Warum arbeiten unsere Behörden immer noch mit Papierakten, wenn es längst die Strukturen gibt vieles papierlos und digital zu erledigen.

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Tessa Ganserer
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Frage von F. W. •

Warum arbeiten unsere Behörden immer noch mit Papierakten, wenn es längst die Strukturen gibt vieles papierlos und digital zu erledigen.

Sehr geehrte Frau Ganserer,

ich bin Beamter in der Bundespolizei (Nürnberg) und immer wieder entsetzt wie viel Papier wir verschwenden. Wir betreiben doppelte Aktenführung und obwohl wir alles digital bearbeiten können, wird erwartet, dass wir immer noch parallel dazu eine Papierakte führen. Hinsichtlich des Umweltschutzes sollten Behörden eine Vorbildfunktion erfüllen. Das sehe ich hier nicht erfüllt.

Mit freundlichen Grüßen
Ich möchte aus beruflichen Gründen anonym bleiben.

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Hallo F.W. 

Verwaltungen in Deutschland sind generell noch zu analog in Deutschland - das zeigen insbesondere auch Vergleiche mit anderen EU-Staaten. Das ist insbesondere auf Versäumnisse der letzten Regierung zurückzuführen, konsequent Infrastruktur und Basisdienste aufzubauen (stattdessen Leuchtturmprojekte zu fördern oder teure Produkte einzukaufen), der Digitalisierung die angemessene Bedeutung beizumessen und auf technischen Sachverstand (z.B. aus der Zivilgesellschaft, BfDI) zu hören.

Neben Umwelt- und Klimaschutz ist aber auch die generelle Leistungsfähigkeit insbesondere angesichts des demographischen Wandels relevant zu sehen - viele Prozesse binden aufgrund der analogen Kultur viele personelle Ressourcen. Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates ist dabei auch ein Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie und des Rechtsstaats. Wichtig bei der Digitalisierung ist für uns, dass dies kein Selbstzweck ist - digitale Prozesse müssen insbesondere menschenzentriert, nutzungsfreundlich und datenschutzkonform sein.

Für die generelle Verwaltung steht derzeit die Gesetzesänderung des Onlinezugangsgesetzes und weiterer Gesetze an. Zentral wird die Digitalisierung der internen Prozesse, auch kommunaler Verwaltungen, sein. 

 

Seit Jahren befinden sich die Polizeien (Bund-Länder) in einem umfassenden Modernisierungsprozess. Dabei stößt der Einsatz moderner Technologie an rechtliche und akzeptanzbedingte Grenzen. Auch wenn viele – zumeist jüngere Menschen – der Digitalisierung grundsätzlich positiv gegenüberstehen, haben auch viele Menschen Bedenken hinsichtlich der Digitalisierung der Polizeien, die ernst genommen werden müssen. Nicht alles technisch Machbare ist wünschenswert (z.B. flächendeckender Einsatz von Videotechnik, Gesichtserkennung, Einsatz von KI und/oder Pegasus Palantir, anlasslose Vorratsdatenspeicherung etc.).

Die Polizei ist zudem bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität flächendeckend noch nicht gut aufgestellt. Die Bevölkerung wünscht sich in diesem Punkt deutlich mehr polizeiliche Digitalkompetenzen. Die Bevölkerung erwartet grundsätzlich, dass die Polizei ihre digitalen Fähigkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung ausbaut. Mit der Cyberkriminalität verstärkt sich zudem ein Trend, der in den Augen der Bevölkerung in den kommenden Jahren zur zentralen Herausforderung für die Sicherheitsbehörden werden dürfte. Moderne Technologien und der konsequente Aufbau von Digitalkompetenz sind „ohne große Alternativen“, wenn es darum geht, sich dieser Herausforderung zu stellen. Dabei reicht es nicht aus, mit den Entwicklungen bei der kriminellen Nutzung des Cyberraums Schritt zu halten – es kommt vielmehr darauf an, wenn möglich, den Kriminellen stets einen Schritt voraus zu sein. Der Wunsch vieler Menschen nach einem digitalen Wandel bei der Polizei ist auf jeden Fall vorhanden. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt aber auch, dass hier noch ein langer Weg vor der Polizei liegt - und gibt Ihnen mit Ihrem Eindruck auf jeden Fall Recht. 

Viele Grüße, 

Tessa Ganserer 

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