Warum haben Sie gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan gestimmt?

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Zeki Gökhan
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Frage von Onur Y. •

Warum haben Sie gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan gestimmt?

Sehr geehrter Herr G.

ich schätze Ihre politische Weltanschauung und bewundere und achte Ihr politisches Engagement. Nichtsdestotrotz bleibt mir Ihre Stimme gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan rätselhaft. Hätte Ihre Entscheidung am 25. August nicht zur Folge gehabt, dass wir die deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräfte in Afghanistan im Stich gelassen hätten? Ich frage mich daher ernsthaft nach Ihren Motiven mit einem ,,Nein" gestimmt zu haben und wäre für eine Antwort sehr dankbar!

Mit freundlichen Grüßen
Onur

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Sehr geehrter Herr Y.,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich hiermit gerne beantworte!

Der über 20 Jahre geführte Einsatz in Afghanistan, so muss man Bilanz ziehen, ist insgesamt gescheitert. DIE LINKE hat von Beginn an geschlossen gegen diesen (wie jeden anderen) Krieg gestimmt. Schon im Juni diesen Jahres hat meine Fraktion im Bundestag beantragt, die Evakuierung der zivilen Bevölkerung – und insbesondere der Ortskräfte – einzuleiten, da dies zu diesem Zeitpunkt gefahrlos möglich gewesen wäre.

Details zu Antrag und Abstimmung im Juni entnehmen Sie gerne folgenden Quellen des Bundestages:

Hier der Text des damals abgelehnten Antrages der Bundestagsfraktion meiner Partei DIE LINKE, vergl. Quelle:  https://dserver.bundestag.de/btd/19/309/1930934.pdf ,
z.B. beachten Sie auch bzgl. der Ortskräfte, siehe unter II. 4.:
"...II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
(...)
4. dafür zu sorgen, dass afghanische Ortskräfte, die im Dienst der Bundeswehr und der deutschen Polizei standen, jetzt schnell und unbürokratisch in Deutschland aufgenommen werden..."

Sowie zur Abstimmung über den Antrag, dort unter dem Punkt:
"...Afghanistan-Einsatz: Der Bundestag hat einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Afghanistan-Einsatz umfassend aufarbeiten und außenpolitische Konsequenzen ziehen“ (19/30934) abgelehnt..."
( Vergl.:  Quelle  https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-abschliessende-beratungen-nachbericht-847604  )

Dieser Antrag wurde wie gesagt im Juni abgelehnt, von den Koalitionspartnern Union und SPD.

Nun, mit ihrem verspäteten und in Details völlig unklaren Antrag hat die Regierung in der Namentlichen Abstimmung am 25. August 2021 letztlich versucht, das Parlament in eine Mitverantwortung für das jahrzehntelange Scheitern ihrer Politik zu nehmen.

Durch die militärische Besetzung des Kabuler Flughafens wurde der zivile Luftverkehr eingestellt – und damit auch die schon laufenden zivilen Evakuierungen. Die Präsenz des Militärs hatte also schon Fakten geschaffen, bevor ein parlamentarisches Mandat vorlag.

Es kann in einer Notfallsituation in Ausnahmefällen so sein, dass der Bundestag einen Beschluss quasi im Nachhinein treffen muss.

Doch auch das war hier nicht der Fall. Denn ganz unabhängig davon, ob man diesen Einsatz ablehnt oder befürwortet, lag für diese militärische Intervention (wieder mal) kein UN-Mandat vor. Das bedeutet, dass ein „Ja“ zu diesem Einsatz einen Bruch des Völkerrechts darstellt. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, da die militärische Intervention in anderen Ländern während der letzten Jahre und Jahrzehnte immer häufiger geschieht, ohne dass die Vereinten Nationen dazu ein Mandat erteilt hätten. Jeder Bruch dieser internationalen Vereinbarung schwächt letztendlich das Völkerrecht.
Zudem – und dies wird in der medialen Berichterstattung leider wenig erwähnt – war der Antrag der Bundesregierung umfassender als die bloße Evakuierung von Zivilisten. Mit einem „Ja“ zu diesem Einsatz hätte ich also einen Blankoscheck für einen Kampfeinsatz erteilt.

Mit freundlichen Grüßen
Zeki Gökhan