Ich stimme Ihnen zu, dass wir dieses Thema an Fakten orientiert behandeln sollten. Eines vorweg: Deutschland braucht Zuwanderung. Die oben genannten Gründe sprechen dafür. Wir werden unsere wirtschaftliche Stärke nur erhalten können, wenn es uns gelingt, qualifizierte und leistungsbereite Menschen in unser Land zu holen. Im Jahr 2012 kamen 369.000 Menschen mehr nach Deutschland als auswanderten. Diese Personen sind zumeist jung und gut ausgebildet. Da es gerade in den klassischen Ausbildungsberufen an Nachwuchs mangelt, suchen wir vor allem für diese Branchen qualifizierte Zuwanderer. In vielen Ländern existiert kein mit Deutschland vergleichbares Ausbildungssystem. Junge Spanier, Italiener oder Griechen können in ihren Ländern schnell in die Arbeitslosigkeit geraten. Diesen Menschen können wir in Deutschland eine Chance geben, z.B. mit einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz im Hotel- und Gastgewerbe oder in handwerklichen Betrieben. Dort haben Zuwanderer die Möglichkeit, einen fairen Verdienst zu erhalten, der nicht im Niedriglohnbereich liegt.

Den Bereich Pflege würde ich gerne einzeln betrachten, weil er eine herausgehobene Rolle spielt. In den kommenden Jahren wird es immer mehr Pflegefälle geben. Der Bedarf an Personal wird also weiter steigen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat darauf 2013 reagiert. Für die Jahre 2014 bis 2016 hat die Bundesregierung eine jährliche Steigerung der Anzahl der Pflege-Fachkräfte um zehn Prozent vorgesehen. Für dieses Ziel wurden unter anderem die Umschulung zur Altenpflegefachkraft für Seiteneinsteiger erleichtert, eine Ausbildungsverkürzung für Pflegekräfte mit Vorkenntnissen und ein Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen verabschiedet. Auch im Ausland wirbt die Bundesregierung Fachkräfte an. Schwerpunktmäßig wird derzeit in neun Ländern gesucht (Spanien, Griechenland, Portugal, Italien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, den Philippinen, Tunesien und in China).

Es bleibt festzuhalten, dass der Fachkräftemangel in der Masse nicht im Niedriglohnbereich vorhanden ist. Vielmehr handelt es sich oft um klassische Ausbildungsberufe, die eine solide Vergütung versprechen. Die qualifizierte Zuwanderung ist ein Baustein, um diese Lücke an Fachkräften zu schließen.

Beste Grüße

Rüdiger Kruse